Bundesrat hat keine Bedenken gegen Telemediengesetz
Die Länderkammer hat die von einer Verfassungsbeschwerde bedrohte Neuordnung des Medienrechts mit erweiterten Überwachungsregelungen passieren lassen, ohne den Vermittlungsausschuss anzurufen.
Der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung am heutigen Freitag keine Einwände gegen die vom Bundestag Mitte Januar verabschiedete Neuordnung des Medienrechts im Rahmen des Elektronischen Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetzes (ElGVG, PDF-Datei) vorgebracht. Die Länderchefs ließen den Gesetzesentwurf passieren, ohne den Vermittlungsausschuss mit dem Parlament anzurufen. Das ElGVG, dessen Kern das neue Telemediengesetz (TMG) ausmacht, kann so höchstwahrscheinlich plangemäß am 1. März zeitgleich mit dem 9. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (PDF-Datei) der Länder in Kraft treten.
Künftig soll im Rahmen des TMG die Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von bis zu 50.000 Euro möglich werden, wenn E-Mail-Werber bestimmte Informationspflichten verletzen. Dies ist dem Gesetzesentwurf zufolge etwa der Fall, wenn sie ihre Aussendungen nicht als Spam kenntlich machen oder den Absender "verschleiern". Zwischen Tele- und Mediendiensten, die bislang in unterschiedlichen Gesetzen des Bundes und der Länder geregelt sind, soll nicht mehr unterschieden werden. Vom TMG erfasst werden alle Informations- und Kommunikationsdienste, die nicht ausschließlich dem Telekommunikations- oder Rundfunkbereich zuzuordnen sind. Dabei kann es sich etwa um Online-Angebote von Waren und Dienstleistungen mit sofortiger Bestellmöglichkeit, zeitversetztes Video on Demand, Weblogs, Online-Dienste wie Internet-Suchmaschinen oder die kommerzielle Verbreitung von Informationen über Waren und Dienstleistungen per E-Mail handeln.
Rechtsexperten haben bereits ihrer Sorge Ausdruck verliehen, dass die im TMG bekräftigten Informationspflichten von unseriösen Anwälten ausgenutzt werden könnten. Besonders umstritten ist aber eine Passage des Entwurfs, wonach die erfassten Provider künftig auf Anraten des Bundesrates Informationen wie Name, Anschrift oder persönliche Nutzerkennungen auch zu Präventionszwecken herausrücken müssen. Sie werden verpflichtet, die entsprechenden Bestands- und Nutzerdaten "für Zwecke der Strafverfolgung, zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes oder des Militärischen Abschirmdienstes beziehungsweise zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum und zur Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden der Länder" weiterzugeben. Gegen diese weit gefasste Bestimmung wollen Bürgerrechtler vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerde einlegen.
Siehe zum Telemediengesetz auch:
- Abmahnwelle mit neuem Telemediengesetz befürchtet
- Verfassungsbeschwerde gegen neues Telemediengesetz angekündigt
- Bundestag verabschiedet Telemediengesetz
- Nutzerdaten sollen zur Gefahrenabwehr freigeben werden
- Erhebliche Bedenken gegen geplantes Telemediengesetz
- Streit um die Zukunft des Anonymisierungsdienstes AN.ON
- Grüne gegen Freigabe von Nutzerdaten zur Gefahrenabwehr
- Sanktionen bei datenschutzrechtlichen Verstößen
- Bundesregierung will Kundendaten für vorbeugende Straftatenbekämpfung
- eco-Verband übt scharfe Kritik an geplantem Telemediengesetz
- Länder wollen Kundendaten zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung nutzen
- Suchmaschinenbetreiber wollen keine "ungesetzlichen Richter" sein
- IT-Branchenverband gegen vorauseilende Überwachungspflicht für Provider
- IT-Branchenverband warnt vor Überregulierung beim Handy-TV
- Verbraucherzentrale kritisiert neues Gesetz gegen Spam
- Eco-Verband kritisiert Gesetzentwurf zur Spam-Verhinderung
- Bundeskabinett beschließt Neuordnung des Medienrechts
- Medienpolitiker drängen auf Nachbesserungen bei der Providerhaftung
- Bürgerrechtler und Verbraucherschützer stellen Forderungen an Telemediengesetz
- Heftige Kritik am Telemediengesetz-Entwurf
- Bundesregierung will Datenschutz im Internet einschränken
- Neuordnung des Telemedien-Rechts: Gut geschüttelt, nicht gerührt
- Medienordnung auf dem Bierdeckel
(Stefan Krempl) / (vbr)