Stoff für den Streit um die Internet-Verwaltung

Das neu gegründete GigaNet versteht sich als Forschungsverbund zur Internet-Verwaltung und der heiß umstrittenen Frage der Internationalisierung der Kontrolle über das globale Netz.

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Von
  • Monika Ermert

50 Forscher aus 30 Ländern haben am vergangenen Wochenende im sächsischen Rathen das GigaNet gegründet, das sich als Plattform für Forschung rund um das Thema "Internet Governance" versteht. Um die Frage der Internationalisierung der Internet-Verwaltung und der Kontrolle des globalen Netzwerks war es in den vergangenen Monaten auch auf Regierungsebene zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Die USA wollen die Oberaufsicht über die Internet-Verwaltung trotz Auslaufen des Vertrags mit der ICANN nicht abgeben; im Vorfeld des Weltgipfels der Informationsgesellschaft (WSIS) hatte es dazu einige diplomatische Verwicklungen gegeben. Eine Konsequenz war die Einrichtung des Internet Governance Forum (IGF ) der Vereinten Nationen, das aber keine Entscheidungsbefugnis hat.

Für die Etablierung von GigaNet soll laut Mitinitiator Wolfgang Kleinwächter, Professor an der Universität Aarhus, nun eine zehnköpfige Gruppe so rasch wie möglich für die Einrichtung von Kommunikationskanälen sorgen, für ein Peer-Review-System und für eine Agenda zum ersten offiziellen Treffen von GigaNet am Rande des sich im Herbst ebenfalls konstituierenden IGF. GigaNet soll laut Kleinwächter künftig jeweils parallel zum IGF tagen. Bei diesen Foren treffen sich alle Interessengruppen – Regierungen, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und internationale Organisationen –, die die GigaNet-Forscher als Abnehmer ihrer Arbeit betrachten, betonte Kleinwächter. Sowohl von vonseiten der Regierungen als auch der Wirtschaft sei in Rathen Interesse an Makro- und Einzelfallstudien zu den heiß umkämpften Fragen der Regelsetzung in globalen Netzen bekundet worden. Außerdem sollen unter UNESCO-Ägide Sommerkurse an jeweils fünf Universitäten weltweit zu dem Thema angeboten werden. UNESCO- und IGF-Sekretariat waren in Rathen ebenfalls vertreten. Doktoranden, gerade auch aus den Ländern des Südens, sollen über das Netzwerk rasch Ansprechpartner oder mögliche Betreuer finden.

Die Besonderheit des neuen Netzwerks, für das es keinen bürokratischen Apparat geben soll, sei die Konzentration auf die neutrale Analyse der viele Disziplinen betreffenenden Fragen zur Internet-Regulierung und Netz-Kontrolle. "Zivilgesellschaftliche Organisationen kämpfen für Werte", kommentierte Kleinwächter. Die Wissenschaftler dagegen wollten den kämpfenden Parteien Futter für ihre Auseinandersetzungen liefern. Dafür will man streng auf die akademische Qualität von Beiträgen und Mitgliedern achten. Eine Studie zur Transparenz der Verfahren bei der Netzverwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) hat gerade eben die kanadische Domain-Registry CIRA angeregt. ICANN selbst solle eine solche Studie in Auftrag geben, mahnte CIRA mit Blick auf die erneute Vergabe der .net- und der .com-Registries an VeriSign.

Eines der derzeit spannendsten Themen zur globalen Netzverwaltung haben die Forscher in Rathen heftig diskutiert: die von der US-Verwaltung gestartete Anhörung zum Auslaufen des Aufsichtsvertrags mit der ICANN. Einzelne GigaNet-Mitglieder wie das Team des Internet Governance Project (IGP) hätten dazu Aktionen gestartet, eine einheitliche Aktion von GigaNet werde es aber nicht geben. Kleinwächter sagte, es gebe mehrere Theorien, was passieren werde. So könnte sich das machtpolitische Moment durchsetzen – und damit die US-Interessen. Kleinwächter nannte dies die "Realismustheorie". Die zweite, eher dem "Idealismus" zuneigende Theorie, gehe analog zu den WSIS-Überlegungen von einer stärkeren Internationalisierung und einem Ende des US-Mandats zur Oberaufsicht über die Internet-Verwaltung aus. Die "Regime-Theorie" hofft schließlich auf einen Brückenschlag zwischen den beiden anderen Theorien. "Alle gehen derzeit davon aus, dass die USA den ICANN-Vertrag verlängern werden, mindestens für zwei oder drei Jahre," sagt Kleinwächter. Mit Blick auf das Jahr 2010 lohnten aber die Betrachtungen verschiedener Modelle.

Siehe zum Thema Aufsicht über die ICANN und Internationalisierung der Internet-Verwaltung auch:

(Monika Ermert) / (jk)