e-miglia Tag 3: Als wir durch die Hölle gingen
Der Leaf schafft 50 km normales Autotempo bergauf. Am dritten Tag der e-miglia ging es über 100 km lang bergauf, was zu Schleichexzessen führte, wie sie die Welt hoffentlich nie wieder sehen muss. Survival im Nissan Leaf.
Stuttgart, 27. August 2012 – 100 km bergab fahren ist die eine Sache, selbst mit Hochalpenstraßensonderprüfung vorher. 100 km bergauf nach St. Moritz fahren ist eine völlig andere, und ich war mir sicher, dass der Leaf das nur mit extremer Kriecherei schafft. Wenigstens baute mich die morgendlich aktualisierte Rangliste auf. Eine Frau entschuldigte sich für die 300 Strafminuten und ein Mief stand mit über 18 StrafSTUNDEN auf unserem vormaligen Piratenplatz in der Liste. Was hatte der Fahrer getan? Einen Bauernhof wegen Strom überfallen, das Gebäude geschleift, die Töchter geschändet? Vielleicht lag es auch an seinem Team-Namen, vielleicht war "Presse" doch schlimmer als "Talisker".
Dann jedoch begann das Böse. Wir verfuhren uns auf der Anfahrt zur Special Stage. Die wiederum bestand aus einer engen kleinen Strecke, was zusammen mit der Hitze dazu führte, dass die Akkus einen großen Teil ihrer Energie in sich selbst verschwendeten. Das Herunterrekuperieren brachte allen fast nichts, und auf der 4,5-stündigen Mittagspause wären fast die Kabelverteiler vom Dieselaggregat verschmort, dann wären alle dort gestrandet. Zu tun gab es: nichts. Feiertag. Toter Ort. Man hätte spazieren gehen können. Wenn man einen Hitzeschock gewollt hätte. Team Breitreifen-Leaf hatte gänzlich die Lust verloren, suchte Routen zurück nach Österreich, wo ihr Anhänger stand. Wir warteten weiter auf den Nachmittag, wie Verurteilte auf den Galgen warten, wenn sie sonst keine Hoffnung haben.
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Der dritte Tag der e-miglia führte durchgängig bergauf von Bozen nach St. Moritz. Wenn Sie bei diesem Satz noch kein Grauen spüren, fahren Sie die Strecke mal elektrisch.
Das Schöne am Galgen ist ja, dass er schnell vorbei ist. Das hat er 100 km bergauf fahren mit schwachbatterüstigen Elektroautos wirklich voraus. Es gab dagegen nichts Schönes an diesem Nachmittag. Schon morgens in der Früh zog die Karawane mit 45 km/h über die Schnellstraße (nur ich schämte mich zu sehr und fuhr wieder die Nebenstrecke). Das erzeugte ein sehr verständliches Hupkonzert, wie es selbst Italien in dieser Wut selten sieht. Die Karawane legte nachmittags nach. In der Sommerhitze den (im Prinzip flüssig schnellen) Ofenpass mit 25 km/h fahren ohne Klimaanlage oder Energie ist eine Erfahrung, die ich meinen ärgsten Feinden nicht wünsche. Ich möchte über den Großteil des Tages den gnädigen Mantel des Schweigens decken und nur sagen: Wir kamen an, genauso wie sich (noch später) zwei der drei Miefs auf den letzten Funken ins Ziel schleppten. Ich drückte ihnen umgehend meine ehrliche Anerkennung für diesen Survival Trip aus. Der dritte Mief ("Presse") lag irgendwo am Kabel oder brandschatzte wieder, man wusste es nicht.