Behördenfunk: Spekulationen um Vorstoß des Bundes

Bundesinnenminister Schily plant laut einem Zeitungsbericht, das GSM-R-Netz der Bahn als "Rumpfnetz" für die Bundespolizei BGS zu nutzen.

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Von
  • Sven-Olaf Suhl

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) geht im Streit mit den Ländern über die Finanzierung des Digitalfunks für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) anscheinend in die Offensive. Nach Informationen der Zeitung Die Welt will Schily auf der heutigen, außerplanmäßigen Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern die Einrichtung eines bundesweiten BOS-Rumpfnetzes ankündigen, das auf dem GSM-R-Netz der Deutschen Bahn basiert. Der Bund würde die Kosten für Einrichtung und Betrieb des Rumpfnetzes, über das vor allem die Bundespolizei (BGS) kommunizieren könnte, selbst tragen, berichtet die Zeitung weiter: Die Länder hätten die Möglichkeit, auf ihre Kosten die Netzkapazitäten auszubauen. Bis zur Stunde standen auf dem Treffen der Innenminister jedoch andere Themen auf der Tagesordnung -- etwa Fragen des Versammlungsrechts.

Im jahrelangen Ringen um die Einführung eines bundesweit einheitlichen Digitalfunknetzes für die BOS konnten sich der Bund und die Länder nicht auf einen Kostenschlüssel für Verteilung der Ausgaben für Netzaufbau und -betrieb einigen. Unabhängig davon hatten sie die gemeinsame Ausschreibung eines BOS-Netzes gestartet, in der die Kostenverteilung allerdings ausgeklammert war. Vor dem heutigen Treffen der Innenminister war die Hoffnung aufgekeimt, dass eine Einigung über die Finanzierung kurz bevorstehe. Vor der Ausschreibung hatten Spezialisten der Innenministerien und der BOS gemeinsame Anforderungen an ein BOS-Netz ("GAN") definiert, die unter anderem Kompromisse bei der Reichweite von Handfunkgeräten und der Abdeckung dünn besiedelter Gebiete vorsieht. Laut GAN liegen die Kosten für ein bundesweites Netz bei rund 3,5 Milliarden Euro. Dem gegenüber zitiert die Welt in ihrem Beitrag nicht näher genannte Experten, die als Kosten für den GAN-konformen Ausbau des Eisenbahn-Funknetzes 800 Millionen bis 1,3 Milliarden Euro angeben.

GSM-R ist eine Weiterentwicklung von GSM, die auf die besonderen Bedürfnisse von Eisenbahnbetrieben ausgerichtet ist. Zu den besonderen technischen Eigenschaften zählen unter anderem deutlich kürzere Rufaufbauzeiten und stabile Verbindungen bis zu einer Reisegeschwindigkeit von 500 Kilometer pro Stunde. ASCI-Features (Advanced Speech Call Items) stellen beispielsweise weitere sicherheitsrelevante Funktionen bereit, wie etwa die Priorisierung von Anrufen sowie Sammel- oder Gruppenrufe. Über die Technik, damit verbundene Standards und Spezifikationen informiert auch eine spezielle Site des Internationalen Eisenbahnverbands UIC. Berichte darüber, dass die Deutsche Bahn mit der Einführung von GSM-R in Verzug sei, kontert das Unternehmen einer eigens eingerichteten Website, die über den aktuellen Stand des Projektes informiert.

Zunächst Vodafone und später auch T-Mobile hatten für die BOS die Nutzung ihres jeweiligen kommerziellen GSM-Netzes, das mit ASCI-Features aufgerüstet werden müsste, ins Gespräch gebracht. Gegen diesen Vorschlag wurde eingewandt, dass die Kapazität eines kommerziellen Netzes nicht ausreichend sein könnte, um den Funkverkehr der BOS -- etwa während einer Naturkatastrophe oder einer Großschadenslage -- zuverlässig abwickeln zu können. GSM-ASCI bietet die Möglichkeit, bestimmte Teilnehmer zu priorisieren oder laufende Handytelefonate von Privatleuten zu Gunsten der BOS zu "verdrängen". Das GSM-R-Netz der Bahn benutzt andere Frequenzen als die kommerziellen GSM-Netze. Unabhängig von einer möglichen Überlast in den kommerziellen Netzen wäre im Versorgungsbereich des Bahnfunks "lediglich" die Priorisierung zwischen Bahn- und BOS-Funk zu verwalten.

Zur Ausstattung der Sicherheitsbehörden mit Digitalfunktechnik siehe auch: (ssu)