EU-Grüne wollen das Urheberrecht grundlegend modernisieren

Die Fraktion der Grünen im EU-Parlament hat ein Positionspapier zum Copyright verabschiedet, wonach Filesharing und das Umgehen von DRM für private Zwecke legal sein soll. Außerdem wollen die Grünen die Schutzfrist auf 20 Jahre reduzieren.

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Die Fraktion der Grünen im EU-Parlament hat ein Positionspapier (PDF-Datei) verabschiedet, demzufolge das Urheberrecht umfassend an das digitale Zeitalter angepasst werden soll. "Wir wollen das Copyright zu seinen Ursprüngen zurückführen und eindeutig klarstellen, dass es nur Vervielfältigungen für kommerzielle Zwecke reguliert", schreiben die Grünen in dem vierseitigen Dokument. In diesem Sinne sei Filesharing ohne Gewinnabsichten zwischen Individuen gänzlich für legal zu erklären.

Sollte durch derlei Aktivitäten nachweislich die Produktion kultureller Güter beeinträchtigt werden, wollen die Grünen ein pauschales Vergütungsmodell wie die Kulturflatrate als Ausgleich ins Auge fassen. Dabei dürfte die Privatsphäre der Nutzer aber nicht verletzt werden. Bei der Verteilung der Gebühren, die auf jeden Breitbandanschluss erhoben werden sollen, seien "arme und aufstrebende Kreative" besonders zu berücksichtigen. Gesetze zur "abgestuften Erwiderung" auf Urheberrechtsverletzungen gemäß dem "Three Strikes"-Modell mit Sanktionen bis hin zu Internetsperren bezeichnet das Dokument als ineffizient und kostspielig; vor allem seien diese Methoden ungeeignet, um auf die digitalen Transformationen des kreativen Prozesses angemessen zu reagieren.

Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) sieht das Papier kritisch. Es müsse immer erlaubt sein, damit einhergehende Einschnitte in legale Nutzungsmöglichkeiten wie die Privatkopie zu umgehen, heißt es darin. Im Bereich der gesetzlichen Festlegung von Verbraucherrechten sei gar ein Bann für entsprechende Technologien vorzusehen. Es ergebe schließlich keinen Sinn, wenn die Politik einen ausgeglichenen Copyright-Rahmen festlege und sie es gleichzeitig Konzernen erlaube, ihre eigenen Gesetze zu schreiben und diese mit technischen Möglichkeiten durchzusetzen.

Deutlich zu weit geht den Grünen die Urheberrechts-Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod eines Autors. Kein Investor würde jemals ein Geschäftsmodell ins Auge fassen, wenn der finanzielle Rücklauf erst nach so einer langen Zeit erfolge, moniert die Fraktion. Vernünftiger sei eine Schutzdauer von 20 Jahren nach der Veröffentlichung eines Werks. Um sich das mit dem Urheberrecht derzeit automatisch verknüpfte ausschließliche Verwertungsrecht zu sichern, wollen die Grünen zudem eine Registrierungspflicht einführen. Der exklusive Nutzungsanspruch sei ferner gegebenenfalls alle fünf Jahre zu bestätigen. Andernfalls würden die Werke als frei nutzbar etwa für Digitalisierungsprojekte angesehen, was die Problematik der Handhabe verwaister Werke, für die zunächst kein Rechteinhaber mehr auszumachen sei, deutlich verkleinern würde. Für einzelne Institutionen wie Bibliotheken seien generell Ausnahmen vorzusehen, die ein Einscannen gestatteten.

Weiter will die Fraktion Remixe und Parodien erlauben sowie das Zitatrecht auf Musik und audiovisuelle Materialien ausdehnen. Sie unterstützt Creative-Commons-Lizenzen, da diesen Kreativen das Tauschen von Werken einfacher machten. Die Verbreitung frei verfügbarer Materialien und die Wissensallmende wollen die Grünen stärken und zu einer nachhaltigen Ressource für die Bildung der Bürger im Interesse der Förderung von Schaffensprozessen ausbauen. Freiheiten zum Experimentieren, zum Testen von Geschäftsmodellen und zur Herausforderung bestehender Institutionen seien im Internet aufrechtzuerhalten. Nebenbei macht sich das Papier so auch ausdrücklich für die Netzneutralität stark.

Allgemein sehen die Grünen das Copyright als ein Werkzeug unter anderen, um die Erzeugung kreativer Werke zu fördern. Um die derzeit oft "prekäre" Situation von Künstlern zu verbessern, müsste vor allem das Vertragsrecht auf EU-Ebene geändert werden. Dabei sei der Ausverkauf der Verwertungsansprüche der Urheber selbst zu unterbinden und die Verhandlungsposition der Kreativen gegenüber der Unterhaltungsindustrie zu verbessern. Unbedingt müsse auch die Reform der Verwertungsgesellschaften und Verteilungssysteme in Angriff genommen werden, um faire, ständige und transparente Vergütungen zu gewährleisten.

Rick Falkvinge, Gründer der schwedischen Piratenpartei, begrüßte den Beschluss als "großen Sieg". Die Grünen hätten damit die Perspektive der Piraten, die auf EU-Ebene der grünen Fraktion angehören, im Kulturbereich komplett übernommen. Die Entwicklung sei vergleichbar mit der Verbreitung von Ideen der Umweltbewegung vor 40 Jahren durch die Partei. Ferner sei erfreulich, dass auch Abgeordnete anderer Fraktionen mit einer Reihe der angenommen Positionen liebäugelten. (jk)