Handydaten optimieren Busnetz

Forscher bei IBM haben mit anonymisierten Mobilfunkdaten ein besseres Busnetz für die größte Stadt der Elfenbeinküste entwickelt.

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Von
  • David Talbot

Forscher bei IBM haben mit anonymisierten Mobilfunkdaten ein besseres Busnetz für die größte Stadt der Elfenbeinküste entwickelt.

Nutzer von Mobiltelefonen generieren tagtäglich große Mengen an Ortsdaten, während sie sich von Basisstation zu Basisstation bewegen. So ist es beispielsweise möglich, Verkehrsströme zu ermitteln oder festzustellen, welche Viertel einer Stadt gerade besonders angesagt oder im Kommen sind.

Forscher beim IT-Konzern IBM haben aus Millionen solcher Handydaten, die in der größten Stadt der Elfenbeinküste, Abidjan, anonym gesammelt wurden, nun ein neues Nahverkehrsmodell entwickelt, berichtet Technology Review in seiner Online-Ausgabe. Es könnte, zumindest theoretisch, die Pendeldauer in der Metropole, in der mehr als 4,5 Millionen Menschen leben, signifikant optimieren. Die Forscher prüften 65 mögliche Verbesserungen des Nahverkehrsnetzes und kamen zum Ergebnis, dass es ausreicht, zwei neue Buslinien einzuführen und eine weitere Linie zu verlängern, um die Reisezeit der Pendler insgesamt um zehn Prozent zu reduzieren.

In Abidjan leben laut letzten Schätzungen mehr als 4,4 Millionen Menschen.

(Bild: Zenman / Wikipedia / cc-by-sa-3.0)

Francesco Calabrese, einer der Hauptautoren der Untersuchung, meint, dass Stadtplaner künftig verstärkt auf solche Informationen zugreifen könnten, um Infrastruktureinrichtungen genauer an die tatsächlichen Bedürfnisse anzupassen. "Das könnte potenziell große Auswirkungen auf die Verbesserung urbaner Transportsysteme haben." Dabei würden die Handy-Nutzer zu lebenden Sensoren, die die Datenbasis ständig aktuell halten.

Um ihr Modell zu entwickeln, nutzten die IBM-Forscher einen Informationsschatz mit 2,5 Milliarden Anrufdaten, die der Telekomriese Orange von fünf Millionen Handynutzern in der Elfenbeiküste gesammelt hatte. Das zwischen Dezember 2011 und April 2012 erfasste Datenpaket stellt das bislang größte öffentliche Data-Mining-Projekt seiner Art dar. Vor der Nutzung durch IBM und andere Forscher wurden die Informationen um Rückverfolgbarkeitsmerkmale bereinigt.

In Abidjan sind derzeit nur 539 Standardbusse, 5000 Minibusse und 11.000 Mehrpersonentaxis unterwegs. Daten von 500.000 Handys nutzten die IBM-Forscher zur Erstellung ihres Modells. So war es möglich, zu sehen, welche Routen besonders häufig frequentiert werden und welche nicht, wo Staus entstehen und wie sie vermieden werden könnten.

Das Stadtgebiet wird derzeit allein mit Bussen und Taxis erschlossen.

(Bild: Google Maps)

Die Mobilitätsdaten entstehen, wenn ein Nutzer sein Telefon zum Anrufen oder für eine Textnachricht nutzt. Diese Aktion wird wiederum von einer Basisstation registriert und erlaubt dann, den ungefähren Ort des Anrufs im Radius des Mobilfunkturms zu bestimmen. Die Bewegungsrichtung wird dann wiederum ermittelt, wenn das Gespräch an eine weitere Basisstation übergeben wird oder ein neuer Anruf in der Umgebung der ersten Basisstation erfolgt.

Die Daten sind vergleichsweise ungenau, zumal nicht jeder Mensch in einem Bus ein Handy besitzt oder es benutzt. Trotzdem lassen sich Bewegungsströme aus der Sequenz der Basisstationverbindungen ermitteln. Die IBM-Forscher konnten zeigen, dass diese "Traces" genau genug sind, um als Datenquelle für Forschungsarbeiten aus den Bereichen Epidemiologie und Verkehrswissenschaften zu dienen.

Handy-Daten sind nicht nur in diesen Bereichen interessant - und datenschutztechnisch nicht unproblematisch. So denken Finanzfirmen darüber nach, die Kreditwürdigkeit von Personen anhand ihrer Bewegungen zu ermitteln – hält man sich in eher reichen Gegenden auf, so die Idee, verdient man auch mehr. Das könnte dann wiederum den Kredit-Score verbessern, wie schon heute der Wohnort eine wichtige Rolle spielt.

Zur Datenerfassung sind keine Smartphone notwendig – jedes noch so billige Handy bucht sich in Basisstationen ein und erlaubt ein Bewegungstracking.

(Bild: emily.laurel504 / Flickr / cc-by-2.0)

Die IBM-Studie zeigt nun, dass Mobilfunkdaten auch in der Dritten Welt sinnvoll eingesetzt werden können, obwohl sie nicht so genau sind wie etwa jene GPS-Informationen, die Navigationssoftware auf freiwilliger Basis in den Industrieländern sammeln, um beispielsweise Staus festzustellen.

Im Bereich der Transportsysteme ist es bislang schwierig, genau zu ermitteln, wo am sinnvollsten Verbesserungen vorgenommen werden können. Verkehrsbetriebe und Baubehörden setzten vor allem auf traditionelle Methoden wie Zählungen oder Umfragen. "In den Entwicklungsländern ist so etwas sehr teuer, doch die Handynutzung ist mittlerweile hoch, so dass solche Traces eine tolle Datenerfassungsmöglichkeit sind", meint Kara Kockelman, Verkehrsforscherin an der University of Texas in Austin.

Die Optimierung muss allerdings nicht immer funktionieren. Im Fall von Abidjan schlagen die IBM-Forscher unter 65 möglichen Verbesserungen zwei neue Routen und die Verlängerung einer existierenden Buslinie vor, um den größten Effekt zu erzielen. Doch wenn dadurch andere Bereiche entlastet werden, könnte es vorkommen, dass die Verkehrsströme einfach diese neuen Wege nehmen, warnt Kockelman. Ohne ein Dauermonitoring, das bislang nicht vorgesehen ist, geht also wenig. (bsc)