Hintergrund: Die nächste Generation der Videospielkonsolen im Vergleich

Nachdem Microsoft, Sony und Nintendo ihre nächsten Videokonsolen vorgestellt haben, fällt die Auswahl nicht leicht: Denn alle Modelle haben Vor- und Nachteile, wie der Überblick zeigt.

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Die Präsentation der nächsten Videospielkonsolen auf der Electronic Entertainment Expo (E3) in Los Angeles glich einem Poker-Spiel: Keiner der drei Anbieter wollte sein komplettes Blatt aufdecken, und so zogen sie alle nur ihre Asse aus dem Ärmel. Doch ein genauer Blick offenbart die Vor- und Nachteile der einzelnen Konzepte.

Allen drei Konsolen gemein sind sowohl die kabellosen Controller als auch ein WLAN-Anschluss und Online-Fähigkeiten, danach trennen sich jedoch die Wege von Microsofts Xbox 360, Sonys Playstation 3 und Nintendos Revolution.

Den schnellsten Start wird die Xbox 360 hinlegen. Zum ersten Mal soll eine Konsole zeitgleich auf allen drei wichtigen Industrie-Märkten Japan, Europa und USA erscheinen, und zwar als einzige der drei noch vor dem nächsten Weihnachtsfest. Dazu benötigt Microsoft hohe Produktionskapazitäten, die genügend Konsolen für alle drei Märkte ausspucken. Für Japan werden angesichts des aktuellen Marktanteils der Xbox sicherlich einige wenige Hunderttausend Geräte genügen, für die USA und Europa sollten es aber jeweils schon rund eine Million Konsolen sein, sonst verpufft Microsofts Vorsprung gegenüber der Konkurrenz.

Die größte Stärke der Xbox 360 ist sicherlich ihr Online-Angebot, mit der Möglichkeit, Text-, Voice- sowie Videonachrichten zu versenden und zusätzliche Spielinhalte zu kaufen. Auch wenn Sony und Nintendo Ähnliches vorhaben, hat Microsoft mit Xbox Live bereits jetzt einen beträchtlichen Erfahrungsvorsprung und zeigte das schlüssigste und konkreteste Konzept auf der Messe. Mit dem kostenlosen Xbox-Live-Silver-Angebot kann Microsoft nicht nur Werbung, Demos und Trailer direkt bei seinen Kunden platzieren, sondern auch überwachen, ob die Konsole unlauter modifiziert wurde, um sie dann zum Beispiel automatisch zu patchen oder vom Online-Angebot auszuschließen -- eine Idee, die wahrscheinlich auch Sony und Nintendo schon eingefallen ist.

Dem frühen Erscheinungstermin mussten die US-Amerikaner allerdings auch Tribut zollen. Um zum Weihnachtsgeschäft rechtzeitig fertig zu werden, mussten sie auf ein HD-DVD- oder Blu-Ray-Laufwerk verzichten. So kann die Xbox 360 zwar alle Spiele in 720p (1280 × 720 Bildpunkte progressive) wiedergeben, die DVD-Videos bleiben jedoch -- bis auf einige wenige WMV-HD-Scheiben -- bei der altbekannten PAL-Auflösung. Stattdessen setzen die Redmonder auf eine kabellose Vernetzung mit dem Heim-PC, von dem die Xbox 360 Filme und Musik empfangen kann -- kein anderer Anbieter hat ein solches Feature bisher konkret benannt.

Sonys Playstation 3 wird frühestens sechs Monate später, im zweiten Quartal 2006, erscheinen. Wer die bisherige Launch-Politik der Japaner kennt, wird froh sein, wenn es die Playstation 3 zum Weihnachtsfest 2006 nach Europa schafft. Doch so viel Zeit ist für die Interessenten auch nötig, müssen sie doch ihr Erspartes für einen adäquaten HD-fähigen Flachbildschirm -- oder auch zwei -- zusammenkratzen, wollen sie in den vollen Genuss des Rechenmonsters kommen. Klar sehen die Spiele auch auf einem Röhrenfernseher gut aus, vom eingebauten Blu-Ray-Laufwerk wird man mit diesem jedoch nicht profitieren. Um den Preis der Konsole nicht noch weiter in die Höhe zu treiben, hat Sony sich gegen den Einbau einer Festplatte entschieden. Diese kann genau wie bei der Playstation 2 nachgerüstet werden und wird vermutlich wie bisher allerdings auch kaum von einem Spiel genutzt.

