Die Internet-Verwaltung und die Netzpolitik: Machtfrage ungelöst

Der Auseinandersetzung um die Machtverteilung im Netz und die Kontrolle über das DNS und die Internet-Verwaltung ICANN geht in die nächste Runde.

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Von
  • Monika Ermert

Der Auseinandersetzung um die Machtverteilung im Netz geht in die nächste Runde. Eine direktere Einflussnahme aller Regierungen und nicht allein der USA forderte Michael Leibrandt vom Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi). Dort, wo öffentliche Interessen berührt sind, sollten alle Regierungen mitentscheiden, betonte er beim Domainpulse-Treffen der deutschsprachigen Domain-Registries DeNIC, Switch und Nic.at. Leibrandt nannte die aktuelle Beraterrolle, die Regierungsvertretern innerhalb der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) zugestanden wird, eine "Umleitung". Es sei besser, die Bereiche Regulierung, Standardisierung und Entwicklungsfragen als Hauptaufgabenbereiche der ICANN zu etablieren. Statt der Arbeit innerhalb der verschiedenen Interessensvertreter-Gruppen solle dann in diesen Bereichen Regierungen und Wirtschaft zusammenarbeiten.

Eben diesen Vorschlag hat die deutsche Regierung in der auch im Rahmen der Debatte um den Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) bei der International Telecommunication Union (ITU) vorgelegt. Darin wird der ITU eine größere Rolle bei der Nachbereitung des Weltgipfels und der Fortführung der WSIS-Ziele zugewiesen. Auch eine mögliche Übernahme des Sekretariats des ICANN-Regierungsbeirats GAC durch die ITU hält die Bundesregierung aus Kostengründen für denkbar. Zudem wird das Thema Aufsicht über die DNS-Rootzone und Aufsicht über ICANN, die derzeit immer noch bei der US-Regierung liegen, wieder auf die Tagesordnung gesetzt.

Entgegen anderslautender Interpretationen, meinte Leibrand in Berlin, spreche der in den WSIS-Abschlussdokumenten vorgesehene "Public Policy Development Process" die beiden "bösen Worte" klar an. Sowohl Leibrandt als auch sein österreichischer Kollege Christian Singer vom Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, der in Berlin auch für die EU Ratspräsidentschaft sprach, betonten jedoch auch, alles gemeinsam mit den US-Kollegen angehen zu wollen. Die hatten nach dem WSIS das Thema Aufsicht für erledigt erklärt.

Die Vorschläge der EU zur "verbesserten Zusammenarbeit" im Bereich Netzverwaltung und zu dem demnächst startenden Internet Governance Forum (IGF) seien gründlich missverstanden worden, meinte Singer. Damit, dass man von Regierungszusammenarbeit gesprochen habe, habe man große Ängste hervorgerufen. Die EU sei aber bei der Frage, wie die "verbesserte Zusammenarbeit" ganz konkret gestaltet werden sollen, noch ganz am Anfang.

Bedenken angesichts der deutschen Position äußerten in Berlin Vertreter der Branche. Die DeNIC-Chefin Sabine Dolderer fragte nach einem versteckten Paradigmenwechsel: "Wir dachten, es geht eigentlich darum, die Sonderrolle der USA zu Gunsten eines Beteiligungsmodells für alle aufzugeben. Jetzt sieht es so aus, als sollten stattdessen die Regierungen insgesamt eine stärkere Rolle bekommen." ICANN-Direktor und Ex-Telekom-Vorstand Hagen Hultzsch warnte vor möglichen negativen Konsequenzen allzu großer staatlicher Einmischung. "Auf Geheiß der Regierungen sollten wir in der Frühphase des Internet einmal X.25 und OSI nutzen und haben dabei enorme Ressourcen vergeudet, anstatt uns darauf zu konzentrieren, was die Kunden wollen."

Leibrandt nannte demgegenüber die Telekommunikationsunternehmen die einstmals größten Feinde des Internet, die sich nun als Gralshüter aufspielten: "Es stimmt so aber einfach nicht, dass das Internet ein Kind des privaten Sektors ist." Auch die Aussage, dass die Industrieselbstverwaltung Demokratie und Freiheit bedeute, sei falsch. "Wer spricht denn mit der Regierung von China über Menschenrechte, die Unternehmen sind es nicht", kommentierte er lapidar. Dass das Internet und auch ICANN funktionierten und daher keine Änderungen notwendig seien, konterte Leibrandt mit dem Hinweis, das Internet funktioniere vor allem deshalb gut, weil Tausende von Einzelakteuren zusammenarbeiteten. ICANN müsse sich dagegen fragen lassen, ob es tatsächlich alle Betroffenen ausreichend beteilige, von unten nach oben durchlässig sei und dabei auch kosteneffektiv. Ihm komme die Organisation aber doch eher wie eine "Mischung aus einer ausgelagerten Regulierungsbehörde und einem Industrieverband" vor, der dabei vor allem US-Interessen vertrete.

Die Debatte über die globale Netzverwaltung hat sicherlich gerade erst begonnen, sagte Markus Kummer, Schweizer Diplomat, der für die UN gerade die Vorbereitungen für die erste Zusammenkunft des Internet Governance Forum trifft. Das soll sich dann nicht nur über die künftige Zusammenarbeit in der Netzpolitik verständigen, sondern über viele Themen einschließlich dem zentralen entwicklungspolitischen Projekt des WSIS: mehr Zugang zu den Netzen. Neben der Aussicht auf einen schnellen Konsens fehlt dazu aber das nötige Geld. Selbst für seine Vorbereitungen zum Internet Governance Forum ist Kummer auf Finanzspritzen angewiesen. Im deutschen ITU-WSIS-Dokument heißt es aber schon deutlich, Deutschland könne keiner Reform des ICANN-Regierungsbeirats zustimmen, die mit Kosten verbunden sei. Mehr Einfluss ja, mehr Kohle nein, lautet die Devise.

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(Monika Ermert) / (jk)