Was für Broadcasting recht ist, soll für Netcasting billig sein

Übertragungen eines Radio- oder Fernsehprogramms im Internet sollen ebenso geschützt werden wie die Übertragung im Fernseh- oder Kabelnetz, fordert die US-Regierung für die Internet-Ergänzung des Abkommens zum Schutz der Rechte von Rundfunkanstalten.

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Von
  • Monika Ermert

Übertragungen eines Radio- oder Fernsehprogramms im Internet sollen ebenso geschützt werden wie die Übertragung im Fernseh- oder Kabelnetz. Das forderte die US-Regierung in einer Stellungnahme zum Webcasting Treaty, einem Zusatz zum geplanten Broadcasting Treaty der World Intellectual Property Organisation (WIPO). "Der Schutz fürs Netcasting sollte der gleiche sein wie für traditionelle Broadcasting- und Kabelanbieter, und jeder Schutz sollte nur soweit reichen, dass das Signal geschützt ist", heißt es in der von der Organisation Consumer Project for Technology (CPTech) veröffentlichten offziellen Stellungnahme der USA.

Der WIPO Broadcasting Treaty soll Rundfunkunternehmen Rechte an ihren Sendungen geben, die in dieser Form noch nicht vom Urheberrecht abgedeckt sind. Kritiker, zu denen sich kürzlich auch die UNESCO mit einer Studie gesellte, warnen vor einer mangelnden Ausbalancierung der Rechte der Sender einerseits und des Anspruchs der Öffentlichkeit auf den Zugang zu Information andererseits. Auch Überschneidungen mit bestehenden urheberrechtlichen Ansprüchen werden befürchtet sowie die Vereinnahmung von Inhalten, die unter der weitgehend offenen Creative-Commons-Lizenz stehen: Einmal gesendet, könnten sie von den Rundfunkunternehmen ihrem Fundus einverleibt werden, befürchten Kritiker. Im bislang letzten Entwurf des Broadcasting Treaty hat man den bereits als Annex ausgewiesenen Webcasting-Teil komplett aus dem Dokument genommen. Regelungen zu Rechten für Webcasting, also übers Netz verbreitete Sendungen, sollen mit einem eigenen Vertragsdokument weiter vorangetrieben werden.

Bis zum 1. August waren WIPO-Mitgliedsländer nun aufgefordert, Stellungnahmen zur Gestaltung der Schutzrechte von Fernsehen im Internet einzureichen. Die Aufnahme von Schutzrechten für Webcasts im Broadcasting Treaty war international auf zu viel Widerstand gestoßen, deshalb die Auslagerung in ein eigenes Vertragsdokument. Für den Broadcasting Treaty legte der finnische Vorsitzende des WIPO Standing Committee on Copyright and Related Rights (SCCR) vergangenen Woche ebenfalls einen neuen Entwurf vor. Der Vorschlag für die Regeln beim Internetfernsehen soll bald folgen.

Die US-Regierung hat in ihrer Stellungnahme jetzt den Bericht Netcasting statt Webcasting eingeführt; sie definiert ihn folgendermaßen: "'Netcasting' bedeutet Übertragungen von Tönen, Bildern oder Tönen und Bildern beziehungsweise deren Darstellung über ein Computernetzwerk, sei es leitungsgebunden oder per Funk, unter Ausnutzung des Internetprotokolls oder möglicher Nachfolgestandards zum gleichzeitigen oder beinahe gleichzeitigen Empfang durch die Öffentlichkeit und zu einer Zeit, die allein von der jeweiligen Netcasting-Organisation bestimmt wird." Die Gleichzeitigkeit der Ausstrahlung grenzt dabei Netcasts von den im Netz dauerhaft bereitgestellten Videoinhalten ab, außerdem schließt die Betonung auf der Kontrolle durch die Netcasting-Organisation diejenigen Online-Dienste aus, die etwa Musik- oder Film-Programme von den jeweiligen Anwendern individuell zusammenstellen lassen.

Verbraucherschutz- und Bürgerrechtsorganisationen befürchten, dass die neuen Schutzrechte sich nicht nur auf den Schutz gegen die so genannte "Signalpiraterie" beschränken, sondern im Gegenteil auch neue Rechtsansprüche für Inhalte begründen werden. James Love von CPTech warnte: "Die Vereinigten Staaten bieten keine eng gefasste Definition davon, was geschützt werden soll. Sie ist vielmehr umfassend und am Ende widersprüchlich." Eine klarere Definition der Schutzrechte hatte nicht zuletzt auch eine UNESCO-Studie kürzlich gefordert, in der von zu vagen Definitionen der Schutzrechte die Rede war. Vertreter von Rundfunkunternehmen verweisen dagegen darauf, dass sie ohne die Rechtsansprüche auf ihre Sendungen keinen öffentlichen Zugang zu Sendungsarchiven gewähren können. Hätten die Medienhäuser die Rechte, könnten sie allerdings auch zulasten der Pressefreiheit einsetzen, lautet die Meinung der Experten.

"Regelungen fürs Webcasting sind zwar erst einmal auf später verschoben", ließ Loves Mitstreiterin Manon Ress von CPTech heise online wissen. Allerdings sieht Ress auch schon im eigentlichen Broadcasting Treaty schon Regelungen fürs Internet. "Artikel 9 zur Weiterübertragung ist auch im neuen Vorschlag wieder so definiert, dass es auch gleichzeitige Übertragungen über alle Kanäle umfasst, einschließlich der Weiterübertragung über ein Computernetz." Damit ziele eben auch das WIPO-Abkommen zur Sicherung der Rechte der Rundfunkanstalten aufs Netcasting. Unklar ist übrigens, ob am Ende nur die klassischen Rundfunkanstalten geschützt werden, oder ob ein Internetanbieter, der Video-Streams offeriert, ebenfalls Ansprüche geltend machen kann.

Es sei schwer vorherzusagen, was beim nächsten Treffen des SCCR im September in Genf passieren werde, sagte Ress. "Aber ich glaube, dass der Druck auf das Komitee sehr groß ist, einen fertigen Vertragstext zu liefern. Das macht uns einige Sorgen. Denn der Vertrag ist keineswegs reif dafür, auf Sendung zu gehen."

Zum Broadcasting Treaty der WIPO siehe auch:

(Monika Ermert) / (jk)