Infineon im Tal der Tränen
Infineon-Aktionäre sind leidgeprüft. Seit dem spektakulären Börsengang im Boomjahr 2000 ging es mit Geschäft und Aktienkurs nach unten.
Der gebeutelte Chipkonzern Infineon wird die Schatten der Vergangenheit nicht los. Seit Jahren sei man im "Tal der Tränen" unterwegs, klagte ein Kleinaktionär am Donnerstag auf der Hauptversammlung in München. Von einer Dividende können die Anteilseigner auch fast sieben Jahre nach dem Börsengang nur träumen, die Korruptionsaffäre ist noch längst nicht aufgearbeitet, und auch nach Milliardenverlusten in den vergangenen Jahren steckt das Unternehmen im neuen Kerngeschäft noch in den roten Zahlen. Manch einer wünscht sich da sogar die Übernahme durch einen Finanzinvestor herbei. Vorstandschef Wolfgang Ziebart aber bat die rund 3000 Anteilseigner um Geduld. Spätestens in zwei Jahren soll Infineon die Früchte seiner mühseligen Sanierungsarbeit ernten.
Infineon-Aktionäre sind leidgeprüft. Seit dem spektakulären Börsengang im Boomjahr 2000 ging es mit Geschäft und Aktienkurs nach unten. Auch das Geschäftsjahr 2005/06 (30. September), das auf der Hauptversammlung zur Diskussion stand, war ein verlustreiches. "Sie waren nicht ganz so erfolgreich, wie Sie es sein wollten", sagte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Der Konzern habe einmal mehr "wenig Fortune" gehabt. So verhagelte die Pleite des Großkunden BenQ Mobile die Bilanz. Auch die Aufspaltung des Konzerns stand unter keinem guten Stern. Nur mit Hängen und Würgen wurde die Speichertochter Qimonda in einem schwierigen Börsenumfeld in den USA an die Börse gebracht. Infineon musste deutliche Abstriche beim Preis machen und konnte sich von weniger Aktien trennen als geplant. "Der Börsengang war ein Trauerspiel", sagte Aktionärsschützerin Bergdolt.
Auch die Korruptionsaffäre um Ex-Vorstand Andreas von Zitzewitz beschäftigt den Konzern weiter. Aufsichtsrat und Kleinaktionäre lehnten eine Entlastung Zitzewitzs ab. "Eine Entlastung kommt nicht in Betracht", sagte Aufsichtsrats-Chef Max Dietrich Kley. Zudem gibt es noch offene Rechnung mit Ex-Chef Schumacher, der in den Korruptionsermittlungen der Staatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt wird und sich mit Infineon um die zweite Hälfte seiner Millionenabfindung streitet.
In den vergangenen Wochen tauchten immer wieder Spekulationen auf, Infineon sei ein Übernahmekandidat für Private-Equity-Gesellschaften. Denkbar wäre, dass ein Aufkäufer weitere Qimonda-Anteile verkauft, die Autosparte von Infineon zum Beispiel an einen Autozulieferer veräußert und die restlichen Logikchips an einen Konkurrenten verkauft. Völlig unrealistisch sind solche Szenarien nicht mehr. Inzwischen seien Private-Equity-Fonds finanziell durchaus in der Lage, die Übernahme praktisch jedes deutschen DAX-Konzerns zu stemmen, sagt der Vorstandschef eines Traditionsunternehmens. Ob Infineon zum ersten Fall werden könnte, wollte Ziebart auf der Hauptversammlung aber nicht spekulieren. "Wir tun alles, um die Ergebnisse zu verbessern und damit den Marktwert zu erhöhen", sagte er lediglich.
Trotz der noch immer mauen Ergebnislage trauen viele Aktionäre Ziebart die weitere Sanierung des Unternehmens zu. In akribischer Kleinarbeit setzt der Vorstandsvorsitzende auf die Sanierung von Problemsparten. Langsam aber ist nach seiner Einschätzung ein Ende der Aufräumarbeiten in Sicht: "Im laufenden Geschäftsjahr werden wir die Phase der Restrukturierung weitgehend zum Abschluss bringen." Daher soll das laufende Jahr auch das letzte sein, in dem Infineon kein Geld verdient. (Axel Höpner, dpa) / (jk)