US-Senatsvorsitzender spricht sich gegen "Netzneutralität" aus

Ted Stevens, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses des US-Senats, glaubt nun doch nicht mehr an die Notwendigkeit gesetzlicher Regelungen zur Sicherung eines offenen Internet, das alle Datenpakete unabhängig von Quelle oder Dienst gleich behandelt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 42 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Bei den laufenden Beratungen im US-Senat über eine gesetzliche Regelung zur Festschreibung des Prinzips der "Netzneutralität" hat der Vorsitzende des federführenden Wirtschaftsausschusses, Ted Stevens, eine Kehrtwende vollzogen. Anfang Juni hatte der Republikaner aus Alaska noch zu bedenken gegeben, dass "vielen Mitgliedern" des Senats die Vorkehrungen für die Sicherung eines offenen und den Datentraffic unterschiedlos behandelnden Internet in dem debattierten Gesetzesentwurf zur Neufassung des Telekommunikationsrechts "nicht weit genug gehen". Gleichzeitig betonte er, dass er den Gesetzesvorschlag so abändern wolle, dass die US-Regulierungsbehörde, die Federal Communications Commission (FCC), stärker im Sinne des Verbraucherinteresses und zur Wettbewerbsförderung im Bereich Netzneutralität involviert werden sollte. Bei den Senatsdiskussionen am gestrigen Dienstag erklärte Stevens nun, dass die Betreiber von Breitbandnetzen nicht derselben strengen Regulierung unterliegen sollten wie "allgemeine" Telekommunikationsanbieter.

Im hitzigen Streit um die Netzneutralität plädiert eine breite Koalition aus Künstlern sowie rechten und linken Aktivistengruppierungen unter dem Aufhänger "Save the Internet" mit Unterstützung hauptsächlich aus dem Lager der Demokraten dafür, dass auch Breitbandanbieter alle Inhalte bei der Übertragung gleich behandeln müssen und keine Priorisierungen, Spezialbehandlungen oder Sonderabrechnungen für ausgewählte Datenpakete zeigen dürfen. Große Telcos wie AT&T oder Verizon, TV-Kabelanbieter und Netzausrüster sprechen sich dagegen strikt gegen Regulierungsauflagen für entstehende Hochgeschwindigkeitsnetze aus. Sie wollen auf den neuen Datenhighways kostenpflichtige Überholspuren einrichten und den Fluss der Bits und Bytes stärker kontrollieren, um Datenpakete je nach Quelle, Empfänger, Diensttyp oder Bandbreitenbedarf des Dienstes priorisieren oder mit zusätzlichen Gebühren belegen zu können.

Stevens betonte jetzt, dass eine Rückkehr zum Regulierungsumfeld für die klassischen Telcos im Breitbandbereich nicht in Frage komme. "Wir werden das nicht tun", gab er Bestrebungen eine Absage, wonach Carrier auch in den schnellen künftigen Netzen allen Kunden den gleichen Service zu Standardpreisen anbieten müssten. Die FCC will der Republikaner zwar weiter als Hüter eines "neutralen" Netzes tätig sehen. Stevens tendierte dieses Mal aber zu der auch sonst im republikanischen Lager häufig zu hörenden Ansicht, dass die bestehenden "Vernetzungsprinzipien" ausreichen. Sie besagen unter anderem, dass Verbraucher ein Recht auf "Wettbewerb zwischen Netzwerk-, Applikations-, Inhalte- und Diensteanbietern" haben. Sanktionsmittel hat die Behörde aber nicht. Die FCC hat sich zudem in jüngster Zeit wenig um die Netzneutralität bemüht. Ihre im vergangenen Jahr auch vom Obersten US-Gerichtshof bestätigte Definition zählt Kabelnetzbetreiber beispielsweise zu "Inhalteanbietern". Sie müssen daher anders als klassische Telcos ihre Infrastrukturen nicht Wettbewerbern öffnen.

Auch im Senat schwinden so die Chancen, dass sich die Verfechter eines offenen Breitbandnetzes durchsetzen. Der aus North Dakota stammende demokratische Senator Byron Dorgan führte zwar aus, dass das bisherige Wachstum des Internet und seine Innovationsmöglichkeiten auf der "offenen Architektur" des Netzwerks bestünden und die Anti-Diskriminierungsprinzipien aufrecht erhalten werden müssten. Auch der stellvertretende Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, der Demokrat Daniel Inouye, ist der Ansicht, dass die Regeln im bestehenden Entwurf für den Consumer's Choice and Broadband Deployment Act (PDF-Datei) zur Verhinderung unfairen Verhaltens der Netzbetreiber nicht ausreichen.

Schon im US-Repräsentantenhaus, der zweiten Gesetzgebungssäule im US-Kongress, mussten Befürworter der Netzneutralität aus den Reihen der Demokraten Ende vergangener Woche aber eine schwere Niederlage einstecken. Die Abgeordneten stimmten mit republikanischer Mehrheit gegen einen Änderungsantrag am dortigen Gesetzespendant zur Neuausrichtung des Telekommunikationsrechts, dem Communications Opportunity, Promotion, and Enhancement Act (COPE). Der Korrekturvorschlag wollte es Breitbandanbietern auferlegen, ihre Leitungen jedem Inhalteanbieter unterschiedslos und diskrimierungsfrei zur Verfügung zu stellen. Für Leistungsmerkmale wie eine garantierte oder besonders rasche Übertragung von Daten hätten Provider keine zusätzlichen Gebühren erheben dürfen. Der Senat will nun im Lauf der kommenden Woche weiter über sein Votum über die Netzneutralität beraten und abstimmen.

Siehe zur Debatte um die Netzneutralität auch:

(Stefan Krempl) / (jk)