Bundestag unternimmt neuen Anlauf gegen Softwarepatente

Die Regierungsfraktionen haben sich zusammen mit der SPD und den Grünen auf einen Antrag geeinigt, mit dem die Abgeordneten die Patentierung von Computerprogrammen "effektiv begrenzen" wollen.

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Die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP haben sich zusammen mit der SPD sowie den Grünen im Bundestag darauf geeinigt, die Patentierung von Computerprogrammen "effektiv zu begrenzen". In einem von ihnen beschlossenen Antrag (PDF-Datei) heißt es, Software sei "als solche" vom deutschen Patentgesetz und vom Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) ausgenommen. Insbesondere das Europäische Patentamt (EPA) erteile trotzdem gewerbliche Schutzrechte "mit Wirkung" auf Programme, da reine Datenverarbeitungssysteme als "technische Verfahren" oder Vorrichtungen verkleidet würden.

Auch der Bundesgerichtshof (BGH) habe in "Referenzurteilen" die Patentfähigkeit "softwarebezogener Lehren in weiten Teilen anerkannt", monieren die Parlamentarier. Mit dieser Rechtsprechung habe der BGH die Technizitätsanforderung weit ausgelegt und sich der "großzügigen Patentierungspraxis des EPA angenähert". Daraus resultiere für Softwareentwickler eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Ein abstraktes softwarebezogenes Patent erfasse alle individuellen Ausführungen der geschützten Problemlösung in konkreten Computerprogrammen. Diese dürften nicht mehr gewerblich verwendet werden, wenn der Schutzrechteinhaber nicht zustimmt.

Die betroffenen Programmierer "verlieren faktisch die urheberrechtlich vorgesehenen Verwertungsrechte an ihren selbst geschaffenen Computerprogrammen und sind bei der wirtschaftlichen Verwertung unkalkulierbaren Kosten- und Haftungsrisiken ausgesetzt", heißt es weiter. Zudem seien patentbehaftete Bestandteile von Software mit den Lizenzbedingungen der meisten Open-Source-Software grundsätzlich unvereinbar. Es seien "Monopolisierungstendenzen im Softwaresektor mit negativen Folgen für die Innovationsdynamik und den Arbeitsmarkt zu befürchten".

In dem Antrag wird von der Bundesregierung gefordert, zu gewährleisten, dass Computerprogramme auf dem Gebiet der reinen Datenverarbeitung sowie der softwarebasierten Wiedergabe von Informationen und von programmgestützten Steuerungsaufgaben "ausschließlich urheberrechtlich geschützt werden" und darüber hinaus keine Patente für abstrakte Lösungen auf diesen Gebieten vergeben werden. Der gewerbliche Rechtsschutz für Software soll auf Erfindungen beschränkt werden, die lediglich als austauschbares Äquivalent eine mechanische oder elektromechanische Komponente ersetzen. Als Beispiele für diesen klaren Bezug zur Technik nennen die Abgeordneten eine "softwarebasierte Waschmaschinensteuerung", die Steuerungsschaltkreise für einzelne Programmschritte aktivieren kann.

An die Regierung ergeht zudem der Appell, das Urheberrecht zu wahren, damit ein Programmierer sein Werk auch unter Open-Source-Lizenzen rechtssicher veröffentlichen kann. Für den Fall einer neuen Initiative zur Reform des EU-Patentrechts soll Berlin darauf hinwirken, dass dabei die Definition des technischen Beitrags möglichst konkret gefasst werden soll. Damit müsse sichergestellt werden, dass Computerprogramme als solche, Geschäftsmethoden und Algorithmen tatsächlich nicht patentiert werden könnten. Auch solle ein möglichst umfassendes patentrechtliches Interoperabilitätsprivileg normiert werden. Zudem solle die Entscheidungspraxis des EPA unabhängig wissenschaftlich evaluiert werden.

Der Bundestag hatte bereits 2005 vor der Entscheidung über eine letztlich abgelehnte EU-Richtlinie zu diesem Themenbereich ein klares Votum gegen Software- und Trivialpatente abgegeben. Die Lage habe sich deswegen aber nicht verbessert, beklagt der liberale Netzpolitiker Jimmy Schulz, der das Thema erneut auf die Agenda des Parlaments gesetzt und dafür nun viele Mitstreiter gefunden hat. Der auch von der Opposition mitgetragene Vorstoß solle dem Drängen der Volksvertreter nun "den erforderlichen Schub" geben.

Der Netzexperte der Grünen, Konstantin von Notz, begrüßte ebenfalls, dass es gelungen sei, eine interfraktionelle Initiative auf den Weg zu bringen. Damit würden der "ausufernden Patentierung im Softwarebereich klare Grenzen aufgezeigt". Er bedauerte zugleich, dass sich die Koalition geweigert habe, auch die Linken mit ins Boot der gemeinsamen Initiative zu nehmen.

Der Antrag soll am Donnerstag zu später Stunde in 1. Lesung im Parlament beraten werden, Mitte Mai von Sachverständigen in einer Anhörung unter die Lupe genommen werden. Da letztlich alle Fraktionen das Anliegen im Kern mittragen, dürfte einer baldigen Verabschiedung des Papiers nach den Ausschussdebatten nichts im Wege stehen. Das Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software (ifrOSS) bezeichnete es als bemerkenswert, "wie deutlich" sich der Bundestag gegen Softwarepatente positionieren will. (anw)