Vorsicht, Partner!

Über "Affiliate Marketing" können Betreiber von Webseiten gutes Geld verdienen. Dadurch stehen Surfern mehr kostenlose Inhalte zur Verfügung, aber die sind zuweilen von zweifelhaftem Wert.

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Von
  • Sascha Mattke

Über "Affiliate Marketing" können Betreiber von Webseiten gutes Geld verdienen. Dadurch stehen Surfern mehr kostenlose Inhalte zur Verfügung, aber die sind zuweilen von zweifelhaftem Wert.

Stefan Zwanzger ist der "Theme Park Guy": Geschmückt mit einem Achterbahn-Hut bereist er Vergnügungsparks in aller Welt und holt sich Anregungen für seinen großen Traum: einen Park zu bauen, den die Welt noch nicht gesehen hat. Das Geld dafür hat er im Internet verdient – in nur sieben Jahren. Bereits 2006 zog er sich aus dem Geschäft zurück.

Was Zwanzger so unabhängig gemacht hat, ist das sogenannte "Affiliate Marketing", zu deutsch in etwa Partner-Werbung. Das Modell beruht auf der Tatsache, dass im Internet im Grunde jeder publizieren und damit auch Produkte an den Kunden bringen kann. Die Erotikbranche, dann Amazon und heute fast alle Online-Verkäufer machen sich dies zunutze: Sie versprechen jedem Provisionen, der ihnen über seine Webseite Kunden zuführt. Blogs, Preissuchmaschinen und einfache Hobby-Websites eröffnen diese Verdienstmöglichkeit, indem deren Betreiber Produkte empfehlen oder zumindest erwähnen. Kritiker aber bemängeln, dass manche davon mit scheinbar objektiven Berichten nur versuchen, hohe Provisionen zu kassieren.

Denn was als Nebenverdienst fĂĽr kleine Webseiten-Betreiber begann, ist inzwischen zu einem professionellen Markt geworden. 2010 lag der Gesamtumsatz mit Partner-Provisionen laut dem Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) bei 339 Millionen Euro, fĂĽr 2011 werden 377 Millionen Euro erwartet, der ĂĽber diese Werbeform angeschobene Warenumsatz dĂĽrfte in die Milliarden gehen. Alle Branchen, in denen es einen Online-Bestellprozess gibt, arbeiten inzwischen auch mit Affiliate-Programmen.

Technisch funktioniert das so: Wer als Portalbetreiber oder Blogger nicht groß genug ist, um mit den verschiedenen Produktanbietern selbst Provisionsverträge auszuhandeln, meldet sich bei einer der vielen Werbepartner-Vermittlungen ("Affiliate Networks") wie Affili.net, Tradedoubler oder Zanox an und bekommt eine ID-Nummer, die er in seine Links auf die Bestellseiten der Partner integriert. Größere Partnersites verhandeln direkt mit dem Anbieter, doch das Prinzip ist immer gleich: Webseiten schieben eine Bestellung an, können das belegen und werden dafür belohnt. Je nach Vereinbarung erhält der Portalbetreiber bereits eine Provision für einen Klick auf die Werbung, für die Übermittlung von Kundenkontakten oder erst für den Verkauf, wobei es eine Vielzahl möglicher Kombinationen gibt.

Die Belohnung fällt zuweilen recht fürstlich aus: "Einmal hat jemand für 8000 Euro über unsere Seite bei dem Hardware-Hersteller Dell eingekauft", erzählt Sascha Pallenberg, ein deutscher Technikfan, der von Taiwan aus den Blog Netbooknews.de betreibt. 600 Euro seien dabei für seine Seite abgefallen, die mittlerweile mehrere Blogger in Asien, Europa und den USA ernährt. Am intensivsten arbeitet Pallenberg mit Amazon zusammen: Auf fast allen Seiten des Blogs finden sich Kästen mit der Überschrift "In Partnerschaft mit amazon.de", in denen Produkte des Online-Handelsriesen präsentiert werden. Den aktuellen Jahresumsatz beziffert Pallenberg auf 300000 Euro; etwa 20 Prozent stammen aus Affiliate-Programmen, der Rest aus Banner-Werbung.

"Wenn man das seriös macht, ist Affiliate-Marketing wirklich super", sagt der Blogger. Er selbst habe seine Leser schon bei den ersten Artikeln darauf hingewiesen, dass die darin enthaltenen Affiliate-Links Einnahmen für ihn generieren sollen. Kritischen Nutzern hätte er darlegen können, dass sie durch die Partner-Links keine Nachteile haben, aber einen Beitrag zur Finanzierung des kostenlosen Angebots leisten.

