EMC emanzipiert sich von der Storage-Hardware

Der durch Cloud und Big Data getriebene Wandel vom Produktverkauf hin zur Dienstevermarktung führt auch EMC in eine neue Richtung – Software und Virtualisierung gewinnen im Portfolio immer mehr Gewicht gegenüber der Hardware.

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Der Storage-Hersteller EMC setzt Kurs in ein neues IT-Zeitalter: Nach der Mainframe-Ära, der PC- und Client-Server-Welt hat die Stunde von Cloud, Big Data und Trust geschlagen. Um in dieser dritten großen Ära der IT-Branche ein gehöriges Wörtchen mitreden zu können, leitet die EMC-Führungsriege rund um CEO Joe Tucci einige strategisch wichtige Entscheidungen im Hinblick auf die Neuausrichtung des Konzerns ein. Neben dem klassischen – auf die Speichersysteme fokussierten – EMC-Geschäft zählt mit VMware bereits der wichtigste Anbieter von Virtualisierungssoftware für x86-Server zum Firmenverbund. Als dritte und jüngste Säule kam zuletzt Pivotal hinzu – unter der Leitung des ehemaligen VMware-Lenkers Paul Maritz.

Vom Spezialisten fĂĽr Enterprise-Storage-Systeme zum Plattformanbieter fĂĽr Cloud, Big Data und Trust: Jeremy Burton, EVP Product Operations und Marketing, skizziert EMCs Entwicklung seit 2003.

Pivotal bündelt nicht nur das Entwicklerteam der von EMC im vergangenen Jahr übernommenen Pivotal Labs, sondern auch noch eine Reihe von Produkten und Technologien der Schwesterfirmen EMC und VMware – darunter insbesondere die Datenbank Greenplum, die Analysesoftware Cetas, die Java-Applikationsentwicklungsumgebung Spring, die In-Memory-Datenbank GemFire sowie Cloud Foundry als Platform-as-a-Service (PaaS).

Denn nach Einschätzung von Pivotal-Chef Maritz werden sich der Einsatz und die Nutzung von IT in den Unternehmen in den kommenden Jahren drastisch verändern. Die Internetkonzerne wie Google (Suchen und Kommunizieren), Amazon (Kaufen und Verkaufen) oder Facebook (Kommunizieren) haben es im Consumer-Geschäft vorgemacht und die IT zur Entwicklung, Umsetzung und Vermarktung neuer (Cloud-)Dienste für Konsumenten umgestaltet. Dabei mussten diese Unternehmen in der IT neue Wege gehen und individuelle Lösungen entwickeln – sowohl im Hinblick auf die eingesetzte Hardware wie auch die notwendigen Software-Tools. Und genau hier setzt Pivotal an: Maritz will eine neue (offene) Plattform schaffen, die es beliebigen Unternehmen ermöglicht, ihr Geschäftsmodell auf die Cloud (Service-orientierte Vermarktung) umzustellen und von den Ergebnissen der Big-Data-Analysen zu profitieren.

Wie das konkret in der Praxis aussehen kann, erläuterte Paul Maritz Anfang Mai vor rund 13.000 interessierten EMC-Kunden und –Partnern im Rahmen der EMC World 2013 in Las Vegas am Beispiel des Pivotal-Investors General Electric (GE). Der Flugzeugturbinenhersteller will künftig seine Triebwerke über integrierte Sensoren permanent überwachen und auf Basis der gesammelten Daten Analysen für die präventive Wartung erstellen. Bei einem Transatlantikflug beispielsweise kommen bereits etliche TByte an Daten zusammen, deren Stream in nahezu Echtzeit verarbeitet werden muss – ein Big-Data-Problem, das sich nur mit leistungsstarken Datenbanken und Analyse-Tools, wie sie unter anderem Pivotal zur Verfügung stellt, bewältigen lässt. Die informationstechnische Verarbeitung der Turbinendaten ist für GE wiederum Grundlage für eine komplette Umgestaltung des Triebwerkgeschäftes: Künftig werden die Turbinen nicht mehr als Produkte verkauft, sondern den Fluggesellschaften als Service mit einer garantierten Leistung und Betriebsdauer zur Verfügung gestellt.

Der Trend weg vom Produktverkauf hin zur Dienstevermarktung zeichnet sich in immer mehr Bereichen des Lebens ab, sowohl im Consumer-Umfeld (beispielsweise über die wachsende Zahl der Public-Cloud-Angebote) wie auch im Business-Segment. Speziell in der IT verliert dabei die Hardware zunehmend an Bedeutung, da Virtualisierungs-Layer die darunter liegenden Geräte immer austauschbarer machen. Dieser Entwicklung kann sich auch EMC nicht verschließen. Speichersysteme für die unterschiedlichsten Anforderungsprofile – von Online-Transaktionen bis zur Archivierung – sind und bleiben aber einer der Kerngeschäftsbereiche von EMC. Der Hersteller agiert in diesem Marktsegment sehr erfolgreich, konnte zuletzt seine Führungsrolle weltweit sogar noch weiter ausbauen.

Offen soll es bleiben: EMC will mit Pivotal, ViPR & Co. auch die Kunden anderer Anbieter abholen.

Initiativen wie Pivotal oder die Ankündigung der Software-defined-Storage-Plattform ViPR machen aber deutlich wohin die Reise bei EMC geht. Virtualisierungslösungen und Software für die Bereiche Cloud, Big Data und Trust (Security/RSA) werden in Zukunft einen immer größeren Anteil am Portfolio des Storage-Spezialisten einnehmen. Dafür stellt Konzernchef Tucci auch die notwendigen Mittel parat. Rund 12 Prozent des jährlichen Umsatzes von zuletzt knapp 21 Milliarden Dollar fließen in Forschung und Entwicklung, weitere 10 Prozent reserviert EMC für Akquisitionen.

Von den jährlich zweistelligen Wachstumsraten der Vergangenheit muss sich EMC künftig wohl aber verabschieden. 2012 stand noch ein Umsatzplus von gut 9 Prozent zu Buche, für 2013 wird mit 8 Prozent kalkuliert. Eine Neuausrichtung wie sie nun der Start von Pivotal markiert, ist daher notwendig – wenn auch nicht risikolos, wie Pivotal-Chef Maritz einräumte. Die Entwicklung in Richtung des Cloud- und Big-Data-Zeitalters sei nicht mehr aufzuhalten, wer allerdings davon am meisten profitieren werde, bleibe noch offen. Maritz zeigte sich aber fest überzeugt, dass EMC/Pivotal aufgrund der frühzeitigen Ausrichtung eine maßgebliche Rolle übernehmen werde. Außerdem verfolge Pivotal einen offenen und auf Open Source gegründeten Ansatz, der maximale Flexibilität für die Positionierung im Marktumfeld biete. "Denn wir wollen auf keinen Fall wieder Lock-in-Situationen wie sie im Mainframe-Markt herrschten, wo IBM immer kassierte, noch wollen wir genauso in der Cloud abhängig werden von Amazon." So sind die Pivotal-Lösungen zwar durchaus auf Plattformen und Hardware von EMC optimiert, der PaaS Cloud Foundry beispielsweise kann aber ebenso gut Amazons Cloud als Infrastruktur verwenden. (map)