Neue Runde im Streit um die Internationalisierung der Internet-Verwaltung

In den zeitweise auf Regierungsebene heftig geführten Streit um die Internationalisierung der Namens- und Adressverwaltung im Internet will das Internet Governance Project durch eine Kampagne zur NTIA-Anhörung über die ICANN-Kontrolle Bewegung bringen.

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Von
  • Monika Ermert

Die Forschergruppe des Internet Governance Project hat eine Kampagne gestartet, um weltweit für eine von der US-Regierung unabhängige Verwaltung von DNS-Namen und IP-Adressen im Internet zu werben. Eine noch bis zum 7. Juli laufende schriftliche Anhörung durch die National Telecommunications and Information Administration (NTIA) biete die beste Gelegenheit, sich dafür einzusetzen, dass die US-Regierung ihre vielkritiserte Sonderrolle bei der Aufsicht über die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) aufgeben soll, schreiben die Forscher in ihrem Aufruf.

Die NTIA hat mit Blick auf das Auslaufen des 1998 zwischen der US-Regierung und der privaten Netzverwaltung geschlossenen und zuletzt 2003 verlängerten Vertrags (Memorandum of Understanding, MoU) um Stellungnahmen zur Frage gebeten, ob ICANN die Bedingungen für eine Privatisierung erfülle. Diese vollständige Privatisierung war in dem ursprünglichen MoU für den Zeitpunkt in Aussicht gestellt worden, zu dem ICANN stabile Verfahren für die Selbstverwaltung von Namen und Nummern – dem Domain Name System, der IP-Adressvergabe und dem Rootserver-System – etabliert habe. Insgesamt sechsmal wurde der Vertrag seither verlängert, obwohl die US-Regierung ursprünglich versichert hatte, sie werde nach zwei Jahren die DNS-Verwaltung komplett in die Hände der Selbstverwaltung abgeben.

"Dieses Versprechen hat die US-Regierung gebrochen", schreiben die Forscher rund um Milton Mueller von der Syracuse University. Im vergangenen Jahr habe die USA schließlich erstmals betont, sie werde ihre Sonderrolle auf Dauer behalten, sehr zum Unmut internationaler Regierungen. Auch beim Internet Governance Project warnt man davor, dass es keine Legitimation für die USA als alleinigem Aufseher über die globale Netzverwaltung gebe. "Täuschen wir uns nicht: Das künftige MoU wird politische Grundsätze der US-Politik in Fragen des Datenschutzes, des Wettbewerbs und des geistigen Eigentums spiegeln", warnt das Internet Governance Project. "Die US-Regierung beansprucht für sich, als neutraler Verwalter der globalen Koordinierungsfunktion des Internet zu agieren, aber die USA ist der Weltgemeinschaft eben nicht rechenschaftspflichtig und kann es nicht sein." Die Forscher empfehlen jetzt Beobachtern aus allen Ländern, sich schriftlich an die NTIA zu wenden. Ein Brief-, beziehungsweise E-Mail-Vorschlag findet sich auf den Seiten des Projekts. Darin wird gefordert, den Übergang zu einem nicht von der US-Regierung abhängigen DNS abzuschließen.

Ob es für ICANN künftig eine Aufsicht durch internationale Regierungen geben soll oder ob eine reine Selbstverwaltung genügt, lässt der Entwurf erst einmal offen. Diskutiert wird diese Frage unter anderen bei einer Konferenz in Rathen in Sachsen am Wochenende, bei der Wissenschaftler aus aller Welt – darunter auch Vertreter des Internet Governance Project – zusammenkommen. Auf Einladung der Nanyang Technological University aus Singapur, des Fachbereichs Medien- und Kommunikationswissenschaft der Uni Aarhus und des NETCOM Institute des Media City Leipzig e.V werden ab Freitag entwicklungspolitische Aspekte der globalen Netzverwaltung und die Gründung eines Global Internet Governance Academic Network (GIGANet) diskutiert. Aber auch die Gretchenfrage der Kontrolle über DNS und ICANN wird die Tagungsteilnehmer beschäftigen.

Siehe zum Thema Aufsicht über die ICANN und Internationalisierung der Internet-Verwaltung auch:

(Monika Ermert) / (jk)