Musikbranche drängt auf Einigung für YouTube-Lizenzen

Vertreter der Musikindustrie wagen sich zunehmend mit Kritik an der GEMA aus der Deckung und fordern die Verwertungsgesellschaft auf, ihre Blockade bei der Lizenzierung von Musikvideos für YouTube aufzugeben.

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Leider ist dieses Video in Deutschland nicht verfügbar, da es Musik enthalten könnte, für die die GEMA die erforderlichen Musikrechte nicht eingeräumt hat. Das tut uns leid. – Diesen Satz kennt jeder deutsche YouTube-Nutzer. Nicht selten landet man in dieser Rechte-Sackgasse, wenn man einem Link folgt, das Nutzer in den USA, Großbritannien oder anderswo zu einem Musikvideo führt.

Neu ist das Problem nicht. Nur dauert die Lösung hierzulande offenbar länger als in anderen Ländern, was nicht nur die Nutzer frustriert. Auch die Musikindustrie, sonst gerne für ihre Blockadehaltung kritisiert, wird angesichts des festgefahrenen Konflikts mit der deutschen Verwertungsgesellschaft GEMA zunehmend sauer. Branchenvertreter sagen, sie hätten ihre Titel lieber heute als morgen auf YouTube. Nur spiele die GEMA da bisher nicht mit.

YouTube und GEMA waren bei ihren Verhandlungen zur Erneuerung eines im März 2009 abgelaufenen Lizenzabkommens auf keinen grünen Zweig gekommen. Nach monatelangen Gesprächen hatte die Verwertungsgesellschaft die Verhandlungen für gescheitert erklärt und war vor Gericht gezogen, um im Bunde mit anderen europäischen Verwertungsgesellschaften eine einstweilige Verfügung gegen YouTube zu erwirken – und das Problem damit vor Gericht verlagert. Seither wird nicht mehr direkt miteinander verhandelt. Nachdem das Gericht eine Verfügung nicht erlassen wollte, geht der Konflikt nun ins Hauptsacheverfahren – möglicher Termin: noch in diesem Sommer.

Nicht selten führt ein Link zu dieser Enttäuschung.

"Das geht so nicht mehr", sagte Dieter Gorny am Montag in der Financial Times Deutschland (FTD). Man drehe sich im Kreis und komme nicht voran. "Das Fatalste im Bereich der digitalen Entwicklung ist die Langsamkeit, das Beharren, das Abwarten". Der Vorstandschef des Bundesverbands der Musikindustrie (BVMI) spricht ein Thema an, über das in der Branche früher eher hinter vorgehaltener Hand geredet wurde, als Rechteinhaber und Verwerter noch eine Einheit gegen den Angriff aus dem Netz bildeten.

Doch im Streit um YouTube bröckelt dieser Interessenverbund. Die Labels verlieren langsam die Geduld und erhöhen den öffentlichen Druck. Zuletzt hatten sich auch die Deutschland-Chefs der Majors Universal und Sony aus der Deckung gewagt und die Haltung der GEMA offen kritisiert. Edgar Berger von Sony Music etwa sieht den Verwerter als Bremsklotz bei der Entwicklung neuer Geschäftskonzepte: "Deutschland ist im digitalen Musikmarkt ein Entwicklungsland." Ein Teil des GEMA-Aufsichtsrates, meint der Musikmanager, sei noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen.

Der GEMA ist die Änderung im Tonfall nicht entgangen. "Offensichtlich" solle "Druck aufgebaut werden" für das laufende Verfahren, heißt es in einer Reaktion der Verwertungsgesellschaft auf die Äußerungen der Label-Chefs. Der Verwerter betont, dass es die Labels, andere Rechteinhaber oder YouTube selbst seien, die Videos sperren. Die GEMA habe die Sperrung von Videos nicht veranlasst.

Die Texte bei gesperrten Videos suggerierten, dass die GEMA YouTube die fraglichen Rechte nicht eigeräumt habe, meint GEMA-Jurist Alexander Wolf zu den seiner Ansicht nach "irreführenden" Einblendungen. "Fakt ist jedoch, dass YouTube diese Rechte bislang einfach nicht erworben hat." Die GEMA sei verpflichtet, jedem Musiknutzer eine Lizenz anzubieten. "Die Sperrung der Videos durch YouTube ist daher als reine Stimmungsmache zu verstehen."

