US-Kongress streitet weiter heftig über die "Netzneutralität"

Aufgrund weit auseinandergehender Ansichten zur Sicherung eines offenen Breitbandnetzes verzögert sich die Reform des US-Telekommunikationsrechts immer stärker; eine Einigung im Jahr 2006 erscheint zweifelhaft.

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Im US-Kongress ist eine Einigung im Kampf um die Sicherung eines offenen und den Datenverkehr unterschiedlos behandelnden Breitbandnetzes nicht in Sicht. Der Streit um die "Netzneutralität" verzögert so die geplante Reform des US-Telekommunikationsrechts immer weiter. Arlen Specter etwa, der republikanische Vorsitzende des Justizausschusses des US-Senats, erbat sich nach einer Anhörung am gestrigen Mittwoch Bedenkzeit. Er müsse sich die "stark entgegengesetzten Ansichten" genauer durch den Kopf gehen lassen, erklärte er im Anschluss an die Expertenrunde. Dort hatten sich Befürworter der Netzneutralität wie Google einen heftigen Schlagabtausch mit dem Lager der Gegenseite geliefert, dem unter anderem Telekommunikationskonzerne wie AT&T oder Verizon und der TV-Kabelanbieter Comcast angehören.

Der Wirtschaftsausschuss des Senats hat trotz einer Neuorientierung seines Ausschussvorsitzenden Ted Stevens gegen erweiterte Auflagen zur Festschreibung der Netzneutralität ebenfalls noch keine klare Linie gefunden und eine Abstimmung über die Novelle des Telekommunikationsgesetzes bereits zweimal in diesem Monat verschoben. Specter sieht daher die Chancen schwinden, dass es noch in diesem Jahr zu einem Votum des Senatsplenums zum Entwurf für den Consumer's Choice and Broadband Deployment Act (PDF-Datei) kommt. Es wäre ein "Jongleursakt", die Arbeit an dem Gesetz in den Senatsgremien noch vor der Sommerpause zu beenden.

Das US-Repräsentantenhaus ist mit seiner Version der Reform, dem Communications Opportunity, Promotion, and Enhancement Act (COPE, PDF-Datei), schon weiter: Die Abgeordneten haben ihren Entwurf in der vergangenen Woche ohne Auflagen für die Betreiber von Breitbandnetzen verabschiedet, ihre Leitungen jedem Inhalteanbieter ohne jede unterschiedliche Behandlung zur Verfügung zu stellen. Die Parlamentarier wollten es Providern auch nicht untersagen, für Leistungsmerkmale wie eine garantierte oder besonders rasche Übertragung von Daten zusätzliche Gebühren zu erheben.

Vint Cerf, einer der Erfinder der grundlegenden Netzprotokolle und "Internet-Evangelist" bei Google, malte bei der Anhörung erneut ein Schreckensszenario, wonach Surfer künftig keinen Zugriff mehr auf die "400 Millionen Server im Internet" hätten, wenn deren Betreiber den Telcos und Kabelfirmen nicht direkt die von den Nutzern abgerufenen Datenmengen bezahlen würden. Man brauche die Möglichkeit, zwischen einzelnen Angeboten zu unterscheiden und preislich abgestufte Übertragungen vorzunehmen, "um weiter investieren zu können", hielt Comcast-Manager David Cohen dagegen.

Der Justizausschuss zeigte sich angesichts der Argumente für und wider die Netzneutralität gespalten. Neben demokratischen Senatoren erklärte auch der Republikaner Herb Kohl, dass der Gesetzgeber eine Situation verhindern müsse, in der "Breitbandanbieter über die Gewinner und Verlierer auf dem Information-Superhighway entscheiden können". Sein Parteikollege Sam Brownback aus Kansas zeigte sich dagegen überzeugt, dass eine Netzneutralitätsgesetzgebung "auf der Suche nach einem Problem" sei. Der Ausschussvorsitzende des Justizausschusses im Repräsentantenhaus, der Republikaner James Sensenbrenner, appellierte wiederum an die Senatoren, Breitbandbietern keine Chance zu wettbewerbswidrigem Handeln durch eine Diskriminierung von Wettbewerbern in ihren Netzen zu geben.

Sensenbrenner hat den so genannten Internet Freedom and Nondiscrimination Act mit vorgelegt. Das Gesetz soll unter anderem gewährleisten, dass Breitbandnetzbetreiber allen Inhaltelieferanten gleiche Geschwindigkeit und Qualität bieten. Trotz der Befürwortung des Vorhabens im Justizausschuss des Repräsentantenhauses kam es bei der Abstimmung über das neue Telekommunikationsgesetz im Plenum der Abgeordnetenversammlung aber nicht mit auf die Tagesordnung.

Die Verfechter eines offenen Hochgeschwindigkeitsnetzes aus der Zivilgesellschaft, die sich über die Plattform "Save the Internet" koordinieren, haben derweil eine neue Studie zur Untermauerung ihrer Forderungen vorgelegt. Die unter anderem von Verbraucherschutzverbänden in Auftrag gegebene Analyse (PDF-Datei) des Ökonomen Trevor Roycroft will die Breitbandanbieter unter Zugzwang setzen. Da das Prinzip des offenen und diskriminierungsfreien Internet so erfolgreich gewesen sei, um eine starke Online-Wirtschaft hervorzubringen und Telekommunikationsdienste wettbewerbsfähig zu halten, müssten die Kritiker Roycroft zufolge zeigen, dass eine Änderung dieser Regel echte Vorteile für die Mehrheit der betroffenen Akteure mit sich bringe.

Siehe zur Debatte um die Netzneutralität auch:

(Stefan Krempl) / (jk)