EU-Stoffverbote in der Elektronik werden wirksam

Die Stoffverbote der EU-Richtlinie "Restriction of Hazardous Substances" wurden in Deutschland mit dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz umgesetzt. Die US-Industrie macht nun Stimmung gegen europäische Umweltschutzauflagen für Elektronikprodukte.

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Von
  • Richard Sietmann

Am heutigen Samstag werden die Stoffverbote der 2003 in Kraft getretenen EU-Richtlinie 2002/95/EG "Restriction of Hazardous Substances" (RoHS) wirksam. Danach dürfen europäische Hersteller und Importeure keine Elektro- und Elektronikgeräte mehr in den Verkehr bringen, die bestimmte human- und ökotoxische Stoffe enthalten. Dazu zählen die bromierten Flammhemmer PBB und PBDE, sechswertiges Chrom, Quecksilber, Cadmium und Blei, wie es vor allem in Lötverbindungen auftritt; so genanntes bleifreies Lötzinn darf nur noch ein Gramm Blei pro Kilogramm Lötzinn enthalten. Neben der Telekommunikations-, Informations- und Unterhaltungselektronik – insbesondere also auch PCs und deren Peripherie – erstreckt sich die Richtlinie, die in Deutschland mit dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz vom 16. März 2005 (ElektroG) umgesetzt wurde, auch auf elektrische Haushaltsgeräte, Werkzeuge, Spielzeuge, Automaten und Beleuchtungsartikel. Im ElektroG sind zudem auch die Regelungen für den Elektronikschrott festgehalten, die zum 24. März 2006 in Kraft traten.

In den USA registriert man jetzt erstaunt, dass in anderen Teilen der Welt noch Umweltpolitik gemacht wird. Die EU-Richtlinie "wird sich auf etwa 80 Prozent der nordamerikanischen Markenhersteller elektronischer Produkte auswirken", klagt die Präsidentin der kalifornischen Marktforschungsfirma Technology Forecasters, Pamela Gordon, gegenüber dem Wall Street Journal. Dass die europäische Binnenmarktregulierung nun exterritoriale Wirkungen entfaltet, hat seinen Grund in der für elektronische Produkte typischen Verflechtungskette. "Selbst Firmen, die gar nicht nach Europa exportieren, liefern wahrscheinlich Komponenten an Unternehmen, die in Europa verkaufen."

Um sich den Zugang zu dem zweitgrößten Absatzmarkt der Welt nicht zu verbauen, stünden den Unternehmen Investitionen zur Umrüstung auf Ersatzstoffe in Höhe von 30 Milliarden US-Dollar bevor, meint das US-Finanzblatt unter Berufung auf Schätzungen der Bostoner Consultancy AMR Research. Während große Hersteller wie Intel, AMD, Apple oder Palm ihre Fertigung längst RoHS-kompatibel umgestellt haben, seien nun vor allem die kleinen und mittelständischen Firmen betroffen. "Zwei Produktlinien zu fahren, eine für die USA und eine für den Rest der Welt, ist zu teuer", beschreibt der Umweltingenieur Ken Strasser vom kalifornischen Speicherhersteller Dot Hill Systems Corp. die wirtschaftlichen Zwänge.

Hierzulande haben die Industrie- und Fachverbände den kleinen und mittleren Unternehmen rechtzeitig Hilfen für die Umstellung angeboten, so beispielsweise der ZVEI, der Arbeitskreis Bleifreie Verbindungstechnik oder der Fachkreis Bleifreie Elektronikbaugruppen. Das Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie (ISiT) assistierte mit einer Übungslinie zur Bemusterung von Fertigungsequipment, und das VDE-Prüf- und Zertifizierungsinstitut unterstützt die Hersteller beim RoHS-Konformitätsnachweis. Weil in den USA vergleichbare Initiativen fehlen, geraten US-Firmen jetzt in die Defensive: Japan hat die EU-Vorgaben von Anfang an unterstützt; in China wird ein der RoHS-Richtlinie vergleichbares Gesetz im kommenden Jahr in Kraft treten; Korea, Kanada und Australien haben bereits ähnliche Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht. Über die RoHS-Richtlinie ist in der internationalen Fachwelt nahezu ein Jahrzehnt lang diskutiert worden, und zwischen der Verabschiedung der Richtlinie und dem Inkrafttreten der Stoffverbote lagen noch einmal drei Jahre. Wer jetzt aus allen Wolken fällt, scheint also wohl nicht so richtig aufgepasst zu haben. (Richard Sietmann) / (jk)