Neuer Streit um offene Standards auf EU-Ebene

Das EU-Parlament berät derzeit einen Verordnungsentwurf der EU-Kommission zur europäischen Normung, der Kritikern zufolge auch Standards hoffähig machen würde, die als schwer vereinbar mit freier Software gelten.

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Das EU-Parlament berät derzeit einen umfangreichen Verordnungsentwurf der EU-Kommission zur europäischen Normung. Die Abstimmung im federführenden Binnenmarktausschuss soll im März erfolgen. Mit dem Vorstoß möchte Brüssel ein umfassendes, alle Bereiche abdeckendes und effizientes Normungssystem schaffen. Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) kritsiert, dass dadurch auch Standards hoffähig würden, die als schwer vereinbar mit freier Software gelten.

Eine Reform des bislang stückhaften europäischen Rahmenwerks zur Normung sei zwar dringend nötig, schreibt der FFII in einer Analyse (PDF-Datei) des Kommissionsvorschlags. So seien die bisherigen Regeln nicht auf Spezifikationen für Software-Schnittstellen oder Datenformate ausgerichtet. Mit dem Entwurf wolle Brüssel nun aber praktisch Normen von internationalen Konsortien anerkennen, die unter sogenannten FRAND-Bedingungen (Fair, Reasonable And Non-Discriminatory) lizenziert werden.

Laut diesem Ansatz, der von Branchenvereinigungen wie der Business Software Alliance (BSA) und ihren Mitgliedern wie Apple, Microsoft oder SAP unterstützt wird, muss der Einsatz standardisierter und unter Umständen auch patentgeschützter Techniken lizenziert werden. Vereinigungen aus dem Open-Source-Umfeld fürchten, dass mit den Plänen der Kommission von "Patent-Kartellen" vorangetriebene Normen abgesegnet werden. Der FFII kritisiert, dass die Kommission die Schwelle zur Anerkennung von Standards sehr niedrig ansetze.

Dem Verein zufolge sollten die Abgeordneten dagegen die Verwendung tatsächlich freier und offener Standards festschreiben, bei denen auch potenziell enthaltene Patente unwiderruflich vergütungsfrei mit zur Verfügung gestellt würden. Nur so könnten interoperable Plattformen entstehen und Marktzugangshürden abgebaut werden. Der FFII reibt sich zudem am Plan der Kommission, die Anerkennungskriterien eigenmächtig jederzeit vergleichsweise einfach ändern zu können.

Die Auseinandersetzung kochte zuletzt im Rahmen der Überarbeitung des EU-Rahmenwerks zur Herstellung von Interoperabilität bei E-Government-Diensten hoch. Die Kommission versuchte sich 2010 schließlich an einem Kompromiss. Demnach sollen mögliche Patentrechte im Bezug auf Normen entweder auf FRAND-Basis oder vergütungsfrei in einer Art und Weise lizenziert werden, "die eine Umsetzung sowohl in proprietärer als auch in Open-Source-Software erlaubt". So soll der Wettbewerb zwischen Anbietern von Produkten, Technologien und Diensten auf Basis von Standards gestärkt werden, die auf diesen beiden verschiedenen Geschäftsmodellen basieren. (vbr)