Oracle will Android-Rechtsstreit auf Urheberrecht konzentrieren
Überraschend schlägt Oracle vor, über angebliche Patentverletzungen durch Googles Android in einem separaten Verfahren zu verhandeln. Vorrangig solle sich das Gericht jetzt mit möglichen Urheberrechtsverletzungen befassen.
- Christian Kirsch
In dem Verfahren gegen Google wegen angeblicher Patentverletzungen durch dessen mobiles Betriebssystem Android hat Oracle jetzt einen Ăśberraschungscoup (PDF-Datei) gelandet: Die Patentfragen sollen aus dem laufenden Verfahren herausgenommen und in einem separaten Prozess frĂĽhestens in neun Monaten verhandelt werden.
Entscheidend ist laut Oracle nun, dass der Prozess so schnell wie möglich beginnt und sich auf die möglichen Verletzungen des Urheberrechts durch Googles Mobilbetriebssystem Android konzentriere. Auf die Erstellung eines dritten Gutachtens zum Schadensersatz für diesen Copyright-Prozess würde man verzichten. Richter Alsup hatte die bisherigen beiden Expertisen abgelehnt und sich beim zweiten Mal ungehalten über die "astronomischen Zahlen" gezeigt.
Als Alternative zu einem zweiten Prozess nur um die Patente bietet Oracle an, die Klage bezüglich der Patente teilweise zurückzunehmen – allerdings unter dem Vorbehalt, sie später erneut einreichen zu können (dismissal without prejudice). Auch in diesem Fall soll es im laufenden Prozess ohne Berücksichtigung der bisherigen Schadensersatzgutachten nur um die behaupteten Verletzungen des Urheberrechts gehen.
Sollte der Richter beides nicht akzeptieren, schlägt Oracle als dritte Möglichkeit vor, über Patente und Copyright so schnell wie möglich zu verhandeln. Auch bei dieser Variante würde es keinen dritten Versuch einer eigenen Schadensberechnung durch Oracle geben, es wolle sich auf die von Alsup akzeptierten Aspekte des Gutachtens beschränken.
In keinem Fall jedoch will der Kläger auf die Lindholm-Mail als Beweismittel verzichten. Googles Versuch, die Nachricht aus dem Prozess herauszuhalten, könne laut Oracle bald letztinstanzlich entschieden sein – das zuständige Berufungsgericht habe in letzter Zeit schnell geurteilt. Deshalb sei ein Prozessbeginn wie von Richter Alsup vorgeschlagen noch im Frühjahr möglich. In der E-Mail hatte der Android-Chefentwickler und ehemalige Sun-Mitarbeiter Tim Lindholm geäußert, zu Java gebe es keine Alternative und Google solle sich um eine Lizenz bemühen.
Patentexperte Florian Müller meinte im Gespräch mit heise online, ein Verbotsurteil (injunction) wegen Urheberrechtsverletzungen sei für Oracle zumindest kurzfristig greifbarer als eine Verurteilung wegen Patentverletzungen. Anschließend könne Oracle von Google etwa verlangen, Android wieder vollständig Java-kompatibel zu machen oder sich diese Forderung durch Lizenzzahlungen abkaufen lassen. Seiner Meinung nach dürfte Google auf Oracles jetzige Vorschläge jedoch nur eingehen, wenn Oracle auf die Patentklagen vollständig verzichtet.
Bei der Auseinandersetzung geht es um Java-Patente, die durch die Übernahme von Sun in Oracles Besitz gelangt sind. Für deren angebliche Verletzung durch Googles Mobilbestriebssystem Android hatte Oracle bislang Schadensersatzforderungen in Höhe von 2,6 Milliarden US-Dollar geltend gemacht. Sollten die Geschworenen in dem Prozess zu der Auffassung kommen, dass Google die Patente vorsätzlich verletzt hat, würde sich dieser Betrag verdreifachen. (ck)