HP-Chef Hurd war offenbar über Bespitzelungen im Bilde

Im Skandal um die Bespitzelung von Mitarbeitern und Journalisten kommen eine Woche vor einer Anhörung vor dem Kongress weiter neue Details ans Tageslicht. Auch CEO Mark Hurd soll von den Vorgängen gewusst haben.

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Im HP-Skandal um die Bespitzelung von Mitarbeitern und Journalisten kommen eine Woche vor einer Anhörung vor einem Untersuchungsausschuss des US-Repräsentantenhauses weiter neue und teilweise bizarre Details ans Tageslicht. Immer noch besteht keine endgültige Klarheit, wie genau das Top-Management des Computerkonzerns von den Ermittlungsmethoden Kenntnis hatte. Allerdings verdichten sich die Hinweise, dass die Aufsichtsratsvorsitzende Patrica Dunn und andere Mitglieder der Führungsebene die Vorgänge koordiniert oder zumindest eng verfolgt haben. Auch CEO Mark Hurd wusste offenbar schon früh von der Untersuchung.

Im Frühjahr 2005 hatte die damalige CEO Carly Fiorina die erste Untersuchung eines möglichen Informationslecks im Aufsichtsrat initiiert. Nach Fiorinas Abtritt hatte Dunn die Operation unter dem Namen "Kona" noch bis zum Sommer weitergeführt. Als CNet News im Januar 2006 einen Artikel über die langfristige Strategie des Unternehmens veröffentlichte, ging HP erneut auf die Suche, diesmal nach der Quelle der Reporterin Dawn Kawamoto. Die "Kona II" getaufte Operation wurde nach bisherigen Berichten von Kevin Hunsaker, HPs oberstem Ethikbeauftragten aus der Rechtsabteilung, kontrolliert. Nach übereinstimmender Darstellung in US-Zeitungen koordinierte der HP-Manager Anthony Gentilucci von Boston aus den Einsatz der externen Ermittler über die Firma Security Outsourcing Solutions. Deren Inhaber, Ronald de Lia, berichtete offenbar direkt an Hunsaker, Gentilucci und weitere Mitglieder des Managements.

Interne E-Mails, die verschiedenen US-Zeitungen vorliegen, weisen den Berichten zufolge auch darauf hin, dass Dunn von Hunsaker direkt über die laufenden Entwicklungen informiert wurde. Der Austausch zwischen Dunn und Hunsaker bringt nun auch CEO Mark Hurd ins Spiel, der bisher nicht in den Strudel der unappetitlichen Affäre geraten war. Die Washington Post bezieht sich auf E-Mails, in denen Dunn und Hunsaker die Ermittlungen gegen CNet-News-Reporterin Dawn Kawamoto erörtern. Die Ermittler wollten Kawamoto mit falschen Informationen über ein angeblich neues Handheld-Gerät füttern und ihr eine Software per E-Mail schicken, die Informationen über eine mögliche Weitergabe des Materials zurückliefern sollte. "Kevin, das ist sehr clever", schrieb Dunn laut Washington Post am 22. Februar 2006. "Natürlich sollte alles, was möglicherweise außerhalb von HP gesehen werden kann, Marks Einwilligung haben". Einen Tag später antwortete Hunsaker: "Ich habe mit Mark vor ein paar Minuten gesprochen, und er ist mit Konzept und Inhalt einverstanden." Noch ist nicht geklärt, ob diese Aktion gegen Gesetze verstoßen hat. Hurd will sich am morgigen Freitag in einer Pressekonferenz zu der Angelegenheit äußern.

Auch wer genau die Telefondaten der Bespitzelten beschafft hat, ist weiterhin nicht völlig geklärt. Indizien weisen laut US-Zeitungsberichten auf eine von de Lia beauftragte Firma in Florida und einen mit ihr in Verbindung stehenden Privatdetektiv aus Omaha hin. Die Ermittler hatten sich unter Angabe einer falschen Identität und der entsprechenden Sozialversicherungsnummern Zugang zu den bei Telefongesellschaften gespeicherten Gesprächsnachweisen von Aufsichtsratsmitgliedern, Journalisten und HP-Mitarbeitern verschafft. Zudem wurden einzelne Aufsichtsratsmitglieder und Journalisten von den Ermittlern beschattet.

Auf der Führungsebene waren den Berichten zufolge außer Hunsaker und Dunn weitere Mitglieder des Managements über die Vorgänge informiert. Danach wurden auch Zweifel an der Legalität der Vorgehensweise laut. Hunsaker soll nach einem Bericht der New York Times bei Gentilucci angefragt haben, wie de Lia in den Besitz der Telefondaten komme und ob das legal sei. De Lia habe darauf hingewiesen, dass mit "einigen Tricks" gearbeitet werde, das Vorgehen sei an der Grenze, aber legal. "Ich hätte nicht fragen sollen", zitiert die Zeitung Gentiluccis Antwort.

Mittlerweile geht es in der Affäre nicht mehr nur um das "Pretexting", wie die Vorgabe falscher Identität zur Erlangung bestimmter Informationen genannt wird. Denn offenbar haben die Ermittler auch andere Vorgehensweisen erwogen. So sollen sie vorgeschlagen haben, Spitzel als Bürohilfen oder Reinigungspersonal getarnt in die Redaktionen von CNet News und des Wall Street Journal einzuschleusen. Hunsaker soll auch überlegt haben, die Inhalte der SMS des verdächtigten Aufsichtsrates George Keyworth zu besorgen, davon aber wieder abgerückt sein, nachdem Fred Adler, ein Manager für Computersicherheit, auf die Schwierigkeit und Illegalität dieses Unterfangens hingewiesen habe.

Gleichzeitig wird die Liste der HP-Manager und anderer Beteiligter, die vor dem Untersuchungsausschuss aussagen sollen, immer länger. Neben Aufsichtsratschefin Patricia Dunn, der Chefjuristin Ann Baskins und dem externen Rechtsanwalt Larry Sonsini sollen nun auch Gentilucci, de Lia sowie Hunsaker und Adler aussagen. Dunn, Baskins und Sonsini hatten bereits Bereitschaft signalisiert, vor dem Ausschuss zu erscheinen. De Lia kündigte an, er werde gegebenenfalls von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Auch die Staatsanwaltschaft in Kalifornien ermittelt weiter, hat aber noch keine Anklage erhoben.

Unterdessen bewahrt sich Dunn ihren Humor. Bei einer Gala anlässlich ihrer Aufnahme in die Bay Area Business Hall of Fame sagte Dunn, die bereits ihren Rücktritt angekündigt hatte, sie sei sich der Ironie, zu diesem Zeitpunkt geehrt zu werden, durchaus bewusst. Sie freue sich darauf, in Zukunft einige Dinge klarstellen zu können. In der Zwischenzeit könne der Papst aber ruhig noch ein paar kontroverse Bemerkungen machen, um die Presse zu beschäftigen.

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