Entflechtet Netz und Inhalte!

2011 wollte die Regierung die Netzneutralität nicht gesetzlich festschreiben. Jetzt wundert sie sich, dass diese in Gefahr gerät.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 3 Min.

2011 wollte die Regierung die Netzneutralität nicht gesetzlich festschreiben. Jetzt wundert sie sich, dass diese in Gefahr gerät.

Droht nun wirklich der Untergang des Onlinelandes, weil die Telekom ihre DSL-Flatrate auf ein bestimmtes monatliches Datenvolumen drosselt? Wohl kaum. Die billige Bandbreite führt heute schon dazu, dass sie für ziemlich sinnarme Anwendungen verschwendet wird – zum Beispiel für das Echtzeit-Streaming des laufenden Fernsehprogramms. Muss man dafür wirklich Dutzende von Servern und Routern bemühen? Normales Broadcasting und ein DVB-T-Stick für 30 Euro tun es genauso. Aber wo kein Preis die Nutzung eines Gemeinguts deckelt, entsteht eben auch kein Anreiz, sparsam damit umzugehen.

Ob die Flatrate-Drosselung eine wirtschaftlich kluge Entscheidung ist, muss die Telekom selber wissen. Das Internet wird’s überleben. Wirklichen Grund zur Empörung bietet aber ein anderer Aspekt: Die Telekom torpediert die Netzneutralität. Ihr eigenes Unterhaltungsangebot „Entertain“ bleibt von der Drosselung ausgenommen. Zwar argumentiert die Telekom, Entertain sei nicht Teil des Internets, sondern ein spezieller kostenpflichtiger Zusatzdienst, doch das finde ich sehr spitzfindig: Sie steht mit Entertain im Wettbewerb zu ähnlichen Angeboten im Web und gräbt denen durch ihre Drosselung das Wasser ab.

Geradezu abstrus ist die Reaktion einiger Regierungspolitiker auf die Telekom-Ankündigung. Laut Spiegel online äußert sich Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) in einen Brief an die Telekom „besorgt“ über die „angekündigten Änderungen in den Tarifstrukturen“. Die Bundesregierung habe sich dazu bekannt, die „Netzneutralität zu wahren (…). Dies schließt nötigenfalls Eingriffe mit dem Ziel der Wahrung der Netzneutralität und der Sicherstellung von Wettbewerb ein“, heißt es in dem Schreiben weiter. Das ist schon dreist: Erst 2011 schrieb die Bundesregierung alles Mögliche in die Novelle des Telekommunikationsgesetzes, nur eben nichts zur Netzneutralität. Und gerade Rösler war es, der solche Fragen lieber dem Markt überlassen wollte. Nun hat die Telekom genau das getan, was sie aus marktwirtschaftlicher Sicht für richtig hielt, und Herr Rösler macht sich plötzlich Sorgen. Na toll. Wozu brauchen wir einen Wirtschaftsminister, der Briefe schreibt statt zu regieren?

Der Konflikt zwischen Inhalts- und Zugangsprovidern ist nicht neu. Spätestens seit sich 2006 Telekom und Kabelnetzbetreiber um die Übertragungsrechte der Fußballbundesliga stritten, ist klar, dass hier etwas zusammenwächst, was nicht zusammen gehört. Wenn Zugangsanbieter selbst an Inhalten verdienen wollen, treten sie in Konkurrenz zu ihrer eigenen Kundschaft. Für einen gesunden Wettbewerb ist das nicht gut. Zwar waren die Provider mit ihrem Versuch, auch als Inhalteanbieter aufzutreten, bisher nicht gerade rasend erfolgreich. Aber niemand sollte darauf vertrauen, dass dies ewig so bleibt.

Der Blick auf das Stromnetz zeigt einen Ausweg auf: Auch hier wurden Netzbetreiber und Stromanbieter rechtlich voneinander getrennt – zu spät und zu halbherzig zwar, aber immerhin. Es wird Zeit, so eine Lösung auch für das Internet ins Auge zu fassen.
(grh)