Auto warnt abgelenkte Fahrer

Sicherheitsforscher von Continental und TU Darmstadt arbeiten an Fahrzeugkonzepten, bei denen Assistenzsysteme mit neuartigen Warneinrichtungen kombiniert werden.

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Sicherheitsforscher von Continental und TU Darmstadt arbeiten an Fahrzeugkonzepten, bei denen Assistenzsysteme mit neuartigen Warneinrichtungen kombiniert werden.

Ein neues Fahrassistenzsystem macht unkonzentrierte Fahrer auf gefährliche Verkehrssituationen aufmerksam. Entwickelt wurde der digitale Copilot, der im neuen "Driver Focus"-Konzeptfahrzeug steckt, vom Automobilzulieferer Continental und mehreren Fachbereichen der TU Darmstadt.

Das System ist einerseits mit anderen bereits in Serienfahrzeugen verbauten Assistenzsystemen wie Abstandswarner, Spurhalteautomatik und Totwinkelassistent verbunden und kann mit ihrer Hilfe kritische Fahrsituationen erkennen. Zum anderen überwacht es mit einer Infrarot-Innenraumkamera, die in der Lenksäule untergebracht ist, die gesamte Fahrt über, wohin der Fahrer gerade blickt. Aus den Bildern der Kamera kann der Bordcomputer ermitteln, ob der Fahrer eine mögliche Gefahr auch wahrnimmt und rechtzeitig reagieren könnte.

Eine Infrarotkamera erfasst das Gesicht und die Augen des Fahrers. Ist er abgelenkt, schlägt der Bordcomputer Alarm.

(Bild: Continental)

Ist das nicht der Fall, wird seine Aufmerksamkeit noch vor Eintritt eines möglichen Unfallszenarios mit hellen LED-Lichtbändern in die richtige Richtung gelenkt. Die Leuchten sind in den Vordertüren und im Armaturenbrett untergebracht und glimmen je nach Gefahrenstufe von weiß über gelb bis hin zu knallrot. Beginnt der Fahrer beispielsweise auszuscheren, obwohl sich ein anderes Fahrzeug auf der Nebenspur befindet, leuchtet das Band auf der Fahrertürseite rot auf, damit er rechtzeitig gegensteuern kann. Das Warnsystem ist so angeordnet, dass es der Fahrer auch im Augenwinkel wahrnehmen kann, er muss also nicht seine Aufmerksamkeit von der Straße nehmen.

Schaut der Fahrer bei einer Gefahrensituation in die richtige Richtung, warnt ihn das System zur Sicherheit auch – aber erst dann, wenn das Bremsen oder Gegensteuern wirklich nötig wäre. Damit soll vermieden werden, dass gerade die Lichter ablenkend wirken. Das neue System soll Fahrern eine bessere Kontrolle des Fahrzeugs erlauben als rein automatische Systeme, die ihre Aufmerksamkeit nicht einberechnen und eventuell unerwünschte Entscheidungen treffen. Die Technik soll in den nächsten Jahren auch in Serienfahrzeuge eingebaut werden.

Die Infrarotkamera ist an der Lenksäule angebracht und stört den Fahrer nicht.

(Bild: Continental)

Der Bedarf für die Ablenkungserkennung ist groß: Laut Statistik des amerikanischen Verkehrsministeriums (Department of Transportation, USDOT) sterben allein in Nordamerika im Durchschnitt pro Tag zehn Menschen bei Unfällen, die in der Hauptsache durch abgelenkte Fahrzeugführer verursacht wurden. Bis zu 1100 Personen werden bei solchen Unfällen zudem pro Tag verletzt. Verkehrsforscher gehen laut Continental davon aus, dass menschliches Fehlverhalten zu über 80 Prozent alleinige Ursache von Verkehrsunfällen ist. Die Fahrerablenkung spiele dabei eine große Rolle. Ihre Ursachen seien vielfältig – von Übermüdung über Monotonie bis hin zu Stress und Informationsüberlastung.

"Mit dem "Driver Focus"-Fahrzeug erhält der Fahrer einen digitalen Copilot zur Seite, der das Fahrzeugumfeld permanent abtastet und den Fahrer dann gezielt warnt, wenn dieser eine Gefahr zu übersehen scheint", sagt Conti-Vorstand Helmut Matschi, der für Innenraumfahrzeugsysteme verantwortlich ist. Das Konzeptfahrzeug mache deutlich, dass die Integration neuer Technologien dazu beitragen könne, das Unfallrisiko weiter zu senken. Man habe "schlagkräftige Strategien für den Umgang mit Fahrerablenkung im Portfolio" und werde diese Schritt für Schritt weiter in die Serie bringen.

LED-Lichtband: Warnungen lassen sich so auch aus dem Augenwinkel erfassen, ohne den Blick von der Straße abwenden zu müssen.

(Bild: Continental)

Das "Driver Focus"-Konzeptfahrzeug mit der Ablenkungserkennung entstand im Rahmen des Forschungsprojekts PRORETA 3 der Technischen Universität Darmstadt, bei dem es um ein integriertes Konzept für Fahrsicherheits- und fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme zur Vermeidung von Unfällen in Stadtverkehrsszenarien geht. Auch mögliche Unfallfolgen sollen reduziert werden. Das Projekt läuft seit April 2011 und bindet die Fachgebiete für Fahrzeugtechnik, Regelungstechnik und Mechatronik, Regelungstheorie und Robotik sowie das Institut für Arbeitswissenschaft der Hochschule ein. Schon seit 2002 wird an der TU Darmstadt zusammen mit Continental an Unfallvermeidungsstrategien gearbeitet. (bsc)