Gerichte aus Kanada und den USA wollen Nortel-Geld verteilen

9,7 Milliarden US-Dollar liegen auf Treuhandkonten und harren seit Jahren ihrer Verteilung. Nun soll in einem grenzüberschreitenden Verfahren ein Verteilungsschlüssel ausgearbeitet werden.

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Die Pleite des kanadischen Netzwerk-Ausrüsters Nortel dürfte noch länger die Gerichte beschäftigen. 9,7 Milliarden US-Dollar (8,9 Milliarden Euro) liegen auf Treuhandkonten und harren seit Jahren ihrer Verteilung. Unterschiedliche Gläubigergruppen erheben Ansprüche, mehrere Mediationsverfahren sind bereits gescheitert. Nun haben am Freitag ein kanadischer und ein US-amerikanischer Richter gemeinsam bekanntgegeben, dass ihre Gerichte in einem grenzüberschreitenden Verfahren einen Verteilungsschlüssel ausarbeiten werden.

Zu den Forderungen der ursprünglichen Gläubiger sind inzwischen erkleckliche Verfahrensgebühren und Anwaltshonorare hinzugekommen. In kanadischen Medien werden dafür 755 Millionen Dollar, aber auch 861 Millionen Dollar angeführt. Letztere Summe wird von einer Gruppe ehemaliger Nortel-Mitarbeiter genannt. Sie zählen auch zu den Gläubigern, sind sie doch um ihre Altersrenten oder Zuschüsse für Menschen mit Behinderungen umgefallen.

Nortel meldete 2009 Konkurs an. Das seither zur Verteilung angesammelte Geld stammt vorwiegend aus dem Verkauf von Nortel-Betriebsteilen, Patenten und anderen Rechten. Grundsätzlich bestehen Regeln über die Verteilung einer Masse im Konkursfall. Und die ehemaligen Tochterunternehmen in den verschiedenen Ländern haben auch jeweils Masseverwalter, deren Aufgabe es ist, die jeweiligen Gläubiger so weit wie möglich zu befriedigen. Unklar ist aber, wie das Geld auf die Massen der verschiedenen Nortel-Töchter verteilt werden soll, also wie groß die einzelnen Massen sind. Davon hängt wiederum ab, wie viel Geld die jeweiligen Masseverwalter an "ihre" Gläubiger auszahlen können. Teilweise machen Gläubiger ihren Anspruch auch gegen mehrere Nortel-Töchter geltend, zudem gibt es Forderungen zwischen verschiedenen Nortel-Töchtern selbst. Darüber hinaus sind weitere Fragen zu klären, etwa zu Zinsansprüchen.

Masseverwalter der europäischen Nortel-Töchter hatten auf ein Verfahren vor einem privaten Schiedsgericht gedrängt. Dieses Verfahren hätte den Vorteil, schneller und günstiger zu sein. Zudem wäre die Entscheidungen in fast allen Staaten unmittelbar durchsetzbar. Ausländische Gerichtsentscheidungen hingegen werden von den meisten Staaten, wenn überhaupt, erst nach einem gesonderten Verfahren anerkannt. Das Schiedsgerichte böte aber keine Berufungsmöglichkeit und wäre nicht öffentlich. Damit blieben die zum Teil gewagten Behauptungen der Gläubiger geheim.

Die beiden nordamerikanischen Richter vertreten die Auffassung, dass die Geldverteilung dort vor einem ordentlichen Gericht geregelt werden sollte, wo Nortel den Schwerpunkt seiner Geschäftstätigkeit hatte; nämlich in Kanada und den USA. Das grenzüberschreitende Gerichtsverfahren könnte noch dieses Jahr beginnen. Es dürfte sich um das erste derartige Verfahren handeln und wirft daher viele Fragen auf. Die Entscheidung könnte sowohl in den USA als auch in Kanada angefochten werden. Was passiert, wenn die übergeordneten Instanzen zu unterschiedlichen Entscheidungen kommen sollten, ist offen. Auch gegen die nun getroffene Entscheidung könnte Berufung erhoben werden.

Aber auch das Verfahren selbst stellt neue Anforderungen: Die Zahl der teilnehmenden Anwälte kann gut und gerne dreistellig werden. Selbst auf zwei Gerichtsstandorte aufgeteilt ist das doch eine ganze Menge. Die Zahl ihrer Eingaben wird erklecklich sein. Kreuzverhöre auf Distanz sind wahrscheinlich weniger effektiv. Und schon der Videolink zwischen dem Gericht in der kanadischen Provinz Ontario und jenem im US-Bundesstaat Delaware am Freitag war Berichten zu Folge von technischen Problemen betroffen. Ein anderes kanadisches Gerichtsverfahren in Sachen Nortel hat im Jänner zu einem umfassenden Freispruch dreier ehemaliger Nortel-Manager geführt (R. v. Dunn, 2013 ONSC 137). (vza)