Hohes Vertrauen in die Robustheit scheint Sony in die neuen Blu-Ray Discs zu haben, die von keiner Cartridge, sondern lediglich von einem absorbierenden Lack geschützt werden. Anders ließe sich die Entscheidung für ein Slot-in-Laufwerk nicht erklären, das bei vielen Anwendern dazu führen wird, auch die empfindliche Datenseite mit den Fingern zu berühren. Man darf auf eventuelle Abspielprobleme gespannt sein. Der Einbau des noch sehr teueren BD-Laufwerks ist jedoch einer der wichtigsten Trümpfe der PS3 -- kann sie sich so zur Multimedia-Zentrale im Hightech-Wohnzimmer mausern und nebenbei noch als Abspielgerät für hoch aufgelöste Filme dienen. Bei der Playstation 2 war dieser vermeintliche Nebenjob bei den DVDs in vielen Haushalten zu Hauptbeschäftigung geworden.

In puncto Performance hat Sony auf dem Papier recht deutlich die Krone der Xbox zurückerobert. Auflösungen von 1080p (1920 × 1080 Bildpunkten progressive), die jedes PS3-Spiel unterstützen sollen, nebst 128-Bit-Rendering lassen das Herz der zahlungskräftigen Multimedia-Fans höher schlagen. Wir wünschen der PS3 dabei, dass ihre Lüfter weniger lärmen als beim Vorgänger, was nicht ganz einfach werden dürfte. Microsoft hat derweil gegenüber der Xbox Besserung versprochen und mit einer kombinierten Wasser-Luft-Kühlung sich anscheinend auch einige Gedanken zu dem wichtigen Thema gemacht.

Die Redmonder wollen den technischen Rückstand mit besonders attraktiven Spielen wettmachen, die in einer zweiten Welle pünktlich zum PS3-Start anrollen sollen. Hoffentlich fallen den Spieledesignern bis dahin einige frische Ideen zu "Halo 3" ein, damit diese Episode nicht ein genauso uninspirierter Shooter wird wie Teil 2.

Konnte der Gamecube in der aktuellen Konsolen-Generation technisch noch einigermaßen auf Ballhöhe bleiben, droht die Revolution in der nächsten Runde auf der Strecke zu bleiben. Doch Nintendo ist zäh und konnte bereits von dem Nintendo DS trotz deutlicher technischer Unterlegenheit mehr Geräte absetzen als Sony von seiner PSP. Der Verzicht auf rohe Rechenleistung geht einher mit einem günstigeren Verkaufspreis. Zwar hat keiner der Hersteller diesen wichtigen Joker bisher ausgespielt, Analysten munkeln jedoch, dass die Xbox 360 sich bei der 300-Dollar-Marke ansiedeln wird, die Playstation 3 vielleicht sogar darüber. Das ist für viele Haushalte, die lediglich einen günstigen elektronischen Babysitter für ihre Kinder suchen -- der Eltern nicht mit brachialen Macho-Titeln verschreckt -- deutlich zu viel. Hier kann Nintendo nahezu ungestört mit der Revolution große Teile des Massenmarktes abgrasen, die in der nächsten Zeit nicht über die Anschaffung eines teueren HDTV-Bildschirms nachdenken. Wegen ihrer kleinen Maße eignet sich die Revolution darüber hinaus für den Betrieb am Zweitfernseher und lockt mit ihrem Retro-Titelangebot alte Zockernaturen vor den Bildschirm, die Mario und Zelda auch gerne in gröberen Auflösungen spielen.

Zu der nächsten Generation der Spielkonsolen von Microsoft, Sony und Nintendo siehe auch: