Internet-Verwaltung wegen neuer .com-Verträge unter Beschuss

Die Netzverwalter bei der ICANN haben mit der bedingungslosen Verlängerung des Vertrags für den Betrieb der Registry der .com-Domain offensichtlich den Bogen überspannt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 34 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Monika Ermert

Die Netzverwalter bei der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) haben mit der bedingungslosen Verlängerung des .com-Vertrags offensichtlich den Bogen überspannt: Sie haben nach Ansicht vieler Kritiker einmal mehr gegen ein zentrales Satzungsziel verstoßen, die Schaffung von Wettbewerb bei den Domain-Registries. Die ICANN hatte den Vertrag mit Verisign für den Betrieb der Registrierdatenbank für die .com-Domain Ende Oktober überraschend verlängert, und das mit großen Zugeständnissen an den Ex-Monopolisten im Registry-Business. Verisign, nach Übernahme und späterem Verkauf von Network Solutions heute noch Besitzer der Registry-Dienste etwa für .com und .net, akzeptiert dafür eine gütliche Einigung im Disput über neu einzuführende Registry-Dienste, die der Firma aber auch viele Freiheiten bietet.

Zahlreiche Domainregistrare, einschließlich deutscher Unternehmen, schließen sich der Kritik an den neuen Verträgen an. Zwei US-Registrarkonsortien haben zudem Klagen gegen ICANN und Verisign eingereicht. Doch das ist nicht alles: Die Coalition for ICANN Transparency (CFIT), einer der Kläger, ist einer der Hauptsponsoren des ICANN-Treffens und hat sich auf den obligatorischen Konferenztaschen verewigt. Die Teilnehmer beim ICANN-Treffen wurden außerdem mit dem Button "Weiter Wettbewerb in .com" ausgerüstet.

"Ich kann mich nicht an eine so massive Kampagne erinnern oder einen Gegner, der dafür gleich so viel Geld ausgegeben hat", sagt der US-Jurist und ICANN-Kenner Bret Fausett, der eine Debatte zum neuen com-Vertrag moderierte und inzwischen ausführlich dokumentiert hat. Fausett sagte gegenüber heise online: "Ich glaube nicht, dass ICANN den Vertrag jetzt verabschieden wird, gegen die gemeinsame Kritik praktisch aller ICANN-Interessengruppen angefangen von Registraren bis zu Vertretern der Nutzer."

Der neue Vertrag sichert dem Ex-Monopolisten den lukrativen Betrieb der .com-Domain – nach wie vor mit 50 Millionen Einträgen die größte Adresszone im Netz – ohne Befristung zu. Verisign würde damit faktisch vom Administrator der .com-Zone zu deren Eigentümer gemacht. Außerdem erlaubt der Vertrag Verisign jährliche Preiserhöhungen um bis zu sieben Prozent. Stimmen ICANNs Direktoren dem Vertrag zu, verpflichtet sich Verisign im Gegenzug dazu, die gegen ICANN eingereichte Klage wegen des Verbots des Sitefinder-Dienstes zurückzuziehen.

Bei Schlund und Partner in Karlsruhe lehnt man den neuen .com-Vertrag rundweg ab und befürchtet "großen Schaden" für Internetnutzer weltweit. Die Erhöhung der Preise nach Verisigns Gutdünken sei ein massiver Rückschritt im Vergleich zum derzeit noch geltenden Vertrag, sagt Schlunds Domainexperte Eric Schätzlein. Der bis November 2007 befristete, momentan noch gültige Vertrag erfordert nämlich eine Begründung für Preiserhöhungen. Bei .net aber, betonte Schätzlein, habe Verisign die Ausschreibung auch mit dem Hinweis auf sinkende Preise gewonnen. Die Tatsache, dass durch die Einführung neuer TLDs bereits mehr Wettbewerb bestehe, nannte der ehemalige ICANN-Direktor Karl Auerbach "Fantasie", da ein Unternehmen eben nicht ohne Verluste einfach seine angestammte Domain umziehen könne. ICANN müsse sich angesichts dieser natürlichen Monopolstellung von Registries wie Verisign durchaus als Regulierer verstehen und eben nicht als privates Unternehmen.

Der offizielle Protest mehrerer Registrarunternehmen in Vancouver richtet sich noch gegen weitere Punkte im neuen Vertrag. Die Firmen stoßen sich an der Zementierung der Regeln für die Einführung neuer Registry-Services. Die eben erst beschlossenen Regeln, wie alle Parteien sich künftig bei der Einführung solcher Dienste zu verhalten haben, seien noch nicht erprobt. Daher sei es falsch, Verisign zuzugestehen, drei Jahre lang keinerlei Veränderungen daran vorzunehmen. Darüber hinaus sind die Registrarunternehmen ziemlich sauer über zusätzliche Domaingebühren – laut dem Protestschreiben der Registrare rund 150 Millionen US-Dollar, die Verisign für ICANN eintreiben soll. Durch die Verabredung dieser Gebühren mit Verisign umgehe ICANN die Mitspracherechte, die den Registraren bei der Gestaltung des offiziellen ICANN-Budgets zustehe. Wieder einmal habe ICANN bilateral einen Vertrag ausgehandelt, der Dritte belastet.

"Es hat nie eine größere Loslösung der hauptamtlichen Mitarbeiter von ICANN und der ICANN-Gemeinde gegeben, der gesamte ICANN-Prozess ist dadurch bedroht", sagte Eliot Noss, Präsident des Registrars Tucows. Die Firma lehnt den Deal ebenfalls entschieden ab: "Wenn die Wahl darin besteht, die Dollars in ein wachsendes ICANN-Budget und in Verisigns Taschen zu stecken oder in die Finanzierung einer Klage, dann lasst uns den Kampf aufnehmen", kommentierte Noss. Das sagten sich offensichtlich auch die beiden Registrarkonsortien CFIT und World Alliance of Domain Name Developers (WADND). CFIT verklagt ICANN und Verisign wegen wettbewerbsfeindlichem Verhalten, der unbefristeten Vergabe von .com an Verisign, aber auch wegen der Verringerung des Einflusses der US-Regierung. Die Klage von WADND richtet sich gegen ICANN und Verisign gleichermaßen und wirft ihnen eine Liste von Vergehen rund um die Konspiration zur Erhaltung eines Monopols vor. (Monika Ermert) / (jk)