Die Neuerungen von Linux 3.0

Zum Sprung in das dritte Jahrzehnt des Linux-Kernels gab es zahlreiche Änderungen am Btrfs-Dateisystem. Der Kernel enthält nun alles Wichtige zum Hosten von Gästen mit dem Xen-Hypervisor und bringt viele neue oder überarbeitete Treiber mit.

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Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Thorsten Leemhuis
Inhaltsverzeichnis

Nur ungefähr zwei Monate haben Linus Torvalds und seine Mitstreiter diesmal zur Fertigstellung einer neuen Kernel-Version gebraucht. Die Neuerung, die wohl am meisten Aufsehen erregt, ist dabei keine technische, sondern eine kosmetische: Der Versionssprung von 2.6.39 auf 3.0. Diesen haben die Entwickler aber nicht für gravierende Änderungen genutzt, sondern einfach ganz normal einen Kernel zusammengestellt, wie es in der 2.6er-Serie zuletzt üblich war – es gibt also kleine wie große Änderungen.

Zu den wichtigeren Neuerungen von Linux 3.0 zählt das Storage-Backend für den Hypervisor Xen, durch das der Kernel nun alle wichtigen Bausteine zum Xen-Dom0-Betrieb enthält – sechs Jahre, nachdem die Aufnahme der Xen-Unterstützung schon einmal zum Greifen nahe schien. Viele Änderungen gab es auch am Btrfs-Dateisystem und den Grafiktreibern. Wie immer integrierten die Kernel-Entwickler einige neue Treiber und verbesserten viele andere.

Der folgende Artikel beschreibt diese und weitere Verbesserungen der neuen Linux-Version in Kurzform. Manche davon sind nur für Server oder Embededed-Systeme wichtig, viele aber auch für Allerwelts-Notebooks und typische Desktop-PCs. Über die Linux-Kernel der Distributionen landen die Verbesserungen kurz- und mittelfristig auf dem Gros der Linux-Systeme, weil die Distributions-Kernel auf dem Vanilla-Kernel von Linus Torvalds basieren.

Mehr Infos

Im Detail

Bereits in den vergangenen Wochen hat das Kernel-Log in der Mini-Serie "Was Linux 3.0 bringt" detailliert über die Änderungen der Linux-Version 3.0 berichtet:

  1. Netzwerk
  2. Dateisysteme
  3. Architektur und Infrastruktur
  4. Treiber

Der nebenstehende Artikel fasst die wichtigsten der dort genannten Verbesserungen zusammen und gibt zusätzlich noch einen Ausblick auf Version 3.1. Die Artikel der Mini-Serie beschreiben die erwähnten Änderungen jedoch ausführlicher und listen außerdem noch zahlreiche nicht so bedeutende, aber keineswegs unwichtige Neuerungen auf.

Ein Versionssprung oder ein ganz neues Nummerierungsschema für den Linux-Kernel war schon einige Male diskutiert worden – der Sprung auf 3.0 kam aber doch recht überraschend. Im letzten Jahr hatte es noch so geklungen, als wollten die Kernel-Entwickler vor einer Änderung noch wenigstens 2.6.42 erreichen. In der zweiten Mai-Hälfte und eine Woche nach der Freigabe von Linux 2.6.39 brachte Torvalds jedoch überraschend einen Wechsel auf 2.8 ins Spiel, weil "die Nummern zu groß würden". In der darauf folgenden LKML-Diskussion kam dann schnell die Idee mit 3.0 auf; die "3" solle die dritte Dekade kennzeichnen, die Linux demnächst mit seinem 20. Geburtstag antritt.

Die eigentliche Entscheidung zum Umstieg und eine Verkürzung auf eine Versionsnummer mit zwei statt drei Abschnitten traf Torvalds ein paar Tage später, kurz bevor er die erste Vorabversion des jetzt fertig gestellten Kernels freigab. Den Beschluss traf er anscheinend alleine, was ihm seine Position als als Alpha-Männchen der Linux-Entwicklung ermöglicht. In der Freigabe-Mail zu Linux 3.0-rc1 versuchte Torvalds sehr deutlich zu machen, dass es lediglich eine neue Nummerierung sei und diese Version keine größeren Änderungen enthalte; bereits zuvor hatte er Vorschlägen eine Absage erteilt, den Versionssprung als Anlass zu nehmen, um vermeintliche Altlasten wie MCA-, EISA- oder ISA-Unterstützung zu entfernen.

Trotzdem ist die neue Nummerierung für Anwender von Bedeutung, denn sie bringt einige Anwendungen durcheinander – darunter systemnahe Programme wie Cryptsetup, Device Mapper, LVM2, Mdadm, Module-Init-Tools und Procps. Sie aktualisiert man am besten, wenn man auf Kernel 3.0 oder einen der Nachfolger wechselt, um Probleme zu vermeiden. Einige dieser Programme haben die Methoden zur Zusammenarbeit mit aktuellen Kerneln nur aktiviert, wenn dessen Versionsnummer mit 2.6 beginnt; andere sind davon ausgegangen, dass die Versionsbezeichnung aus drei Zahlenabschnitten besteht. Solche Herangehensweisen hat Torvalds sehr deutlich kritisiert. Um einen Teil dieser Probleme zu umgehen, wird sich Linux 3.0 selbst als 3.0.0 identifizieren; es ist gut möglich, dass auch die direkten Nachfolger ein zusätzliches ".0" erhalten, dies aber früher oder später wegfällt – der Nachfolger des jetzt veröffentlichten Kernels soll die Versionsnummer 3.1 tragen. Zur Kennzeichnung von Stable- und Longterm-Kernel dient zukünftig die dritte Stelle; bisher war es die vierte.