Chinas Käufer von Luxusautos kennen bei der Qualität kein Pardon

Chinas Käufer von Luxusautos kennen bei der Qualität kein Pardon

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Von
  • Gernot Goppelt

Lässt der Service im Autohaus zu wünschen übrig, kennen reiche Chinesen mitunter kein Erbarmen. Im März 2011 ging ein Foto aus der Volksrepublik um die Welt, auf dem Arbeiter mit Vorschlaghämmern einen Lamborghini zerstören. Der Besitzer des italienischen Luxus-Sportlers hatte den Schlägertrupp angeheuert, um den PS-Boliden öffentlichkeitswirksam zu demolieren. Auslöser: Der Rennwagen der absoluten Premiumklasse zickte nach der Durchsicht in einer offiziellen Lamborghini-Werkstatt herum. Für den offenbar nicht von Geldnot geplagten Chinesen war das wohl zu viel des Guten.

Die Anspruchshaltung des Lamborghini-Fahrers passt nach Expertenmeinung zum Gesamtbild bestens betuchter Kunden aus dem Riesenreich, auf dessen Kaufkraft derzeit die ganze Autobranche setzt - und vor allem auch die Luxuswagenbauer hierzulande. "Chinesen sind wesentlich ungeduldiger und anspruchsvoller als die Deutschen", sagt Christian Hummel, der Chinas Automarkt für das Beratungsunternehmen Capgemini Consulting beobachtet. Wie er berichtet, trennen Premiumhersteller teilweise Service- und Verkaufsräume – damit die umworbenen Interessenten von der "Beschwerdekultur" nicht behelligt werden. "Die Kunden in diesem Premiumsegment in China haben wenig Erfahrung mit Service oder Autokauf. Wenn man die fragt, was sie wollen, sagen sie: "alles"."

Der Käuferkreis für Luxuswagen in China wächst enorm. Capgemini erstellt regelmäßig Studien über die Geld-Millionäre, deren flüssiges Vermögen bei mehr als einer Million US-Dollar (rund 700.000 Euro) liegt. "Diese Gruppe zählt in China mittlerweile 535.000 Menschen. Von 2009 auf 2010 war das noch einmal ein Anstieg um 12 Prozent. Ihr Vermögen hat vermutlich sogar noch etwas stärker angezogen", sagt Klaus-Georg Meyer, Vize-Chef bei dem Beratungsunternehmen. Der halben Million Dollar-Millionäre standen in Deutschland 2010 gut 900.000 Super-Reiche gegenüber. Doch in China leben mit gut 1,3 Milliarden Menschen etwa 17 Mal so viel wie in Deutschland – und der Wohlstand ist dort, ebenso wie der Bedarf an Autos, ein junger Trend.

Längst liefern sich die Autokonzerne mit Weltpremieren, neuen Modellen und Milliardeninvestitionen in China ein Wettrennen um den Boom-Markt Nummer eins. VW-Chef Martin Winterkorn etwa sprach im April dieses Jahres von einem "Gravitationszentrum des Wachstums". Auch weil China-Marktführer VW dort jedes gebaute Auto loswird, plant der Konzern bis 2015 Investitionen in Höhe von 10,6 Milliarden Euro. Wie gut die Flaggschiffe unter dem VW-Dach – Phaeton und Audi A8 – in China unterwegs sind, weist der Konzern nicht aus. Aber von den im ersten Halbjahr 2011 gut 4,1 Millionen verkauften Autos aus der VW-Familie entfällt mehr als jedes vierte auf China (27 Prozent). Daimler legte in den ersten sechs Monaten in China beim Umsatz um 32 Prozent zu. Knapp 5,7 Milliarden Euro sind ein gutes Stück der rund 51 Milliarden Euro starken Gesamterlöse des Konzerns. Die Kernmarke Mercedes-Benz kam in China auf 101.359 Wagen – etwa ein Sechstel des gesamten Absatzes. Für die S-Klasse ist China der größte Markt überhaupt: vergangenes Jahr entfielen von den weltweit 66.500 Wagen 25.606 auf die Volksrepublik. Die extravaganten Maybach-Modelle (insgesamt rund 200 pro Jahr) laufen nur noch in den USA besser.

Die Stuttgarter wollen in Zukunft 70 Prozent der Fahrzeuge für den chinesischen Markt direkt in dem Land selber produzieren und den Rest importieren – bisher ist das Verhältnis umgekehrt. Daimler stockt deshalb die Kapazitäten bis 2015 auf mehr als 200.000 Fahrzeuge auf. Insgesamt will der Konkurrent von BMW und Audi dann in China rund 300.000 Autos verkaufen, im vergangenen Jahr waren es 148.400. BMW schreibt China weiterhin hohe Wachstumsraten zu, wobei das Premiumsegment aufs Neue am stärksten zulegen soll. Die Volksrepublik war für die Münchener 2010 Absatzmarkt Nummer drei (12,5 Prozent). Die mit VW eng verbandelte Sportwagenschmiede Porsche will in diesem Jahr etwa jeden fünften Wagen in China abzusetzen – das wären rund 20.000. "Wir sind dort vor zehn Jahren mit etwa 100 verkauften Fahrzeugen gestartet", hatte Porsche-Vertriebschef Bernhard Maier der dpa kürzlich gesagt. Mit 11.712 Autos im ersten Halbjahr gelang den Stuttgartern ein Plus von 47 Prozent – der höchste Zuwachs aller Regionen. Maier sagte: "China ist schon heute unser viertgrößter Absatzmarkt für den Porsche 911, unser drittgrößter Absatzmarkt für den Porsche Boxster und der zweitgrößte für den Porsche Cayman."

Doch China-Fachmann Hummel warnt vor zu viel Euphorie: "Die deutschen Hersteller haben Mammutaufgaben vor sich in China. Das eine ist, die Serviceerwartungen zu erfüllen. Das andere ist aber auch generell, die ganzen neuen Autohäuser auf Servicequalität zu trimmen. In den Wachstumsregionen muss das Personal ja von Null ausgebildet werden – und nicht selten wirbt dann die Konkurrenz die Leute ab." Dieser Prozess sei lang und teuer, sagt Hummel. "Im Umkehrschluss sind die Preise aber auch höher – im Schnitt 30 bis 40 Prozent über Vergleichswerten aus Deutschland. Das liegt nicht nur an den meist über dem Konzernschnitt liegenden Margen, sondern auch an Dingen wie Luxussteuern oder Importzöllen", berichtet der Berater. Zu den Mammutaufgaben gehöre es auch, die Markenloyalität der Chinesen zu festigen – man denke an den Lamborghini. "Die Erwartungen chinesischer Kunden unterscheiden sich zum Beispiel fundamental von denen aus Deutschland. Die Autohäuser sind wesentlich größer und wesentlich luxuriöser. Die Sitzecke mit Kaffeemaschine reicht da nicht. Es gibt Golfübungsplätze, Kinos, Billardtische oder Bars." (ggo)