Regulierung der Telekommunikation in der EU auf dem Prüfstand
Nachbesserungsbedarf bei der EU-weiten Regulierung für die Telekommunikationsmärkte gibt es, darüber sind sich alle Betroffenen und Beteiligten einig.
In Brüssel fand am gestrigen Dienstag die erste Anhörung zur Überprüfung und möglichen Neufassung der Rahmenrichtlinie für elektronische Kommunikation und Services statt. Weg von Doppelregulierung und Mikromanagement, fordern die einen, unter ihnen etwa die auf ihr schönes neues Netz schielende Deutsche Telekom. Jetzt den Telekommunikationsmarkt zu deregulieren würde nur den marktbeherrschenden Unternehmen in die Hände spielen, sagen dagegen Telekom-Konkurrenten wie Arcor. Die Mehrzahl der Unternehmen hält eine Neuregulierung für verfrüht, da in den Mitgliedsstaaten der bisherige Rechtsrahmen kaum umgesetzt sei. Vor allem bei den geforderten Analysen zur Situation in den unterschiedlichen Teilmärkten hapere es. Ob der EU-Kommission im Bereich der Marktaufsicht mehr Kompetenz übertragen werden soll, wie generell in Umsetzungsfragen, steht ebenfalls zur Debatte.
Nachbesserungsbedarf gibt es, darüber sind sich alle Betroffenen und Beteiligten einig. Man dürfe bei den Veränderungen allerdings nicht den Überblick verlieren über andere Initiativen des europäischen Gesetzgebers, sagt Simon Hicks vom britischen Department of Trade und Industry (DTI). Wäre man wirklich sehr ehrgeizig, dann würde man auf die eine oder andere Richtlinie verzichten. "Mit etwas Glück werden wir vielleicht gar keine Richtlinie über audiovisuelle Inhalte bekommen", kommentierte Hicks. Ein Problem sieht er wie auch viele Anbieter darin, dass man gleich unter mehrere, überlappende Regulierungen falle, etwa unter Telekommunikationsrichtlinie sowie gleichzeitig E-Commerce-Richtlinie oder die Regelungen zu audiovisuellen Inhalten. Auch beim Thema Interoperabilität – bei dem die weitere Zuständigkeit für die Kommission zur Debatte steht – mangelt es an Eindeutigkeit. IBM-Vertreter Chris Francis sagte: "Wenn etwas nicht interoperabel ist, können wir es laut Urheberrecht durch reverse engineering anpassen, das Patentgesetz erlaubt das aber nicht, und unter der Telekommunikationsrahmenrichtlinie hat man noch andere Verpflichtungen.
Die Rolle und die damit verbundene Verpflichtung für die Anbieter müsste klarer sein, meint auch Hicks. "Rechtliche Sicherheit, wirtschaftliche Sicherheit, Investitionssicherheit – das ist es doch, was wir wollen für die Player, die in unserem Markt investieren." Man dürfe sich nicht täuschen: Die Anbieter überlegten sich sehr wohl, wie sie durch Veränderungen ihrer Dienste dem aus ihrer Sicht angenehmeren Regulierungsregime zugeordnet werden könnten. Erschwert werde das Ganze durch den raschen technologischen Fortschritt und das Entstehen neuer und hybrider Dienste.
Eine eindeutige Klassifizierung von Anbietern und Diensten sei schwer, aber unerlässlich. Rudolf van der Berg von der für Telekomfragen zuständigen Abteilung des niederländischen Wirtschaftsministeriums sagte: "Wir brauchen eine Klarstellung, wer ein elektronischer Kommunikationsanbieter oder Servicedienstleister ist. Gehören Webmailanbieter zum Beispiel dazu?" Die vorläufige niederländische Antwort heißt "vielleicht", in anderen EU-Staaten, erklärte van der Berg, laute sie vorerst "nein". "Spätestens für die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung sollte man das wissen." Das Thema Vorratsdatenspeicherung ist laut Michael Bartholomew, dem Direktor des Verbandes European Telecommunication Network Operators (ETNO), ohnehin ein Beispiel widersprüchlicher Regulierung. "Die Datenschutzrichtlinie verlangt, dass wir nichts behalten, was wir nicht für Abrechnung oder aus Sicherheitsgründen brauchen. Nach den Bestimmungen der Vorratsdatenspeicherung werden wir zur Aufbewahrung verpflichtet. Dazu hätten wir schon noch gerne eine Klarstellung."
Mit Blick auf den Verbraucherschutz forderte die irische Regierungsvertreterin dringend, die Roamingkosten mit in die Überlegungen zu nehmen. Und van der Berg empfahl, mit Blick auf die Interoperabilität zu überlegen, ob die Aufsicht etwas gegen so genannte Walled Gardes tun solle, also spezielle Systeme zur Kontrolle des Kundenzugangs auf Inhalte und -Dienste, die etwa auch das Aussperren von Voice-over-IP in bestimmten Netzen ermöglichen. Verbraucherschützer brachten das Thema Spam aufs Tapet.
Was letztlich den Weg in die Neufassung der Richtlinie zur Telekommunikationsregulierung findet, ist noch nicht klar. Nach den Aussagen der Kommission werden die beiden Generaldirektionen Informationsgesellschaft und Wettbewerb Änderungsvorschläge für den Telekommunikationsregulierungsrahmen und für die Leitlinien der Kommission zu Marktanalysen und Marktmacht erarbeiten. Nach der für Juni geplanten Veröffentlichung soll es dann noch einmal eine große Anhörungsphase im Sommer geben.
Siehe dazu auch:
- Neue EU-Ratspräsidentschaft: Überprüfung des TK-Rechtsrahmens und Spam
- EU-Kommission plant neuen Telecom-Rechtsrahmen
- Bundesnetzagentur legt Analysen zum Telekommunikationsmarkt vor
- Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten in der Telekommunikation
(Monika Ermert) / (jk)