Mehr Kontrolle der Selbstkontrolle im Jugendmedienschutz gefordert

Im Auftrag des Bundesfamilienministeriums und der Länder hat das Hans-Bredow-Institut untersucht, wie gut das 2003 eingeführte System des Jugendmedienschutzes und der so genannten regulierten Selbstregulierung der Telemedienanbieter funktioniert.

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Von
  • Monika Ermert

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) soll die Arbeit der Selbstkontrolleinrichtungen effektiver überwachen, dabei aber deren Arbeit nicht vorgreifen – das ist eines der zentralen Ergebnisse des am heutigen Dienstag vom Hans-Bredow-Institut in Hamburg vorgestellten Berichtes zur Evaluierung des deutschen Jugendmedienschutzes. Es gelte, das Subsidiaritätsprinzip zu beachten, also die Selbstkontrolleure auch wirklich selbst kontrollieren zu lassen.

2003 hatten Bund und Länder mit der Neufassung des Jugendschutzgesetzes und der Schaffung des Jugendmedienschutzstaatsvertrags die so genannte "regulierte Selbstregulierung" eingeführt. Nach dem Amoklauf an einem Gymnasium in Erfurt 2002 hatte es heftige Diskussionen über die Gefährdung von Jugendlichen und Kindern etwa durch Computerspiele und Internetseiten gegeben; dies hatte mit dazu geführt, das Jugendmedienschutzrecht zu verschärfen: Am 1. April 2003 traten die aktuellen Bestimmungen zum Jugendmedienschutz (Jugendschutzgesetz,  JuSCHG, und Jugendmedienschutzstaatsvertrag,   JMStV) in Kraft.

Nach dem Jugendschutzgesetz des Bundes müssen auch Computerspiele wie zuvor Kino- und Videofilme mit einer Altersfreigabe gekennzeichnet sein. Alle neuen Medien, auch Internetseiten, können zudem auf den Index gesetzt werden und Sperrungsverfügungen unterliegen. Erweitert und verschärft wurden außerdem die Verbote für schwer jugendgefährdende Medien. Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder verpflichtet Anbieter von "Telemedien" unter anderem, Jugendschutzbeauftragte zu bestellen oder sich an eine Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle anzuschließen und lizenzierte Filterprogramme einzusetzen, um Kindern und Jugendlichen den Zugang zu pornografischen, aber auch allgemein "entwicklungsbeeinträchtigenden" Inhalten zu verwehren. Der Staat überwacht mit Hilfe der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) die Einhaltung der Regeln.

Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und der Länder hat nun das Hans-Bredow-Institut untersucht, wie gut das 2003 eingeführte System funktioniert. Auf 400 Seiten lassen sich nun die Analysen über Stärken und Defizite sowie Verbesserungsvorschläge der Hamburger Juristen nachlesen. Zum Teil komme es aktuell noch zu einem unproduktiven "Arbeiten gegeneinander", kritisiert der Bericht. Dabei sei aber in Rechnung zu stellen, dass sich die Zusammenarbeit in einem solch komplexen System erst einspielen müsse.

Grundsätzlich loben die Hamburger Juristen das System der regulierten Selbstregulierung oder Ko-Regulierung im deutschen Jugendmedienschutz. Mit der KJM sei erstmals eine zentrale Stelle geschaffen worden, die weithin anerkannt sei. "Bevor der JMStV in Kraft trat, war die Aufsicht bei den Telemedien durch die unterschiedlichen Jugendschutzbehörden der Länder auf wenige Einzelfälle beschränkt", heißt es im Bericht. Allerdings halten die Autoren die Verfahren von KJM und den letztlich für die Verfahren gegen Telemedienanbieter zuständigen Institutionen für zu komplex. Weil die Durchsetzung der Regeln im Streitfall den Landesmedienanstalten obliegt und die KJM zusätzlich an zwei Standorten (Erfurt und München) arbeitet, dauere es zu lange, bis die "schwarzen Schafe" sanktioniert würden. Die Gutachter raten hier immerhin schon einmal zu einer Datenbank, die für mehr Transparenz bei den Verfahren sorgen soll.

