Umstrittenes EU-Schutzrecht für Datenbanken ohne positive Wirtschaftseffekte

In einer ersten Evaluierung der Datenbankrichtlinie legt die EU-Kommission nahe, dass die neuen Schutzmöglichkeiten ihr Ziel verfehlt haben; die Binnenmarktkommission will dem Gesetz trotzdem noch eine Chance geben.

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Die EU-Kommission hat eine erste Evaluierung (PDF-Datei) der heftig umstrittenen Datenbankrichtlinie von 1996 vorgelegt. Dem Papier zufolge haben die mit dem Rahmengesetz geschaffenen neuen und weitgehenden Schutzmöglichkeiten für Informationen, die in eigenen Registern gesammelt werden, bislang keinen nennenswerten Effekt auf die Produktion kommerzieller Datenbanken mit sich gebracht. Die Richtlinie hat ihr Hauptziel, das in der Förderung der Informationswirtschaft Europas liegt, damit bisher verfehlt. Dennoch will Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy der Direktive noch eine Chance geben. "Ich möchte dafür sorgen, dass die EU-Vorschriften die Entwicklung dieses Sektors vorantreiben", erklärte er. Der Ire fordert die Wirtschaft und alle Beteiligten auf, eigene Kommentare zu den Auswirkungen der Richtlinie bis zum 12. März 2006 beizusteuern und der Kommission Hinweise zum weiteren Vorgehen zu geben.

Die Direktive hat in der EU einen zweifachen, abgestuften Schutz von Informationssammlungen eingeführt. Als so genannte originale Datenbanken gelten diejenigen, die erkennbar eigene Kreationen darstellen und nicht nur bereits bekannte Informationen vereinigen. Ihnen wird das "volle" Autoren- und Urheberecht zugesprochen. Daneben hat Brüssel aber auch reine Zusammenstellungen von Informationen oder allgemeinen Daten wie Telefonbücher, Hitlisten oder Ergebnislisten von Fußballspielen unter ein "sui generis"-Schutzrecht gestellt. Dieses ist unabhängig vom Urheberrecht und wird anerkannt, wenn eine "substanzielle" Investition in eine Datensammlung erfolgt ist. Es sollte den Produzenten von Datenbanken ganz neue Verwertungsmöglichkeiten eröffnen. Kritiker haben eingewandt, dass auch ganz grundlegende Informationen wie etwa wissenschaftliche Erkenntnisse auf dieser Basis der öffentlichen Domäne entzogen werden könnten. Sie befürchteten gravierende Auswirkungen auf Forschung und Entwicklung sowie die Innovationskräfte der Gesellschaft.

Die Kommission hat für die Evaluierung nun "individuelle Rechterhalter" sowie die Statistiken zum Wachstum von Datenbanken im Rahmen des Gale Directory of Databases (GDD) befragt. Das bezeichnende Ergebnis ist, dass die Produktion von Datenbanken im Jahr 2004 wieder auf den Stand der Zeit vor dem Inkrafttreten und der Umsetzung der Richtlinie gefallen ist. So gab es im GDD 1998 für die EU 3092 Einträge, 2001 waren es immerhin 4085, im Jahr 2004 dagegen wiederum nur noch 3095. Es seien daher Zweifel angebracht, ob das "sui generis"-Recht tatsächlich erforderlich sei. Die herangezogenen Verwerter und Industrievertreter äußerten sich trotzdem sehr positiv über die neuen Möglichkeiten. Sie hätten mehr Rechtssicherheit und Geschäftsmöglichkeiten gebracht und die mit dem Schutz von Datenbanken verbundenen Kosten gesenkt.

Der Schutz "sui generis" gilt für einen Zeitraum von 15 Jahren. Er kann verlängert werden, wenn "neue substanzielle Investitionen" erfolgen. Für alle in der Gemeinschaft hergestellten Datenbanken gilt im Binnenmarkt dasselbe Schutzniveau. Ein solcher Schutz kann auch auf in Drittländern hergestellte Datenbanken ausgedehnt werden, wenn deren Rechtsvorschriften ein entsprechendes Schutzniveau für Datenbanken aus der Gemeinschaft vorsehen. Ende 2004 befand der Europäische Gerichtshof aber, dass das neue Schutzrecht zu vage sei und zurechtgestutzt werden müsse. Selbst Vorreiter beim Schutz des geistigen Eigentums wie die USA zeigten sich zudem bislang zurückhaltend bei den Bestrebungen, beim Datenbankrecht in die Fußstapfen der EU zu treten. Auch in der World Intellectual Property Organization (WIPO) wird das Vorpreschen der EU kontrovers diskutiert.

Nutzerorganisationen fordern seit längerem die komplette Abschaffung der Datenbankrichtlinie. Es gebe keinerlei Nachweis dafür, dass die neuen Möglichkeiten zu vermehrten Investitionen geführt hätten. Auch Kommissionsmitglieder räumten bereits ein, dass Studien die gesamtgesellschaftlichen Effekte der Direktive negativ beurteilen. "Im Informationszeitalter spielen Datenbanken eine wichtige Rolle in der europäischen Wirtschaft", hält McCreevy dagegen. Der Bericht und die Einschätzung der Betroffenen dazu sollen ihm zufolge helfen, "den richtigen Kurs zu halten". (Stefan Krempl) / (jk)