Allerdings spielen bei Weitem nicht alle im großen Internet so fair. "Man kann mit Affiliate viel Geld verdienen, und das zieht eine bestimmte Art von Glücksrittern an", sagt Pallenberg. Gerade im Finanzbereich, in dem es oft um mehrjährige Verträge und hohe Geldsummen geht, sind die Provisionen ansehnlich: Vermittler wie Finanzen.de listen im Web ganz ungeniert auf, was die Finanzdienstleister so bieten: Für den vermittelten Abschluss einer privaten Krankenversicherung gibt es mindestens 67,50 Euro oder für ein Tagesgeldkonto bis zu 30 Euro; am meisten lohnt sich die Vermittlung eines Ratenkredits, für die der Partner je nach Bank bis zu 130 Euro bekommt.

Bei solchen Beträgen ist es kein Wunder, dass eine Google-Suche nach Begriffen wie "Tagesgeld" an den obersten Stellen kaum reine Informationsseiten auswirft: Um der Suchmaschine den Eindruck einer hohen Relevanz zu vermitteln und damit möglichst weit vorn gelistet zu werden, spicken viele der Vergleichsportale ihre Seiten mit den jeweiligen Schlagwörtern. "Die Tagesgeldzinsen variieren von Tagesgeld-Bank zu Tagesgeld-Bank und sind teilweise abhängig von der Höhe der Einlage oder sind zeitlich begrenzt", so heißt es etwa auf tagesgeld- uebersicht.de; auf der Seite kommt 112-mal das Wort "Tagesgeld" vor. Derselbe Text ist zudem noch auf sieben weiteren Websites zu finden – manche Affiliate Networks stellen den Partnern auch gleich googlefreundliche Formulierungen zur Verfügung.

Schon das lässt argwöhnen, dass hier nicht immer seriöse Information im Vordergrund steht. Ebenfalls auffällig: Die einzelnen Produktvergleichs-Portale geben bei identischen Anfragen oft höchst unterschiedliche Ranglisten aus – und immer wieder finden sich interessante Angebote, die bei anderen Portalen gar nicht berücksichtigt sind. Vertreter der Betreiber betonen auf Anfrage, dass es für jegliche Unterschiede gute Gründe gebe – mal kann ein ausgelassener Anbieter die technische Anbindung nicht leisten, mal wird er zur Eintagsfliege erklärt, mal heißt es, es gehe doch "nur um ein paar Promille" Zinsunterschied. Insider aber sprechen durchaus von einer klaren Benachteiligung bestimmter Anbieter. "Es gibt da Spielereien, wie man die Reihenfolge beeinflussen kann, zum Beispiel über Einrechnung oder Nichteinrechung von Willkommensprämien", berichtet der E-Commerce-Leiter einer großen Online-Bank. "Es ist uns auch schon passiert, dass wir ganz aus Listen verschwunden sind, obwohl wir bei den Konditionen vorn mit dabei waren.

Nach seinen Worten dominieren im Finanzbereich relativ wenige Vergleichsanbieter die Google-Rangliste und damit die Zuführung von neuen Kunden – wer es sich mit diesen Portalen verdirbt, muss also mit erheblichen Nachteilen rechnen. Der Versicherung HUK-Coburg war diese Marktmacht so wenig geheuer, dass sie kürzlich zusammen mit den Konkurrenten Talanx und WGV Versicherungen eine eigene Vergleichsseite auf die Beine gestellt hat: Transparo. Dieses Portal startete mit dem expliziten Versprechen, dass unabhängig von versprochenen Provisionen verglichen wird. Die Allianz allerdings hat entschieden, dort nicht präsent zu sein, weil sie findet, dass Transparo zu eng mit der Konkurrenz verbunden ist. Wohin die schwierige Gemengelage aus Aufklärungsanspruch, Provisionsinteressen und Misstrauen unter den Anbietern führt, zeigte die Zeitschrift "Öko-Test" im Oktober 2011 auf: Von acht untersuchten Vergleichsportalen für Autoversicherungen gab keines die drei günstigsten Angebote korrekt an.

Am besten schnitt noch aspect-online.de ab, von wo auch transparo.de seine Daten bezieht. Große Anbieter wie check24.de oder financescout24.de dagegen warfen für keinen der zwei Modellfälle auch nur einen der drei günstigsten Tarife aus. "Vergleichsportale sind gut für eine Ersteinschätzung. Es muss einem aber klar sein, dass bei manchen davon Provisionsinteressen im Vordergrund stehen können", sagt Andreas Gernt, Finanzfachmann bei der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Das Modell Affiliate Marketing sorgt durchaus für nützliche Informationen. Aber wer wirklich das beste Angebot finden will, der muss zuerst mehrere Vergleichsdienste vergleichen. (bsc)