Wackelnde Schutzrechte

Das Patentmonopol von Myriad Genetics auf Brustkrebs-Gene wird von immer mehr Gerichten hinterfragt – völlig zu Recht.

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Das Patentmonopol von Myriad Genetics auf Brustkrebs-Gene wird von immer mehr Gerichten hinterfragt – völlig zu Recht.

Vor zwei Jahren annullierte Richter Robert Sweet vom New Yorker Bezirksgericht sieben Genpatente des US-Biotech-Unternehmens Myriad Genetics (TR 5/2010, S.89). Er gab damit zumindest teilweise der Klage einer Patientenorganisation recht, die sich gegen die Monopolisierung von Genen gewandt hatte, und löste eine lange fällige Überprüfung der gängigen Patentierungspraxis von Genen aus. Inzwischen beschäftigt sich auch ein australisches Gericht mit den Patenten und auch das Oberste Gericht der USA wird sich wohl noch dieses Jahr des Themas annehmen.

In dem New Yorker Urteil ging es zum einen um Schutzrechte auf die Basensequenzen der Gene BRCA1 und BRCA2 und charakteristische Mutationen in ihnen, die das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs erhöhen; und zum anderen um Schutzrechte auf diagnostische Nachweistests für diese Mutationen. Myriad argumentierte, dass ein zu Diagnosezwecken isoliertes Gen sich von seinem natürlichen Pendant in Zellen unterscheidet und deshalb schutzwürdig sei. Das sah Richter Sweet zu Recht anders.

Auch für Erkrankte sah die Rechnung anders aus: Myriad hatte sich effektiv ein Monopol auf die Diagnose von Brustkrebs erschaffen, denn gemäß der Patentlage durfte allein das US-Unternehmen aus Salt Lake City Diagnosetests für die charakteristischen Genmutationen anbieten, und das tat es nicht gerade günstig. Die Patente bedeuteten auch, dass sich Ärzte nicht mit einem Test von anderen Anbietern absichern konnten.

Ein Jahr später folgte allerdings ein Dämpfer. Das Bundesberufungsgericht hob Sweets Urteil teilweise auf und sprach Myriad die zwei Patente für die Krebsgen-Sequenzen wieder zu. Kurioserweise widersprach das Gericht Myriads Argumentation in einem anderen Punkt: Der Analyseprozess der Gene, der eventuelle Schadmutationen aufdecken soll, sei nicht patentierbar, weil er nur abstrakte mentale Schritte beinhalte. Was für eine verkehrte Welt. Nun waren also die Gene selbst wieder patentgeschützt, obwohl dabei keinerlei erfinderische Leistung vollbracht wird; das Testverfahren allerdings, die einzige Leistung mit Neuheitswert und Nutzen war es nicht.

Dieses Jahr dürfte es erneut spannend werden, denn in der Frage der Patentierbarkeit von isolierter Patienten-DNA wurde der Supreme Court der USA von der American Civil Liberties Union und der Public Patent Foundation per Petition angerufen. Die für Ende Februar anberaumte Entscheidung des hohen Gerichts wurde vorerst leider vertagt, die Entscheidung dürfte aber wegweisend für die Zukunft sein.

Auch in Australien wehren sich Patienten gegen das Patent-Monopol von Myriad. Die nationale Patientenorganisation "Cancer Voices Australia" hat Myriad Genetics bereits 2010 gemeinsam mit der Krebspatientin Yvonne D'Arcy verklagt, um das Aufheben der Genpatente zu erreichen. In diesem Fall steht die Entscheidung ebenfalls noch aus, die Verhandlung hat aber kürzlich begonnen. Ich kann nur wiederholen, was ich vor zwei Jahren in TR geschrieben habe: "Es wird Zeit, dass sich weitere Gerichte Sweets Argumentation anschließen – auch hier in Europa. Gendiagnostik-Tests mögen neuartig und damit patentierfähig sein. Die Gene selbst sind es eindeutig nicht." (bsc)