Einschränkungen für Heimnetze durch Senderrechte im Broadcasting Treaty befürchtet

Kritiker des WIPO Broadcasting Treaty, darunter Branchengrößen wie Intel, Dell und Sony, warnen davor, dass Rundfunkanstalten angesichts breitangelegter Rechte die Möglichkeit erhalten könnten, das das Netz beim Endnutzer zu Hause zu kontrollieren.

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Von
  • Monika Ermert

Das geplante Abkommen der World Intellectual Property Organisation (WIPO) zum Schutz von Rundfunkunternehmen (WIPO Broadcasting Treaty) könnte Einschränkungen für Privatnutzer bei der Gestaltung ihres Heimnetzwerks mit sich bringen. Davor warnte bei einem Treffen des US Patent and Trademark Office (USPTO) und des US Copyright Office (USCO) in Washington eine breite Koalition von Unternehmen und Bürgerrechtsorganisationen in einer gemeinsamen Stellungnahme (PDF-Datei).

Zu den Mitunterzeichnern gehören AT&T ebenso wie Intel, Dell, Sony, Branchen- und Bibliotheksverbände, die Electronic Frontier Foundation und das Consumer Project for Technology (CPTech). Das Abkommen soll in der kommenden Woche beim 15. Treffen des Ständigen WIPO-Ausschusses "Urheberrecht und verwandte Rechte" in Genf abschließend von den Mitgliedsländern beraten werden. Anschließend soll dann rasch ein Termin für eine diplomatische Konferenz zur Verabschiedung des Vertrags festgelegt werden. Der WIPO Broadcasting Treaty soll Rundfunkunternehmen Rechte an ihren Sendungen geben, die in dieser Form noch nicht vom Urheberrecht abgedeckt sind. Kritiker, zu denen sich kürzlich auch die UNSECO mit einer Studie gesellte, warnen vor einer mangelnden Ausbalancierung der Rechte der Sender einerseits und des Anspruchs der Öffentlichkeit auf den Zugang zu Information andererseits. Auch Überschneidungen mit bestehenden urheberrechtlichen Ansprüchen werden befürchtet sowie die Vereinnahmung von Inhalten, die unter der weitgehend offenen Creative-Commons-Lizenz stehen: Einmal gesendet, könnten sie von den Rundfunkunternehmen ihrem Fundus einverleibt werden, befürchten Kritiker.

"Folgt man dem vorliegenden Entwurfstext, erhebt sich angesichts der breit angelegten Rechte einschließlich der Regelungen für technologische Schutzmaßnahmen [DRM, d. Red] die Frage, ob die Rundfunker nicht die Möglichkeit erhalten, das Signal beim Endnutzer zu Hause zu kontrollieren", schrieben die Koalitionäre an USPTO und USCO. Die Kritiker befürchte also, dass die Verbraucher nicht mehr selbst bestimmen können, was sie etwa mit Radio- und TV-Sendungen zu Hause anstellen, ob sie sie etwa aufzeichnen, erneut anschauen oder in einem privaten Heimnetzwerk weiterleiten. "Solch eine Kontrolle gab es noch nie zuvor, sie könnte den Breitband-Rollout beeinflussen und die Entwicklung innovativer Geräte für Heimnetze behindern", heißt es weiter in der Stellungnahme. Der Vertrag solle daher eine Bestimmung enthalten, dass Aufzeichnungen, Übertragungen oder erneutes Anschauen von Sendungen innerhalb des privaten Heimnetzes eines Verbrauchers nicht vom Broadcasting Treaty erfasst werden.

Weitere Kernpunkte der Kritik betreffen die Haftbarkeit von Internet-Providern für Verstöße der Kunden gegen die neuen Rechte der Rundfunkunternehmen sowie fehlende Schrankenregelungen. Diese sollten nach Ansicht der Kritiker sicherstellen, dass nicht plötzlich Dinge strafbar werden, die nach dem Urheberrecht bislang erlaubt waren. US-Vertreter warnen etwa vor einer Aushöhlung ihrer Fair-Use-Rechte für die Inhalte der Rundfunkunternehmen.

Es sei nicht ohne Ironie, sagte laut Blogeintrag eines Teilnehmers ein Vertreter der Recording Industry Association of America (RIAA), dass die Rundfunkunternehmen exklusive Rechte für Inhalte beanspruchten, für die sie selbst keine Lizenz erwerben. Generell mahnte die Koalition aus Industrie- und Bürgerrechtsvertretern an, die Reichweite des Abkommens viel stärker zu begrenzen – vor allem auf den ursprünglich erklärten Zweck, nämlich den Schutz vor "Signalpiraterie". Ein fünfzigjähriges Urheberrecht auf die eigenen Sendungen und deren Ausstrahlungen gehe darüber doch deutlich hinaus. Und solange das Abkommen nicht deutlich auf den Signalklau beschränkt werden, verbittet sich die Kritiker-Koalition auch die Übertragung der Rechte aufs Web- oder Netcasting.

Welche Marschroute die US-Delegation in der kommenden Woche bei den Verhandlungen einschlagen wird, darüber mochten nicht einmal die US-Lobbyisten spekulieren. Ganz zu ignorieren sind die Unternehmen auf Seiten der Gegner des WIPO Broadcasting Treaty wohl kaum. In Deutschland oder Europa wird im Gegensatz zu den USA bislang kaum über den Broadcasting Treaty diskutiert, das lässt den Delegationen in Genf freie Hand.

Zum Broadcasting Treaty der WIPO siehe auch:

(Monika Ermert) / (jk)