Phonoverband kritisiert DRM-Vorstoß von Steve Jobs als "scheinheilig"

Der Apple-Chef bekommt nach seinem Plädoyer gegen den Kopierschutz bei Online-Musik nicht nur Zustimmung. Auch die Verbraucherverbände bleiben bei ihrer kritischen Haltung.

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Der überraschende Vorstoß von Steve Jobs für eine Welt ohne Kopierschutz (in Form von DRM) hat nicht nur ungeteilte Freude hervorgerufen. Verbraucherschützer zeigen sich zwar grundsätzlich erfreut, leichte Zweifel bleiben aber an den Motiven des Apple-Chefs. Eine klare Meinung hat auch die Musikindustrie, sie findet den Apple-Boss nur "scheinheilig". Der Vorsitzende der deutschen Phonoverbände nimmt kein Blatt vor den Mund: "Der Vorstoß von Steve Jobs ist ebenso durchsichtig wie scheinheilig. Apple versucht, seine Probleme mit dem eigenen Kopierschutz zum Problem der Musikindustrie zu machen", sagte Michael Haentjes in Berlin. "Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen." Der Verbandschef weist darauf hin, dass Apple von dem geschlossenen DRM-System auch profitiere, es sei gar der Schlüssel zum Erfolg des iTunes Music Store gewesen. Apple solle nun im Interesse der Verbraucher das eigene FairPlay-System auch an andere Anbieter lizenzieren.

Für die vom Phonoverband ins Feld geführten Interessen der Verbraucher treten auch die Verbraucherschutzverbände ein. Sie waren zuletzt in mehreren europäischen Ländern gemeinsam auf Apple zugegangen und hatten nutzerfreundlichere Bedingungen bei iTunes eingefordert. Der deutsche Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) zeigte sich von Jobs "mutigen" Äußerungen überrascht und begrüßte den Vorstoß ebenso wie der norwegische Verbraucherrat. Nach Ansicht der Norweger, die Apple ein Ultimatum für eine bessere Interoperabilität der bei iTunes verkauften Musik gesetzt hatten, verzerre Jobs allerdings wesentliche Aspekte der Diskussion und verstecke sich jetzt hinter der Musikindustrie. Jobs hatte seine europäischen Kritiker aufgefordert, sie sollten sich mit ihren Begehrlichkeiten direkt an die Musikindustrie wenden.

Auch die Labels hätten immer wieder auf die Notwendigkeit der Interoperabilität hingewiesen, heißt es dazu vom Phonoverband, die Industrie schreibe den Anbietern nicht vor, welches DRM sie einzusetzen hätten. Jobs hatte den FairPlay-Einsatz mit den Bedingungen der großen Labels begründet, anders hätte bei iTunes nicht in dem Umfang angeboten werden können. Der Apple-Boss diskutiert auch die Möglichkeit, FairPlay an andere Anbieter zu lizenzieren, zieht einen Verzicht auf DRM aber offenbar vor. Angesichts der Unzufriedenheit mit DRM, die sein Gegenpart Bill Gates schon geäußert hatte, und den bereits erfolgreichen Versuchen, DRM-freie Musik zu vermarkten, ist Jobs Vorstoß aber nichts wirklich Neues. Auch weil die harte Linie der Industrie längst aufweicht: "Die Frage, ob DRM für alle Zeit notwendig ist, muss sicher diskutiert werden", räumt der Chef des deutschen Phonoverbands ein.

Den Zeitpunkt für sein öffentlichkeitswirksames Plädoyer dürfte Jobs also mit Bedacht gewählt haben. Als Maß aller Dinge im Online-Musikmarkt hat Jobs einiges in die Wagschale zu werfen und jetzt eine Debatte verstärkt, die schon eine Weile auf etwas kleinerer Flamme kochte. Ob am Ende der Diskussion dann ein FairPlay für alle steht oder die Musikindustrie tatsächlich auf DRM verzichtet – Apple hat in jedem Fall etwas davon. (vbr)