Sarkozy droht Besuchern extremistischer Websites mit Gefängnis

Nach der Mordserie in Frankreich will der französische Präsident Personen bestrafen lassen, die regelmäßig im Internet Webseiten besuchen, die den Terrorismus predigen beziehungsweise zu Hass und Gewalt aufrufen.

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Nach der Mordserie in Frankreich und dem Tod des mutmaßlichen Täters hat der französische Präsident Nicolas Sarkozy Konsequenzen angekündigt. In einer kurzen Fernsehansprache kurz nach dem Einsatz gegen den Verdächtigen in Toulouse am Donnerstag sagte er (ab Minute 2:30), dazu zähle auch die Bestrafung von Hasspredigern im Internet und deren Anhängern. "Von nun an wird jede Person bestraft, die regelmäßig im Internet Webseiten besucht, die den Terrorismus predigen, die zu Hass und Gewalt aufrufen." Es müsse zudem untersucht werden, ob und wie in Gefängnissen radikales fundamentalistisches Gedankengut verbreitet werde. Außerdem soll jede Person bestraft werden, die sich im Ausland indoktrinieren lässt.

Internetnutzer, die Websites mit extremistischen Inhalten aufsuchen, müssten ebenso hart bestraft werden wie Konsumenten von Kinderpornografie, sagte Sarkozy auf einer Wahlkampfveranstaltung in Strasbourg. Jeder, der sich regelmäßig auf Websites wiederfinde, auf denen Terrorismus gefördert, Hass oder Gewalt befürwortet werde, müsse mit Gefängnisstrafen rechnen. Frankreich toleriere niemanden, der über das Internet Terroristen rekrutierte oder indoktriniere.

Wie weit die Pläne gediehen sind, die Besuche von extremistischen Websites zu kontrollieren und zu ahnden, blieb bislang unklar. Sie stießen aber bereits auf Kritik. So sagte Lucie Morillon von der Organisation Reporter ohne Grenzen laut Medienberichten, den Besuch einer Website zu kriminalisieren, sei unverhältnismäßig. Morillon fragt sich, ob Frankreich ein weltweites Überwachungssystem aufbauen wolle.

Die US-Bürgerrechtler der Electronic Frontier Foundation (EFF) bezweifeln, dass auf diese Weise der Terrorismus wirksam bekämpft werden könne. Extremistische Gewalt beginne nicht im Internet und werde auch nicht mit ihm beendet. Abgesehen davon könnten extremistische Websites über Anonymisierungsdienste besucht und damit die Kontrollen umgangen werden.

Fraglich ist für die EFF auch die Definitionshoheit darüber, bei welchen Inhalten es sich um "Hasspropaganda" handele. Falls Frankreich extremistische Websites ähnlich wie Kinderpornografie blockiere, werde es voraussichtlich zu "Kollateralschäden" kommen. Auf der Welt gebe es kein Land mit Internetsperren, in denen diese nicht über ihr Ziel hinausschössen und legitime Inhalte blockierten. Durch Sarkozys Ankündigungen könnten sich Regimes autoritärer Länder für ihre rigide Zensur gerechtfertigt sehen.

Der mutmaßliche Täter, der am Donnerstag bei einem Polizeieinsatz getötet wurde, soll am Montag vor einer jüdischen Schule in Toulouse drei Kinder und einen Religionslehrer erschossen haben. Zuvor wurden am 11. und 15. März mit derselben Waffe in Toulouse und Montauban drei Soldaten umgebracht. Nach den tödlichen Schüssen entkam der Täter jeweils mit einem Motorroller. Seit dem frühen Mittwoch hielt sich der mutmaßliche Täter in einem Haus in Toulouse auf, nachdem die Polizei es umstellt hatte.

Am Donnerstag bekannte sich im Internet eine Gruppe mit dem Namen "Soldaten des Kalifats" dazu, für die tödlichen Angriffe des 23-Jährigen verantwortlich zu sein. Mit den "Taten des Gesegneten" seien unter anderem die "Verbrechen Israels" im Gazastreifen gerächt worden, hieß es. Der Wahrheitsgehalt ließ sich zunächst nicht überprüfen.

Bislang ist noch nicht klar, wie die Polizei dem Verdächtigen auf die Spur gekommen ist. Die Ermittlungen könnten den Befürwortern der Vorratsdatenspeicherung Argumente in die Hände geben. Einer der ermordeten Soldaten soll in einem Anzeigenportal im Web sein Motorrad angeboten haben. Die Anzeige sei von knapp 600 Interessenten aufgesucht worden sein. Die Ermittler sollen sich ihre IP-Adressen und die Namen der dahinterstehenden Internetnutzer besorgt haben – darunter der eines Verwandten des Verdächtigen. Die Ermittler sollen ihm aber auch auf einem anderen Weg auf die Spur gekommen sein, indem sie Händler des Typs von Motorrollern befragt hätten, von denen der Verdächtige einen besaß. (mit Material von dpa) / (anw)