WIPO startet weitere Verhandlungen zum Schutz gegen "Signalpiraterie"

Bis Freitag will der Ständige Ausschuss der WIPO für Urheberrechte und verwandte Rechte den Broadcasting Treaty in eine endgültige Form bringen.

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Von
  • Monika Ermert

In Genf haben Vertreter internationaler Regierungen bei der World Intellectual Property Organisation (WIPO) heute ihre Verhandlungen zum WIPO Broadcasting Treaty gestartet. Bis Freitag soll der internationale Vertrag vom Ständigen Ausschuss der WIPO für Urheberrechte und verwandte Rechte (SCCR) in eine endgültige Form gebracht werden, um ihn der WIPO-Generalversammlung Ende September vorzulegen. Diese soll dann nach dem Willen der Befürworter rasch eine internationale Konferenz zur Unterzeichnung des Vertrages einberufen.

Der Vertrag soll Rundfunkunternehmen gegen "Signalpiraterie" schützen, also der von den Rundfunksendern beklagten Nutzung ihrer Ausstrahlungen ohne ihre Einwilligung und ohne ihre Kontrolle. Gegner, zu denen auch zahlreiche große Software- und Hardwarehersteller sowie Telekommunikationsfirmen in den USA gehören, warnten vergangene Woche davor, dass eine neue Klasse von Urheberrechten geschaffen werde. Der jetzt in Genf diskutierte Entwurf lasse auch einen weiter reichenden Schutz von gesendeten Inhalten zu. Teilweise ergäben sich Widersprüche zum bestehenden Urheberrecht. Auch manche klassische Rechteinhaber wie der Musikindustrie-Verband der Recording Industry of America (RIAA) betrachten den Vertrag daher laut US-Berichten mit Skepsis.

Die Unesco warf in ihrem Statement wieder die Mahnung von einer Balance zwischen den verschiedenen Rechteinhabern und der Öffentlichkeit in die Debatte. Dieses fundamentale Prinzip müsse stärker im Entwurf verankert werden, zumal viele Länder rechtlich, politisch und gesellschaftlich nicht gerüstet seien, solch ein ausbalanciertes System umzusetzen. Schrankenregelungen seien mit denen im Urheberrecht zu synchronisieren – US-Vertreter fürchteten etwa eine Aushöhlung des Fair Use – und bei technischen Schutzmaßnahmen (DRM) sei auf die Durchsetzung der Rechte für Berechtigte zu sorgen.

Eine aktuelle Stellungnahme (PDF-Datei) der EU, die die WIPO am Wochenende vor den Verhandlungen auf ihrer Website publiziert hat, plädiert demgegenüber für eng gefasste und lediglich als Option in den Vertrag aufgenommene Schrankenregelungen. "Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten möchten darauf hinweisen, dass es andere Möglichkeiten als Ausnahmen und Schrankenregelungen gibt, um den Zugang zu Kultur und Wissen zu ermöglichen", heißt es in der Stellungnahme. Mit Blick auf die Bibliotheken dürften etwa die Schrankenregelungen nicht den Online-Versand von Rundfunkinhalten umfassen. Die normale Vermarktung des Werkes dürfe nicht beeinträchtigt werden. Mit Blick auf die Durchsetzung von Schranken bei technisch geschützten Sendungen empfiehlt die EU Schlichter- und Mediationsverfahren oder eine behördliche Aufsicht.

Vom Tisch seien für die anstehenden Verhandlungen das Simulcasting und das Netcasting, sagte SCCR-Chef Liedes laut einem Bericht des Consumer Project of Technology (CPTech). Die USA, die sich für eine Gleichstellung von "Sendungen" im Internet stark gemacht hatte, hatte in einer nachgeschobenen Stellungnahme unterstrichen, es sei nie beabsichtigt gewesen, die normale Nutzung des Internets, also E-Mail, Blogs, Webseiten oder dergleichen, dem Vertrag zu unterwerfen. Es gehe lediglich um ein klassisches Programm, das übers Netz verteilt werde. CPTech-Experte James Love empfahl, sich für künftige Regelungen eher das Netz als Vorbild zu nehmen, anstatt den klassischen Rundfunk, dessen Rolle ohnehin weiter abnehmen werde. Europäische Rundfunkunternehmen, die sich nach wie vor für die Aufnahme von Simulcasting einsetzten, und US-Unternehmen wie Yahoo oder News Corp (Myspace.com), die Zugang zu Werken böten, an denen sie keine Urheberrechte hätten, hofften wohl auf wirtschaftliche Verwertungsrechte für "alles, was sie im Netz senden".

Ein heute veröffentlichtes Papier (PDF-Datei) des South Centre von Viviana Munoz Tellez und Andrew Chege Waitara fordert, Rundfunkunternehmen nicht mehr Rechte einzuräumen, als dies bereits in den Römischen Verträgen von 1961 vorgesehen sei. Die USA haben diese Verträge bis heute nicht unterzeichnet. Die ausführliche Studie empfiehlt außerdem, keine neuen Berechtigten durch einen Netcasting- oder Webcasting-Vertrag zu schaffen und die besondere Situation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu berücksichtigen. Die Schutzfrist solle außerdem auf 20 Jahre beschränkt werden.

Zum Broadcasting Treaty der WIPO siehe auch:

(Monika Ermert) / (anw)