Linux-Kernel 2.6.15 veröffentlicht

Knapp zwei Monate nach dem Kernel 2.6.14 hat Linus Torvalds mit 2.6.15 die nächste Version des Linux-Kernels zum Download freigegeben, die neben aktualisierten Treibern eine ganze Reihe von Neuerungen mitbringt.

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Von
  • Thorsten Leemhuis

Knapp zwei Monate nach dem Kernel 2.6.14 hat Linus Torvalds mit 2.6.15 die nächste Version des Linux-Kernels zum Download freigegeben. Sie steht über Kernel.org und dessen Mirror-Server zum Download bereit. Sämtliche Änderungen listet das ausführliche Changelog, einige der wichtigen das Kernelnewbies-Wiki.

Wie mit jeder größeren neuen Kernel-Version veränderten die Entwickler an praktisch allen Ecken und Enden des Kernels etwas und fügten einige neue Funktionen hinzu – so etwa die Shared Subtrees. Damit kann der System-Administrator detailierter festlegen, welche gemounteten Dateisysteme wo im Dateisystem auftauchen und welche Benutzer denn Zugriff auf sie hat.

Der verbesserte NTFS-Treiber hat ebenfalls Einzug gehalten und kann nun nicht mehr nur bestehende Dateien überschreiben, sondern auch deren Größe ändern – das ermöglicht etwa das Bearbeiten von Dokumenten mit einem Editor oder OpenOffice. Damit kommt der NTFS-Treiber der vollen Unterstützung für NTFS einen Schritt näher – das Anlegen und Löschen von Dateien und Verzeichnissen bleibt jedoch weiterhin auf der Wunschliste.

Die Alsa-Sound-Treiber sind auf dem Stand der Alsa-Version 1.10-rc3 angelangt und können unter anderem mit HD-Audio in neuen Nvidia-Chipsätzen umgehen; die alten Sound-Treiber OSS-Free, die beim Kernel 2.4 Standard waren, wollen die Entwickler in einer der nächsten Versionen entfernen. Die Video-4-Linux-2- und DVB-Subsysteme wurden stark überarbeitet. Einige Treiber unterstützen jetzt mehr Hardware als zuvor. Das alte Video-4-Linux-API wollen die Entwickler Mitte 2006 entfernen. Auch der bluetty-Treiber wurde entfernt. Entsprechende Funktionen sollten sich mit dem Bluetooth-Stack bluez realisieren lassen, auf den jedoch einige Closed-Source-Treiber wohl noch nicht umgestiegen sind.

Das im Kernel 2.6.14 aufgenommenen 802.11-Subsystem für verschiedene WLAN-Treiber wurde nochmals überarbeitet. Auch die Treiber für Intels in Centrino-Notebooks zu findende WLAN-Chips wurden auf neuere Versionen aktualisiert, die allerlei mit Kernel 2.6.14 aufgetretenen Probleme ausräumen dürften. Auch viele Netzwerktreiber wurden überarbeitet. Das IPTABLES-Framework zum Aufsetzen einer Firewall beherrscht jetzt auch stateful packet filtering bei IPv6. Zudem kann der Kernel nun mit Microsofts Point-to-Point Encryption (PPP MPPE) umgehen und ermöglicht so die Kommunikation von VPN-Servern mit Microsofts Point-to-Point Tunneling Protocol (PPTP).

CIFS zum Zugriff auf Windows- und Samba-Server soll nun schneller arbeiten und besser mit einem Standby/Suspend klarkommen. XFS unterstützt jetzt Write-Barriers; der Block-Layer wurde in vielen Teilen überarbeitet und aufgeräumt. Für einzelne Architekturen kam Quellcode hinzu, der Memory-Hotplug im Ansatz ermöglicht. Auf x64-Systemen unterstützt der Kernel nun eine zusätzliche DMA-Zone zur Hardware-Kommunikation. Die AGP-Treiber sollen in manchen Situationen schneller arbeiten und können mit dem ULi M1695 umgehen. Der Direct-Rendering-Manager (DRM) unterstützt mit dem neuen Kernel auch einige ATI Radeon mit PEG-Interface und die Framebuffer-Console kann ein Bild nun um 90, 180 oder 270 Grad gedreht ausgeben.

Die SATA-Treiber beherrschen jetzt CHS-Adressierung und ATA-Passthru; letzteres ermöglicht die Abfrage von SMART-Informationen mit den smartmontools. Die Treiber für Silicon-Image-SATA-Chipsätze wurden neu geschrieben und unterstützen auch den Silicon Image 3131/3531. Die IDE-Treiber des neuen Kernels können mit den Chipsatz des AMD Geode GX/LX und dem VIA VT6410 umgehen; zudem ermöglichen sie DMA-Zugriff für an VIAs neuer Southbridge VT8251 angeschlossene IDE-Festplatten. Die SCSI-Treiber qlogicisp und cpqfc wurden entfernt – eine Alternative für ersteren bringt der Kernel bereits mit, für letzteren befindet sich ein neuer Treiber in Entwicklung. Unterstützung von Open-iSCSI und die Kartenleser Omnikey Cardman 4000 und 4040 hingegen kamen hinzu.

