US-Musikindustrie experimentiert mit P2P-Flatrate für Studenten

Die US-Musikindustrie versucht offenbar Universitäten für einen Pilotversuch zu gewinnen, bei dem Studenten für ihren digitalen Musikkonsum eine monatliche Gebühr mit den Studiengebühren entrichten sollen.

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Der Campus einer US-Universität ist für die Musikindustrie so etwas wie ein schwarzes Loch, das die ganzen schönen Profite verschluckt. Schuld daran sind Studenten, die auf der schnellen Infrastruktur der Unis ihre P2P-Clients im Dauerbetrieb laufen lassen. Oder so. Zumindest dürfen sich amerikanische Universitäten der gesteigerten Aufmerksamkeit der Musikindustrie sowie des Branchenverbandes RIAA und seiner Anwälte sicher sein, die eine breit angelegte Klagekampagne gegen filesharende Studenten führen. Das ist die eine Strategie der Labels.

Eine andere soll Joe Griffin entwickeln. Der erfahrene Musik-Manager heuerte im Frühjahr bei Warner Music an, um neue Erlösmodelle für die siechenden Majors zu entwickeln. Eine nicht ganz neue Idee dafür ist die Flatrate, die über den Provider abgerechnet wird. Gegen Zahlung einer monatlichen Musikabgabe von beispielsweise 5 US-Dollar kann der Zugangskunde völlig angstfrei Musik aus dem Netz ziehen, bis die Festplatte kollabiert. Die Idee ist nicht schlecht, hat aber einen Haken: Sie funktioniert nur, wenn alle Rechteinhaber an einem Strang ziehen.

Zumindest in dieser Richtung hat Griffin sein Konzept weiterentwickelt. In der vergangenen Woche brachte TechDirt den interessierten Leser auf den neuesten Stand der Entwicklungen. Mark Luker, Vizepräsident der gemeinnützigen Organisation Educause, fasst in einer von TechDirt veröffentlichten Präsentation Griffins neues Projekt zusammen. Demnach versucht Griffin die US-Universitäten als Provider der Studenten derzeit für ein Flatrate-Modell zu begeistern.

Studenten sollen ihren Obolus etwa mit den Studiengebühren entrichten. Die Universitäten bringen die Beiträge dann in einen großen Topf ein, der von einer unabhängigen Organisation verwaltet werden soll und an die Rechteinhaber ausgeschüttet wird. Die Verwalter der Uni-Netze sollen dabei irgendwie über die Musikdownloads Buch führen, um eine gerechte Ausschüttung an die teilnehmenden Labels zu ermöglichen. Warner sucht dafür in akademischen Zirkeln nach Partnern für einen Pilotversuch.

Griffin wies gegenüber TechDirt darauf hin, dass die Präsentation weder von ihm noch sonst jemandem bei Warner Music sei, bestätigte allerdings "aktive Bemühungen" um eine "konstruktive Lösung für ein komplexes Problem". Er will offenbar vor allem vermeiden, dass dem Vorhaben frühzeitig ein negativ aufgeladener Begriff wie "Musik-Steuer" verpasst wird. Abgesehen von der Namensgebung sind bei dem Vorhaben noch weitere Fragen offen – etwa nach der technischen Umsetzung und der Durchführbarkeit, wenn nicht alle Rechteinhaber mitziehen.

Wie Wired am Montag berichtete, konnte Warner inzwischen auch Sony Music und EMI an Bord holen, nur Universal zögert noch. Der Name des neuen Rechteverwerters steht demnach auch schon fest: Choruss. Warner soll an zahlreichen Unis vorstellig worden sein, darunter Columbia, Cornell, Stanford und dem MIT. Die tauschen sich auch untereinander aus und "versuchen, den Vorschlag von Warner Music zu verstehen", wie es ein Sprecher der Cornell University gegenüber Wired formuliert.

Dabei ist der Vorschlag ziemlich klar: Die Studenten können saugen und erhalten im Gegenzug das Versprechen, nicht von der Musikindustrie vor Gericht gezerrt zu werden. Denn eine echte Lizenzierung – darauf legen die Labels offenbar Wert – soll im Rahmen des Projekts nicht stattfinden, auch wenn in der Präsentation der Anschein erweckt wird. Studenten teilnehmender Universitäten kaufen sich also mit 5 Dollar pro Monat (oder welcher Summe auch immer) von den RIAA-Anwälten frei. Bleibt offen, was mit den unter dem Klagemoratorium heruntergeladenen Musikdateien passiert, wenn der Student die Uni verlässt. Denn lizenziert und damit legal ist die Kopie dem Vorschlag zufolge nicht.

Objektiv betrachtet ist das trotz aller offenen Fragen vielleicht gar kein so schlechter Vorschlag – weshalb er wohl auch die Unterstützung der Electronic Frontier Foundation (EFF) findet, die sich mit der Musikindustrie sonst eher vor Gericht trifft. Doch muss die Musikbranche bei den Unis noch einige Versöhnungsarbeit leisten. Denn bisher haben die Bildungseinrichtungen, die sich auf die Seite ihrer Studenten stellten, nur den den starken Arm der RIAA kennen lernen dürfen.

Auch die Zaghaftigkeit der Labels bei der Frage der Lizenzierung führt in der öffentlichen Dikussion zu starker Ablehnung. Daran, dass der prinzipiell diskussionswürdige Vorstoß, der vielleicht mal zu einem neuen Verwertungsmodell für Musik führen könnte, jetzt im wenig schmeichelhaften Kontext von "Erpressung" und "Schutzgeld-Gaunerei" diskutiert wird, ist die Branche mit ihrer knallharten Klagekampagne allerdings selbst Schuld. (vbr)