Eine Reihe neuer Entwicklungen im System der regulierten Selbstregulierung lobt der Bericht durchaus. Positiv erwähnt wird etwa das System der geschlossenen Benutzergruppen, durch das die Weitergabe pornographischer oder indizierter Telemedien an Jugendliche verhindert werde, ohne dass das Gebot der Informationsfreiheit gefährdet sei. Dabei müsse allerdings noch klargestellt werden, wer im Aufsichtsfall beurteilen dürfe, ob das System ausreichend sei: die KJM oder Selbstkontrolleinrichtungen wie die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia. Würden Anbieter wie angekündigt ins Ausland abwandern, lasse sich der Zugang durch Indizierung und Aufnahme in die ebenfalls neu geschaffene Filterliste der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPJM) erschweren, raten die Gutachter.

Das sogenannte BPJM-Modul, mittels dem große Suchmaschinenbetreiber auf freiwilliger Basis indizierte Inhalte aus ihren Suchergebnissen ausfiltern, sollte nach Ansicht des Hans-Bredow-Instituts mehr zum Einsatz kommen. Unter anderem denken sie dabei an inländische Anbieter von jugendgefährdendem Material. Überhaupt stellen sich die Forscher vor, dass man aus den klassischen Indzierungsverfahren bekannte rechtliche Mittel wie etwa die "vorläufige Anordnung" auch für den Onlinebereich einsetzt. Damit könnte rascher auf Verstöße gegen den Jugendschutz reagiert werden. Die Arbeitsgebiete der BPJM und der KJM überlappen sich übrigens mehr und mehr, da sich auch die BPJM inzwischen verstärkt mit Onlineinhalten befasst.

Für praktisch gescheitert erklärt der Bericht die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zu Jugendschutzprogrammen. Gemeint sind damit Jugendschutzfilter wie etwa das System der Internet Content Rating Association (ICRA), die es Eltern ermöglichen sollen, für Kinder ungeeignete, aber nicht generell verbotene Inhalte dem Zugriff der Kinder zu entziehen. Da bisher noch kein Programm anerkannt worden sei, stelle sich die Frage, ob die aufgestellten Voraussetzungen überhaupt erfüllbar seien. Die KJM bestätigte diesen Eindruck selbst noch einmal mit einer http[://www.kjm-online.de/public/kjm/index.php?news_id=101&show_1=59,53&z=1&action=show_datails Meldung], dass das Prüflabor der Kommission bei jugendschutz.net nach wie vor erhebliche Defizite bei getesteten Filtern festgestellt habe. Einerseits habe sich die Filterleistung im Vergleich zu einer früheren Studie kaum verbessert, andererseits komme es zum Teil zu einem inakzeptablem Maß an "Overblocking", also an zu viel gesperrten Sites. Der Evaluierungsbericht empfiehlt dem Gesetzgeber hier, die Zulassung von einzelnen Modulen statt ganzer Programme zu ermöglichen und so etwa Blacklists oder Whitelists als eigenständige Tools außerhalb eines Gesamtfiltersystems zu ermöglichen.

Die rechtliche Grundlage des von den Bundesländern eingerichteten und finanzierten jugendschutz.net, das für die KJM das Prüflabor betreibe und als eine Art Internetpolizei nach unzulässigen Angeboten suche, nennen die Hamburger Juristen übrigens als weitere Schwachstelle im JMStV. Es sei wichtig, dass der Hinweischarakter der von jugendschutz.net versandten Schreiben an Anbieter deutlicher gemacht werde: Kurz gesagt darf der Verein jugendschutz.net nicht wie eine Behörde agieren. Übrigens sei es auch angezeigt, dass jugendschutz.net bei vermuteten Verstößen von Mitgliedsunternehmen der Selbstkontrolleinrichtungen diesen Organisationen die Prüfung überließe. Auch dieser Hinweis zeigt, dass die Abgrenzung von Kompetenzen innerhalb der regulierten Selbstregulierung nicht immer funktioniert.

Das zunehmende Zusammenwachsen der Medienangebote und ihrer Verbreitungswege könnte übrigens die Abgrenzung von Aufgaben noch komplizierter machen. Als Beispiel verweist man beim Hans-Bredow-Institut hier auf den Spielebereich, zu dem man bereits im Sommer ein erstes Vorgutachten herausgegeben hat. Wenn immer mehr online gespielt wird, müsse eventuell auch eine FSK-Online und eine USK-Online gegründet werden. Damit wird das Gesamtsystem allerdings nicht unbedingt übersichtlicher.

Siehe dazu auch:

Siehe dazu auch den Online-Artikel in c't-Hintergrund zur bisherigen Berichterstattung über die Diskussion um das Jugendmedienschutzrecht, Gewaltspiele, Verbotsforderungen und Beschränkungen für Jugendliche bei Spielen:

(Monika Ermert) / (jk)