Kritik an Position des Bundestags zur Urheberrechtsnovelle

Die Geräteindustrie, zivilgesellschaftliche Gruppen und Wissenschaftler sind mit der Positionierung der Abgeordneten zur Reform des Urheberrechts unzufrieden. Sie fordern eine rasche Verabschiedung beziehungsweise Nachbesserungen.

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Die Geräteindustrie, zivilgesellschaftliche Gruppen und Wissenschaftler sind mit der Positionierung der Abgeordneten zur weiteren Reform des Urheberrechts in der 1. Lesung unzufrieden. Weit auseinander gehen die Kritiker allerdings bei ihren Therapievorschlägen. So fordert die eine Seite eine rasche Verabschiedung des heftig umstrittenen Regierungsentwurfs ohne große Änderungen. Forscher- und Nutzervertretungen drängen dagegen auf umfangreiche Nachbesserungen, wie sie etwa auch der Bundesrat zuvor bereits angemahnt hatte.

Alarm schlägt etwa der Branchenverband Bitkom: Der "mühsam mit allen Beteiligten errungene und im Grundsatz vernünftige Kompromiss des Bundesjustizministeriums" dürfe nicht infrage gestellt werden, heißt es bei der Lobby-Vereinigung. Andernfalls bleibe "die deutsche Informationstechnologiebranche nicht wettbewerbsfähig". Im Auge hat der Bitkom insbesondere die geplante Neufassung der Vergütungspauschale auf Kopiergeräte und Speichermedien fürs private Kopieren: "Die strikte Begrenzung der Abgabenhöhe auf maximal fünf Prozent des Verkaufspreises ist eine unverzichtbare Notwendigkeit, denn sie markiert die äußerste Grenze der Belastbarkeit unserer Mitgliedsunternehmen", betont Bitkom-Vizepräsident Jörg Menno Harms. Bei einigen Geräten müsse der Prozentsatz sogar deutlich niedriger liegen.

"Der weitere Missbrauch des pauschalen Abgabensystems durch die Verwertungsgesellschaften muss verhindert werden", stemmt sich Harms gegen ein Aktionsbündnis von Urhebern und Verlagen für die Urheberrechtsabgabe. Deren Behauptung, die Urheber würden durch den Regierungsentwurf "enteignet", hält der Bitkom für "irreführend und falsch". Darüber hinaus muss das Pauschalsystem dem Verband zufolge "zum Auslaufmodell werden". Inhalte aus dem Internet können seiner Ansicht nach mit der flächendeckenden Einführung von Systemen zum Digital Rights Management (DRM) geschützt beziehungsweise ihre Nutzung kann individuell vergütet werden. Sie dürften deshalb nicht mit pauschalen Abgaben belegt werden.

Das Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" trommelt derweil für eine weitere Ausgestaltung der Kopierregeln für Schulen und Forschungseinrichtungen. "Politik kann nicht auf Dauer gegen Bildung und Wissenschaft gemacht werden", konstatieren die Befürworter nutzerfreundlicherer Regelungen für wissenschaftliche Informationsdienste und Bibliotheken. Das Urheberrecht dürfe das aktuelle Informationsverhalten und die grundlegenden Informationsbedürfnisse von Bildung und Wissenschaft nicht länger "unter Missachtung der Potenziale der elektronischen Räume schlicht ignorieren".

Unterstützung erhält das Bündnis von der Allianz der Wissenschaftsorganisationen. Die darin vertretene Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, die Fraunhofer Gesellschaft, die Hochschulrektorenkonferenz, die Leibniz-Gemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft und der Wissenschaftsrat befürchten, dass mit dem Regierungsentwurf "die Kooperation von Wissenschaftlern über die Datennetze erheblich erschwert, die wissenschaftliche Erforschung insbesondere audiovisueller Dokumente massiv behindert und die schon in der letzten Zeit dramatisch gestiegenen Kosten für die Bereitstellung und Nutzung digitaler Informationsmaterialien für Bildung und Wissenschaft weiterhin erheblich steigen werden".

Enttäuscht zeigt sich die Attac-AG Wissensallmende, dass in der ersten Beratung des "2. Korbs" der Urheberrechtsreform die millionenfache Kriminalisierung von Nutzern von Internet-Tauschbörsen weitgehend ausgeklammert wurde." Die ursprünglich vom Bundesjustizministerium vorgeschlagene P2P-Bagatellklausel "hätte die schlimmsten Auswüchse der Kriminalisierung eindämmen können", fiel aber Protesten aus der CDU noch vor der Einbringung des Entwurfs ins Parlament zum Opfer. "Die Debatte macht die Kurzsichtigkeit des Bundestages deutlich", kritisiert Oliver Moldenhauer von der Attac-AG Wissensallmende. "Wir bräuchten eine grundlegende Überarbeitung des Urheberrechts in Richtung Kulturflatrate, die die Möglichkeiten der kostenlosen Vervielfältigung über das Netz konsequent nutzt und gleichzeitig den Kreativen eine faire Vergütung ermöglicht". Für eine Ausweitung der Vergütungspauschalen im Gegenzug zu einer Legalisierung des Austauschs auch geschützter Werke über P2P-Netze macht sich auch die Initiative privatkopie.net stark.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (anw)