Klimakiller soll Rohstoff werden

Die chemische Industrie hat Kohlendioxid als Wertstoff entdeckt und produziert in Pilotanlagen schon Kunststoffe auf CO2-Basis. Das Klimagas soll künftig Erdöl ersetzen. Doch es gibt noch zahlreiche Probleme.

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Von
  • Jens Lubbadeh

In der Leverkusener Pilotanlage von Bayer MaterialScience wird derzeit erforscht, ob das Klimagas CO2 künftig Erdöl als wichtigste Basis für die chemische Industrie ersetzen kann Berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe (das Heft können Sie hier bestellen).

Seit knapp anderthalb Jahren wird hier die Polyolproduktion aus Kohlendioxid im Kilogramm-Maßstab erprobt. Die Idee, das ungeliebte Klimagas zu nutzen, ist bestechend, schließlich werden jährlich weltweit 35 Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen. Tendenz steigend. Die Folgen: Der Planet heizt sich auf, die Polkappen schmelzen, Meeresspiegel steigen an. Während sich die Politik von einer erfolglosen Klimakonferenz zur nächsten hangelt, machen sich Ingenieure und Chemiker Gedanken darüber, wie man das ungeliebte Gas nutzen kann. Schließlich steckt in Kohlendioxid Kohlenstoff, die Basis für große Teile der modernen Chemie.

Bisher holt sich die Branche den Kohlenstoff aus dem Erdöl. Etwa zehn Prozent der weltweiten Förderung fließen in die Chemieindustrie, die aus den Kohlenwasserstoffen die meisten ihrer Produkte herstellt – darunter Plastik und Medikamente. Während Öl immer teurer und langsam knapper wird, ist vom CO2 zu viel vorhanden. Unter anderem dank der für CCS (Carbon Capture and Storage) entwickelten Abtrenntechnologien ist es zudem vergleichsweise günstig zu haben. Dass sich, abgesehen von staatlichen Förderprogrammen, Unternehmen wie Bayer, Evonik oder BASF dem Thema widmen, hat vor allem zwei Gründe: Kostenersparnis und Umweltschutz. Man sei immer auf der Suche nach alternativen Rohstoffquellen zum Erdöl, so Gürtler. Außerdem gebe es ein durchaus spürbares Interesse bei Kunden an umwelt- und klimafreundlichen Produkten

Allerdings: Das Klima wollen und können die Chemiker mit all diesen Aktivitäten nicht retten. Dafür sind die Mengen an Kohlendioxid, die in eine stoffliche Nutzung fließen könnten, viel zu gering. Würde die chemische Industrie der 27 EU-Staaten ihren gesamten Bedarf an Kohlenstoff ausschließlich durch CO2 decken, entspräche das nur etwa 5,5 Prozent der gesamten Kohlendioxid-Emissionen dieser Staaten. Unsicher ist zudem, wie positiv die Klimabilanz derartiger Produkte wirklich ausfällt. Unabhängige Studien darüber gibt es nicht, und so bleibt unklar, ob der CO2-Schaumstoff dem grünen Image der Konzerne womöglich mehr bringt als dem Klima.

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(jlu)