Beim USB-Subsystem wurde die Unterstützung der Suspend-Modi verbessert. Das mit dem Windows-Ruhezustand vergleichbare Software-Suspend soll nun schneller arbeiten. Am Power-Management-API wurde ebenfalls geschraubt; mit diesen Änderungen kommt das Kernel-Module der aktuellen Closed-Source-Treiber von ATI nicht zurecht. Er funktioniert erst wenn man #include in der Datei agpgart_be.c des ATI-Kernel-Module-Wrappers hinzufügt und einen weiteren Patch einspielt. Ein Kernel gilt jetzt nicht mehr nur nach dem Laden von Closed-Source-Treibern als Tainted (verschmutzt, befleckt), sondern auch nach dem Einbinden des unter der GPL stehen Ndiswrappers. Viele Entwickler und Distributionen verweigern den Support bei als Tainted markierten Kerneln.

Das auf vielen modernen Systemen zum Einsatz kommende Udev sollte man laut ChangeLog mindestens auf Version 071 aktualisieren, damit es mit größeren Änderungen am Treiber-Model und SYSFS klarkommt. Die API-Änderungen waren unter anderem für Neuerungen am Input-Subsystem nötig. Notwendige Aktualisierungen der im Userspace direkt mit dem Kernel interagierenden Programme wie Udev kritisierten auf der Linux-Kernel-Mailingliste einige Entwickler. Sie forderten in einer längeren Diskussion die Einführung einer Kernelreihe, die ähnlich wie zuletzt der Kernel 2.4 gepflegt werden sollte: Neue Treiber und API-Änderungen etwa sollten erlaubt sein, größere Überarbeitungen, die etwa Updates im Userspace erforderlich machen würden, sollten hier jedoch draußen bleiben. Viele prominente Kernel-Entwickler sprachen sich gegen den Vorschlag aus – der Wartungsaufwand sei zu hoch. Früchte hat die Diskussion trotzdem getragen: Das Stable-Kernel-Team, das seit einigen Monaten aktiv ist und bisher die jeweils aktuelle Kernel-Version mit wichtigen Fehlerkorrekturen versorgt, hat erstmals nicht nur ein Update für den bisher aktuellen Kernel 2.6.14 veröffentlicht, sondern mit dem Kernel 2.6.13.5 auch eines für die Version davor vorgestellt und dabei eine Sicherheitslücke geschlossen.

Mit dem Horrorszenario "Linux in a binary world... a doomsday scenario" hat der ehemalige Verwalter der Red-Hat-Kernel Arjan van de Ven die Gefahren von Closed-Source-Treibern und einem stabilen API und ABI für den Kernel beschrieben und damit eine lange Diskussionen auf der Kernel-Mailingliste ausgelöst. Kontrovers debattierten die Entwickler auch wieder einmal die Reduzierung der Stack-Größe auf 4K. Das soll den Kernel-Overhead bei vielen Threads reduzieren – Red Hat/Fedora liefern schon seit langem so konfigurierte Kernel aus. Der Ndiswrapper kommt mit dieser Änderungen bei vielen WLAN-Treibern jedoch nicht zurecht, daher opponieren viele Anwender gegen diese Änderung.

Noch ist nicht absehbar, welche Neuerungen in die nächste Kernel-Version einziehen sollen – in einem neuen Howto beschreiben die Entwickler jetzt konkret, wie man am Kernel mitarbeitet. Der aktuelle mm-Entwicklerkernel von Andrew Morton enthält eine Vielzahl von Erweiterungen, die früher oder später in den Kernel einziehen sollen. Reiser4 und OSFS2 etwa warten hier schon seit längerem auf den Übergang, doch auch der als Warnschuss an die Closed-Source-Entwickler gedachte Patch von Greg Kroah-Hartman war kurze Zeit im mm-Kernel enthalten und machte so viele Closed-Source-Treiber unbrauchbar; er wurde aber aus den mm-Kerneln wieder entfernt.

Nach Kernel 2.6.15 dürfte aber wohl die Unterstützung der 1999 vorgestellten GCC 2.95 ein Ende haben – diese war trotz ihres Alters von einigen Entwicklern bisher bevorzugt worden, da die alte Version Quellcode schneller als aktuelle Compiler übersetzen soll. Nach einigen neu aufgekommenen Problemen haben die Programmierer jedoch durchblicken lassen, in Zukunft nur noch GCC 3.2 oder neuer zu unterstützten.

Die von Morton vor einigen Monaten angedeutete Verlangsamung der Kernel-Entwicklung war aber anscheinend sarkastisch gemeint – einen Blick auf die Änderungen in 2.6.15 und all die neuen Erweiterungen, die Entwickler derzeit auf der Kernel-Mailingliste zur Diskussion stellen, verdeutlicht das. Die Realtime-Patches, ein neues Mutex-Subsystem, High-resolution Timer und das Global File System (GFS) sind nur einige der Erweiterungen, die die Kernel-Entwickler derzeit zur Integration vorschlagen. (thl)