US-Verlegerlobby mobilisiert gegen Open Access

Die Association of American Publishers hat einen neuen Anlauf gestartet, den freien Zugang zu Forschungsveröffentlichungen ("Open-Access") als Gefährdung des wissenschaftlichen Publikationswesens zu diskreditieren.

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Von
  • Richard Sietmann

Im Vorfeld der Entscheidung des US-Senats über den Haushalt der staatlichen Gesundheitsbehörde National Institutes of Health (NIH) hat die Association of American Publishers (AAP) einen neuen Anlauf gestartet, den freien Zugang zu Forschungsveröffentlichungen ("Open-Access") als Gefährdung des wissenschaftlichen Publikationswesens zu diskreditieren.

Das Haushaltsgesetz für 2008, dem das Repräsentantenhaus bereits im Juli zustimmte, weist das NIH an, künftig die Ergebnisse von Forschungen, die ganz oder teilweise mit öffentlichen Geldern durchgeführt wurden, spätestens zwölf Monate nach ihrer Veröffentlichung kostenlos online zugänglich zu machen. Wie schon einmal vor drei Jahren hatten sich erneut 26 Nobelpreisträger in einem Offenen Brief an den Kongress für die jetzt gefundene Regelung stark gemacht.

Im Gegenzug startete die Verlegerlobby Ende August eine PR-Kampagne unter dem Titel "Partnership for Research Integrity in Science and Medicine" (PRISM). Mit der möchte sie eigenen Angaben zufolge Politiker und Bürger über angeblich drohende Qualitätsverluste und "die sehr realen Gefahren für das Peer Review durch Eingriffe der schlecht beratenen Regierung" aufklären. "Nur indem wir die Integrität des Begutachtungswesens bewahren, können wir sicherstellen, daß die naturwissenschaftliche und medizinische Forschung exakt, verbürgt, frei von Manipulation und Zensur, und von Scharlatanerie unterscheidbar bleibt", erklärte die AAP-Präsidentin Patricia Schroeder zum Auftakt der Kampagne.

Nicht nur bei Wissenschaftlern stößt die Tonart der Kampagne auf Empörung. Tom Wilson, emeritierter Professor für Informationstechnik an der University of Sheffield, empfahl seinen Kollegen, sich aus den Herausgeber-Beiräten der Zeitschriften jener Verlage zurückzuziehen, die PRISM unterstützen; er selbst ging gleich voran, indem er seinen Beiratsposten des International Journal of Information Management aufkündigte. Und die Vereinigung der wissenschaftlichen Bibliotheken in den USA, die Association of Research Libraries (ARL), warf den Verlegern vor, aus Regeln für den Zugang zu der aus Bundesmitteln finanzierten Forschung ein hypothetisches Untergangsszenario zu stricken, demzufolge das Ende des wissenschaftlichen Publikationswesens unmittelbar bevorstünde.

Selbst unter den AAP-Mitgliedern ist die Kampagne umstritten. Zu denen gehören nämlich auch Universitätsverlage, die sich möglicherweise akademischen Interessen näher verbunden fühlen als dem Shareholder Value verpflichtete Großkonzerne. So verlangt der Geschäftsführer der Rockefeller University Press, Mike Rossner, jetzt von der AAP einen Hinweis auf der PRISM-Website, dass die dort vertretenen Meinungen nicht notwendig die Meinung sämtlicher AAP-Mitglieder darstellten. "Wir bei Rockefeller University Press stimmen überhaupt nicht mit der Tendenz überein, wie das Open-Access-Problem von PRISM dargestellt wird", erklärte er gegenüber der Presse.

Die Verlegerlobby wiederum zeigt sich von den scharfen Reaktionen überrascht. "Wir sagen definitiv nicht, dass Open Access mit schlechter Wissenschaft gleichzusetzen ist", ruderte der für die akademische Fachpresse zuständige AAP-Abteilungsleiter Brian Crawford inzwischen gegenüber dem Chronicle of Higher Education etwas zurück. "Was wir sagen ist, dass es für die Verleger darauf ankommt, flexibel und ohne Eingriffe der Regierung mit sämtlichen Geschäftsmodellen experimentieren zu können, die sie für richtig halten".

Zum Open-Access-Modell für wissenschaftliche Veröffentlichungen siehe auch:

(Richard Sietmann) / (jk)