Softwarepatente: Experten stärken EU-Parlament den Rücken

Bei einer Anhörung im Rechtsausschuss empfahlen Sachverständige, die weit gefasste Richtlinienversion des EU-Rates einzugrenzen und Auswüchsen des Patentsystems entgegenzutreten.

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EU-Parlamentarier aus dem Rechtsausschuss sehen sich nach einer öffentlichen Anhörung am heutigen Montag in Brüssel gut gerüstet für die 2. Lesung der hart umkämpften Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" Anfang Juli. "Die Experten haben uns den Rücken gestärkt", erklärte Maria Berger, die für die Sozialdemokraten im Ausschuss sitzt, gegenüber heise online. "Alle haben empfohlen, eine genaue Definition in der Richtlinie vorzunehmen, was patentierbar ist und was nicht", betonte die Österreicherin. Die übereinstimmende Meinung sei auch gewesen, dass das TRIPS-Abkommen (Trade Related Intellectual Property Rights) der Welthandelsorganisation (WTO) keinen Patentschutz für Software an sich verlangt.

In jüngster Zeit hatten Softwarepatentbefürworter insbesondere aus der Großindustrie wiederholt behauptet, dass der Text der 1. Lesung des Parlaments sowie die auf dem Tisch liegenden Änderungsanträge für die 2. Runde mit der internationalen Vereinbarung nicht kompatibel sei. Aus TRIPS könne man tatsächlich viel herauslesen, weiß das grüne Rechtausschussmitglied Eva Lichtenberger. Dem Parlament komme daher aber gerade die entscheidende Rolle zu, die künftige Lesweise des Abkommens mit zu beeinflussen.

Einige Klarstellungen für die Parlamentsversion brachte unter anderem Reto Hilty, Direktor des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum, ins Spiel. Demnach sollten die Abgeordneten den für eine Patentierung erforderlichen und am heftigsten diskutierten "technischen Beitrag" genauer fassen, um den Interpretationsraum des Europäischen Patentamtes einzuschränken. Geliefert werden müsste laut Hilty von einer schützenswerten computergestützten Erfindung "eine neue lehrende Erkenntnis über die kausalbedingten Beziehungen bei der Nutzung kontrollierbarer Naturkräfte zum Erzielen eines vorhersagbaren Ergebnisses".

Patente etwa auch auf Verfahrensweisen würden damit zwar zunächst prinzipiell möglich, da letztlich eine Einsicht in physikalische Wirkungen gefordert wird. Um eine "exzessive Patentierungspraxis" aber zu verhindern, schlägt Hilty ähnlich wie bei biotechnologischen Erfindungen vor, dass nur Beiträge zu einer ganz spezifischen Anwendung oder Funktion geschützt werden dürfen. Ferner sollte nach Ansicht des Professors "in machen Fällen" die Herausgabe des entsprechenden Quellcodes Bedingung für die Gewährung eines Patentes sein, um den allgemeinen Veröffentlichungspflichten zu genügen. Laut Hilty soll ferner ein Computerprogramm keine patentierbare Erfindung darstellen, wenn es allein den Einsatz eines Rechners, Netzwerks oder eines programmierbaren Apparates einschließt und jenseits der normalen Interaktionen zwischen diesen Komponenten keinen technischen Effekt hat.

Für Lichtenberger kommt es jetzt darauf an, dass sich die Parlamentarier mit der Masse der 216 Änderungsanträge (PDF) "nicht gegenseitig aus dem Feld werfen". Zu kurz gekommen sind ihr in der Debatte noch die Verbraucherrechte. Die Interoperabilität und Kompatibilität müsse gewährleistet werden, da die Nutzer sonst nicht unterschiedliche Geräte und Programme kombinieren könnten. Dazu bedürfe es gemeinsamer Schnittstellen. "Gerade hier haben große Hersteller wie Microsoft einen Weg entdeckt, um ihre dominante Marktposition zu vergrößern", warnt die Österreicherin vor einer Stärkung dieser Praktiken durch einen zu weiten Patentschutz. Auch für den Mittelstand stelle dies eine Bedrohung dar.

Auch der Ausschuss der Ständigen Vertretungen der EU-Mitgliedstaaten (Coreper), der die Sitzungen des EU-Rates vorbereitet, beschäftigt sich seit Freitag wieder mit dem heißen Eisen. Die Regierungsvertreter haben eine Prüfung der Parlamentseingaben zu ihrer eigenen Richtlinienversion in Angriff genommen, die sie im März nur mit einer Gewalt-Tour über die Runden brachten. Die Luxemburger Präsidentschaft geht demnach davon aus, dass die Abgeordneten das Konstrukt des Ministergremiums ablehnen und es zu einer Vermittlungsrunde nach der 2. Lesung kommt. Sie könnte sich aber auch für einen inoffiziellen Annäherungsversuch an den Rechtsausschuss vor der Abstimmung rüsten wollen.

Zu einer Demonstration gegen das "Trojanische Pferd" der Ratslinie rufen derweil für den 2. Juni die belgische Association Electronique Libre und OpenStandaarden nach Brüssel. Unterstützt wird die Aktion, die von einer Webdemo mit Bannern begleitet werden soll, unter anderem vom Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) sowie den Grünen. Mitorganisator Mark Vandenborre hofft auf eine "Mobilisierung quer durch ganz Europa, damit die Patentlobby nicht mit ihrer Desinformationskampagne Erfolg hat."

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (anw)