Neue Schlappe für Abmahnanwalt der Musikindustrie

Das Amtsgericht Hamburg-Altona hat die auf Urheberrechtsfragen spezialisierte Kanzlei Rasch dazu verurteilt, einem zu Unrecht ins Visier der Filesharing-Fahnder geratenen Nutzer die Anwaltskosten zu ersetzen.

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Das Amtsgericht Hamburg-Altona hat die auf Urheberrechtsfragen spezialisierte Kanzlei Rasch aus der Hansestadt dazu verurteilt, einem zu Unrecht ins Visier der Filesharing-Fahnder geratenen Nutzer die Anwaltskosten für den juristischen Streit zwischen beiden Parteien zu ersetzen. Geklagt hatte laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung die Anwältin des Abgemahnten, Karin Klatt. Amtsrichter Kay Schulz stellte in dem jetzt bekannt gewordenen Urteil vom 11. Dezember klar (Az.: 316 C 127/07), dass Rasch seinen anwaltlichen Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen sei und daher die Kosten der Gegenseite übernehmen müsse. Zudem betonte der Richter, dass eine auf einem Standardschreiben basierende Abmahnung eine erhebliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen darstelle. Klatt prüft daher Möglichkeiten, ihrem Mandanten weitere Ansprüche auf Schadensersatz zu eröffnen.

Rasch und seine Detektive bei der auf Tauschbörsen spezialisierten proMedia GmbH gehen im Auftrag der Musikindustrie seit über einem Jahr verstärkt gegen illegales Filesharing vor. Der Anwalt hat nach eigenen Angaben allein im ersten Halbjahr 2007 rund 26.000 Strafanzeigen wegen rechtswidriger Angebote geschützter Songs via Peer-to-Peer-Netzwerken (P2P) an Staatsanwaltschaften verschickt. In dem vor dem Amtsgericht behandelten Fall handelte es sich um ein parallel zu einem Hinweis an die Strafverfolger auch an einen Surfer adressiertes standardisiertes Abmahnschreiben wegen 696 illegal weiterverbreiteter Musikdateien. Neben der Unterlassungserklärung enthielt der Brief eine pauschale Schadenersatzforderung von mehreren tausend Euro als Vergleichsbetrag und den Hinweis, dass ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft Dortmund bereits eingeleitet sei. Dazu kam die Drohung, dass der Abgemahnte bei Nichtabgabe der Erklärung auch die Anwaltskosten in Höhe mehrerer zehntausend Euro tragen müsse.

Wie in einem anderen gerichtlich bekannt gewordenen Fall traf die saftige Abmahnung aber nachweislich den Falschen. Ähnlich wie bei dem in Stuttgart verhandelten Vorkommnis hatte der Provider des Abgemahnten einen Zahlendreher in die IP-Adresse eingebaut, als er diese an die Staatsanwaltschaft weitergab. Die ursprünglich von der proMedia ermittelte Netzkennung bezog sich somit auf einen ganz anderen Nutzer. Die Dortmunder Strafverfolger stellten daraufhin das Verfahren ein. Klatt forderte daraufhin ihrerseits die Kanzlei Rasch auf, alle Ansprüche fallen zu lassen und die bislang entstandenen Anwaltskosten des Betroffenen zu übernehmen. Doch diese lehnte einmal mehr ab, sodass es zur Klage kam.

Amtsrichter Schulz moniert in seinem Urteil, dass die Kanzlei Rasch den Zahlendreher im Briefverkehr mit der Staatsanwaltschaft nicht bemerkt habe. Auch dieser las er die Leviten: Die Weitergabe der hinter der IP-Adresse stehenden Personendaten an den Rechtsanwalt sei rechtswidrig gewesen. Die Strafprozessordnung lasse einen solchen Transfer personenbezogener Informationen durch die Strafverfolger nicht zu.

Klatt hält das Urteil, gegen das Rasch noch Berufung einlegen kann, daher für richtungsweisend: Damit werde deutlich, dass im Falle eines Abmahnschreibens der Musikindustrie den Forderungen der Anwälte nicht immer nachzukommen sei. Bei einem gesetzestreuen Verhalten der Verbraucher könne auch die Abwehr der unberechtigten Forderungen gelingen. Die Anwältin überlegt, ob nun ein Vorgehen gegen das Land Nordrhein-Westfalen aufgrund der Handlungen der einbezogenen dortigen Staatsanwaltschaft sinnvoll sei. Ferner könnten im Zuge der Dienstaufsicht Maßnahmen gegen die Strafverfolger eingeleitet werden. Auch die enge Zusammenarbeit zwischen der Polizei und der Kanzlei Rasch erscheint mit dem Urteil in einem anderen Licht.

Von Rechtsexperten wird seit längerem beklagt, dass die Abmahnmaschinerie der Musikindustrie zu weit geht. So würden Strafverfolger bei der Abfrage von Nutzerdaten verstärkt Gerichte umgehen und sich direkt an Internetprovider wenden. Die Labels und ihre Fahnder hätten es geschafft, die Staatsanwaltschaften perfekt zu instrumentalisieren, lautet der Vorwurf. Es seien "Super-Schnittstellen" für die Rechteinhaber geschaffen worden. Hintergrund ist, dass manche Gerichte die Herausgabe von Personendaten zu IP-Adressen verweigern, wenn sie nur Bagatellverstöße ins Feld geführt sehen.

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(Stefan Krempl) / (jk)