Auslieferung von Assange: Eine Frage der "Authority"

In der Anhörung vor dem britischen Supreme Court ging es am Donnerstag um die zentrale Frage, wie ein europäischer Haftbefehl legitimiert wird. Eine Entscheidung wird in einigen Wochen erwartet.

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Von
  • Detlef Borchers

Das höchste britische Gericht wird erst in einigen Wochen über die Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange entscheiden. Am Donnerstag ist die zweitägige Anhörung vor dem Supreme Court in London zu Ende gegangen. Die sechs Lordrichter und eine Lordrichterin sollen über die Grundsatzfrage befinden, ob ein EU-weiter Haftbefehl ohne richterliche Anweisung nur von einer Staatsanwaltschaft erwirkt werden kann. Assange werden in Schweden sexuelle Vergehen und Missbrauch vorgeworfen. Die schwedische Staatsanwaltschaft hatte einen europäischen Haftbefehl erwirkt und die Auslieferung des Australiers gefordert.

Julian Assange kämpft weiter gegen seine Auslieferung.

(Bild: dpa)

Vor dem Supreme Court beschäftigte sich Assanges Rechtsanwältin Dinah Rose vor allem mit der Frage, ob der europäische Haftbefehl in Schweden von einer anerkannten Justizbehörde (judicial authority) nach einem richterlichen Beschluss ausgestellt wurde. In ihrer Argumentation (PDF-Datei) bemängelt sie den Umstand, dass der ursprünglich gegen Assange erlassene Haftbefehl von Oberstaatsanwältin Marianne Ny und Generalstaatsanwältin Erika Lejnefors stammt.

Der schwedische Haftbefehl war durch ein Stockholmer Gericht bestätigt und eine Klage gegen ihn vom Oberlandesgericht abgelehnt worden. Rose argumentiert, der auf Basis des schwedischen Haftbefehls ausgestellte europäische Haftbefehl sei dennoch unrechtmäßig ergangen, zumal dieser in der ersten Fassung unvollständig ausgefüllt worden sei. Eine entsprechend autorisierte Justizbehörde müsse den Kriterien entsprechen, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gesetzt habe. Ein Staatsanwalt könne demnach nicht als "Richter in eigener Sache" tätig werden und einen Haftbefehl veranlassen.

Kronanwältin Claire Montgomery argumentierte für die schwedische Seite, dass der Begriff "judicial authority" auf das ursprünglich in Französisch verfasste Rahmendokument zurückgehe, das erst später ins Englische übertragen worden sei. Der darin verlangte "richterliche Beschluss" könne damit auch von Strafverfolgern beantragt werden. Außerdem gebe es in Europa höchst unterschiedliche Vorstellungen zur Ausfertigung des europäischen Haftbefehls, die angesichts unterschiedlicher Rechtssysteme keineswegs einheitlich sein müssten. Sollte eine strikte Wortinterpretation versucht werden, würde die Ausstellung eines solchen Haftbefehls in "acht oder mehr europäischen Länderen" schlicht unmöglich werden.

Zum Auftakt des Verfahrens wurde bekannt, dass Assange ein weiteres Verfahren bevorstehen könnte. Die Anwaltskanzlei Finers Stephen Innocent, die Assange in der ersten britischen Instanz vertreten hatte, will ausstehende Anwaltshonorare, einklagen. Zwar ist Geld vorhanden, doch liegt dies auf einem Treuhandkonto, eingezahlt von dem Verlag, der die Autobiographie von Assange veröffentlicht hatte. Da Assange diesen Text ausdrücklich nicht autorisierte und sich das Buch entsprechend schlecht verkaufte, ist auch diese Summe strittig.

Außerdem beklagen die Anwälte der Kanzlei, dass Assange sie nicht über seinen neuen Aufenthaltsort informiert habe. Assange lebt seit kurzem mit Genehmigung der Polizeibehörde nicht mehr auf dem Anwesen von Vaughan Smith, dem Besitzer des Frontline Clubs, sondern auf der Farm von Sarah Saunders, der Besitzerin des Catering-Unternehmens Gourmets Anywhere. Sollte der Supreme Court den Antrag von Assange abweisen, bleibt ihm nur noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. (vbr)