Die Woche: OpenOffice im Amt

Pleite in Freiburg, Erfolg in München: Die Erfahrungen mit Open Source auf Arbeitsplätzen in Behörden könnten unterschiedlicher nicht sein. Wenn man daraus überhaupt eine Lehre ziehen kann, lautet die wohl: entweder ganz oder gar nicht.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Dr. Oliver Diedrich

Auf den ersten Blick scheint es eine klare Sache: Eine Lizenz von Microsoft Office Professional 2010 kostet rund knapp 400 Euro Lizenzgebühren, das summiert sich bei über 10.000 Arbeitsplätzen (wie in der Münchner Stadtverwaltung) auf über vier Millionen Euro. Die freie Konkurrenz Open- oder LibreOffice kostet keine Lizenzgebühren, macht also mindestens vier Millionen Euro Ersparnis. Muss man da angesichts klammer öffentlicher Kassen überhaupt noch diskutieren?

Muss man, ja. Denn natürlich zahlen Firmen und Organisationen, die große Mengen Lizenzen kaufen, über Volumenlizenzprogramme deutlich günstigere Preise. Konkrete Summen erfährt man dazu selten, aber wer bei fünfstelligen Stückzahlen dreistellige Preise für MS Office zahlt, dürfte schlecht verhandelt haben. Zudem muss man die Lizenzgebühren in Relation setzen zu den Kosten des Arbeitsplatzes insgesamt: Wenn ein Verwaltungsangestellter pro Stunde 25 Euro kostet, können schon ein paar Stunden Produktivitätsverlust im Jahr den Preis einer Softwarelizenz schnell überschreiten.

Deshalb geht es beim Thema Open Source in Behörden nicht nur ums Sparen: Man möchte sich auch ein Stück weit aus der Abhängigkeit von Microsoft befreien. Das Versprechen besserer Integration zieht viele Anwender immer tiefer in die bequeme Microsoft-Welt: MS Office bringt Outlook mit, Outllook funktioniert am besten mit MS-Exchange, Exchange braucht einen Windows Server mit Active Directory, da ist der IIS schon enthalten, für den man Anwendungen am einfachsten mit ASP.net erstellt ... Wenn man dann irgendwann vor der Wahl steht, seine IT an den Prioritäten des Herstellers auszurichten oder im großen Stil umzubauen, kann es richtig teuer werden. Das erleben derzeit gerade die Nutzer von Microsofts Small Business Server, den die Redmonder im Sommer abgekündigt haben und durch Cloud-Dienste ersetzen wollen. Und kann man wirklich von den Bürgern verlangen, ein bestimmtes Produkt zu kaufen, wenn sie elektronisch Dokumente mit Behörden austauschen wollen?

So ist es kein Wunder, dass sowohl 2003 in München als auch 2007 in Freiburg die Migration zu Open-Source-Software mit einem politischen Beschluss des Stadt- respektive Gemeinderats ihren Anfang nahm. Das Ende könnte allerdings unterschiedlicher nicht sein: In München läuft auf allen 15.000 Arbeitsplatz-PCs OpenOffice, 12.000 davon sind zudem von Windows auf Linux umgestellt, Millionen wurden eingespart, die Stadt ist stolz auf ihr Vorzeigeprojekt Limux. Freiburg hingegen hat das Projekt OpenOffice-Migration nach Jahren der Quälerei aufgegeben und wechselt nun zurück zu MS-Office. Dabei hatten die Freiburger das Fass Linux statt Windows gar nicht erst aufgemacht.

Da fragt man sich doch: Was macht es eigentlich so schwierig, von MS Office auf OpenOffice zu migrieren? In der öffentlichen Verwaltung gilt mehr noch als in anderen Büros: Hier wird nicht bloß ein Schreibprogramm durch ein anderes ersetzt. So arbeitet man in Behörden viel mit Dokumentenvorlagen. Einfache Vorlagen lassen sich sicher übernehmen oder schnell nachbauen, aber bei komplexeren Vorlagen mit Feldern, Makros und Formularfunktionen oder bei Serienbriefen ist eine einfache Migration von MS Office zu OpenOffice nicht möglich.

Dann sind da noch die berüchtigten Fachverfahren. In Kommunen kommen bis zu 100 Anwendungen zum Einsatz, um alltägliche Aufgaben – Melde-, KFZ- und Gewerbewesen, Bau- und Ordnungsamt, Jugend- und Sozialhilfe, Kindergarten-, Liegenschafts- und Friedhofsverwaltung – abzuwickeln. Vielfach handelt es sich dabei noch um Software, die speziell für einzelne Verwaltungen programmiert wurde. Diese Fachanwendungen benötigen häufig MS Office für das Generieren und Drucken von Dokumenten, speichern ihre Daten in der Datenbank MS-Access oder sind komplett in MS Office implementiert: Mit komplexen Word- oder Excel-Makros lassen sich erstaunliche Dinge vollbringen. All das ist nicht oder nur mit hohem Aufwand auf eine andere Büro-Software umzusetzen.

Das haben München wie Freiburg erfahren. München hat aus seinen Migrationsproblemen Konsequenzen gezogen: Mit WollMux entwickelte man ein Tool zur Verwaltung von Vorlagen und Textbausteinen für OpenOffice, der Verhau aus historisch gewachsenen IT-Strukturen wurde bereinigt. Die Vorgehensweise bei der Umstellung wurde so angepasst, dass man in Pilotprojekten zunächst die Probleme aufspürte und beseitigte, bevor OpenOffice breit installiert wurde – das hat vielen Mitarbeitern viel Frust erspart.

In Freiburg hingegen, so scheint es, hat man die Probleme nicht gelöst, sondern sich durchgewurstelt: Auf den meisten Arbeitsplatz-PCs war noch 2012 die veraltete MS-Office-Version 2000 parallel zu dem ebenfalls nicht mehr ganz frischen OpenOffice 3.2.1 installiert. Manche Tätigkeiten ließen sich nur mit MS Office erledigen, andere nur mit OpenOffice. Dass das nicht eben zur Akzeptanz von OpenOffice beigetragen hat und mit erheblichem Mehraufwand auch in der IT-Abteilung verbunden war, kann kaum verwundern. Dass die Verwaltung dann irgendwann die Beendigung des OpenOffice-Experiments einfordert, um endlich vernünftig arbeiten zu können, ist nachvollziehbar.

Wenn man daraus etwas lernen kann, dann wohl dieses: Die Migration eines so zentralen Werkzeugs wie der Office-Suite funktioniert nicht, wenn man sie halbherzig angeht. Sie erfordert sorgfältige Planung, zieht eine Menge nach sich – das kostet erst mal Geld. Außerdem muss man bei solchen Projekten sowohl die Anwender als auch die ITler mitnehmen; in Freiburg scheint beides nicht gelungen zu sein. (odi) (odi)