Hinter dem Streit steckt ein Grundkonflikt: Die GEMA besteht auf eine Vergütung pro Aufführung. YouTube soll also für jedes abgespielte Video zahlen. Auf dem Tisch lag zuletzt ein Angebot von 1 Cent pro Video. Doch das ist YouTube noch zu viel – bei Abrufzahlen, die für einzelne Videos schon mal in die Millionen gehen, kommt auch bei Centbeträgen eine stattliche Summe zusammen. Stattdessen will die Google-Tochter die Rechteinhaber an den Werbeeinnahmen beteiligen. Doch gerade da hakt es. Das mag im konkreten Fall auch daran liegen, dass hinter YouTube ein milliardenschwerer Internetriese steht, an den die GEMA die Rechte ihrer Mitglieder nicht einfach so verscherbeln will.

Diese Beharrlichkeit der GEMA, an ihrem traditionellen Vergütungsmodell festzuhalten, ist auch der Stolperstein für andere Streaming-Dienste. Etwa Anbieter wie Spotify, der inzwischen auch die lange zögernden Majors von seinem Geschäftsmodell zumindest soweit überzeugen konnte, dass sie sich dem Versuch nicht mehr verweigern. Nach zähem Ringen ist der Dienst nach Großbritannien und Schweden im Sommer auch in den USA gestartet. Der längst geplante Deutschlandstart scheitert bisher an den Verhandlungen mit der GEMA.

Eine Lösungsperspektive aufzeigen könnten die Verhandlungen, die der IT-Branchenverband Bitkom und die GEMA derzeit über einen Standardvertrag für die digitale Verwertung führen. Darin geht es um die Vergütung von bezahlten Downloads, Abo-Modellen und Streaming-Flatrates. Dem Vernehmen nach soll die Kuh schon bald vom Eis sein. Der Streit um die Beteiligung an Werbeeinnahmen dürfte sich damit nicht in Luft auflösen, doch hat die Musikbranche durchaus Hoffnung, dass es am Ende auf eine Kombination des Standardvertrags mit speziellen Konditionen für "Freemium"-Modelle hinausläuft.

Das erfordert von allen Beteiligten eine gewisse Flexibilität, mit der allerdings auch die Musikindustrie nicht immer gesegnet war. Nach Ansicht der Labels sollte man bei neuen Formen der Musikvermittlung auch neue Verwertungsmodelle ausprobieren. Dafür spricht sich Verbandschef Gorny aus. "Die Lizenzierungsstruktur muss angepasst werden", sagte der BVMI-Vorstandsvorsitzende der FTD. Denkbar seien etwa Modelle, das junge Anbieter noch nicht so viel zahlen wie etablierte Player. "Solche Experimente muss man eingehen", sagte Gorny.

So einfach geht das nicht, erwidert ein GEMA-Sprecher gegenüber heise online und verweist auf den klaren Auftrag des Gesetzgebers. Die Verwertungsgesellschaft könne nur in einem gewissen Rahmen Sonderkonditionen bieten und müsse ansonsten allen Teilnehmern die gleichen Bedingungen einräumen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten habe die GEMA neuen Anbietern schon gesonderte Konditionen eingeräumt, etwa auch YouTube mit dem seit 2009 abgelaufenen Interims-Vertrag.

Im Hinblick auf die Interessenlage ist die Kritik der GEMA an den Einblendungen auf YouTube sicher nicht ganz unberechtigt. Sich nur hinter dem Gesetzgeber zu verstecken und die Sache vor Gericht auszutragen darf aber auch nicht als konstruktiver Beitrag missverstanden werden. So sind die Hinweise bei gesperrten YouTube-Videos vor allem eins: Ein Mahnmal eines mit der vernetzten Realität des 21. Jahrhunderts hoffnungslos überforderten Urheberrechts. (vbr)