22C3: "Grenzen des Informationsfreiheitsgesetzes ausloten"

Auf dem Hackerkongress warb der SPD-Medienexperte Jörg Tauss für eine intensive Nutzung der von Januar an geltenden Ansprüche auf Akteneinsicht auch in heiklen Fragen wie der CIA-Affäre.

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Der SPD-Medienexperte Jörg Tauss warb am gestrigen Mittwoch auf dem 22. Chaos Communication Congress (22C3) in Berlin dafür, dass die Bürger die von Januar an geltenden Ansprüche auf Akteneinsicht intensiv nutzen sollten. Sie seien dazu aufgefordert, "die Grenzen" des Anfang 2006 in Kraft tretenden Informationsfreiheitsgesetzes auszuloten. Tauss verwies dabei auch konkret auf mögliche Auskunftsersuchen zu heiklen Themen wie der Verstrickung der Bundesregierung in die CIA-Folteraffäre.

Die Bestimmung, die der Bundestag im Sommer gerade noch als letztes Gesetz der Schröder-Regierung verabschiedete und kurz darauf auch der Bundesrat mit Schützenhilfe der FDP absegnete, zieht zwar Grenzen bei den Informationsansprüchen – etwa zum Schutz "internationaler Beziehungen". Dass unter diese Klausel die CIA-Akten fallen könnten, hält Tauss aber für fraglich.

Der medienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion gelobte, beim Ausreizen des Gesetzes mit gutem Beispiel voranzugehen. "Ich will die Mautverträge sehen", kündigte er unter Applaus der Hackergemeinde an. Ein entsprechendes Auskunftsbegehren werde er gleich nach Neujahr als "ersten wunderbaren Testfall" für die Reichweite der Regelung stellen. Tauss, selbst langjähriges Mitglied beim Chaos Computer Club (CCC), könnte dabei jedoch auf Granit beißen: Seine Fraktion hat mit dafür plädiert, betriebs- und personenbezogene Daten sowie Geschäftsgeheimnisse vor der Neugier der Bürger oder der Konkurrenz zu schützen. Bezeichnenderweise hatte die Union, die gegen das Gesetz stimmte, bereits bei der 1. Lesung des Entwurfs die damalige Bundesregierung vergeblich aufgefordert, endlich die Verträge mit Toll Collect zur Lkw-Maut offen zu legen. Nun soll es die Große Koalition richten.

Ein weiterer Ausnahmekatalog schränkt den allgemeinen Anspruch der Bürger auf Zugang zu amtlichen Informationen von den Bundesbehörden weiter ein. Außen vor bleiben etwa militärische Belange, Bereiche der Inneren Sicherheit und der Nachrichtendienste, ein Großteil der Arbeit der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden sowie "Angelegenheiten der externen Finanzkontrolle". Tauss erinnerte aber an den bereits vor fünfundzwanzig Jahren begonnenen "langen Marsch" des Gesetzes durch den Bundestag und die immer wiederkehrenden massiven Widerstände aus der Ministerialbürokratie. Noch in der vorausgegangenen Legislaturperiode seien zuständige Beamte im eigentlich führenden Bundesinnenministerium plötzlich versetzt worden, womit die Entwicklung massiv behindert wurde. Erst nachdem die Fraktionen die Sache bei regelmäßigen Frühstückstreffen um acht Uhr morgens selbst in die Hand genommen hätten, habe die "Leidensgeschichte" langsam aber sicher ein Ende gefunden.

Das Ergebnis "hat mich sieben Jahre Nerven gekostet", blickte Tauss auf die Anstrengungen zurück. Dem SPD-Politiker ist klar, dass das Ergebnis nicht in allen Punkten dem entspricht, was sich die Befürworter erhofft hatten. So weicht es recht deutlich von den Vorgaben der Zivilgesellschaft ab. "Aber wir brauchten Mehrheiten", erläuterte er den Pragmatismus auf der Zielgeraden. "Lasst uns damit beginnen", forderte er die Hacker auf, die sich seit langem für mehr Informations- und Meinungsfreiheit einsetzen. Jetzt gelte es, die Praxistauglichkeit des Gesetzes zu beweisen. Gerade für Journalisten könnte das Gesetz eine wahre "Fundgrube" darstellen. Eine Überlastung der Verwaltung fürchtet Tauss nicht, diese könnten notfalls "die Sachen einfach ins Netz stellen und darauf verweisen". Bei Problemen sollten sich Bürger zunächst an den Bundesdatenschutzbeauftragten wenden, der künftig auch für die Wahrung der Informationsfreiheit zuständig ist. Sollten dessen Vermittlungsversuche scheitern, stünde der Rechtsweg offen. (Stefan Krempl) (nij)