Studie hält ausgeweitetes Verbot von "Killerspielen" nicht für erforderlich

Die Evaluierung des Jugendschutzsystems im Bereich Video- und Computerspiele durch das Hans-Bredow-Instituts spricht sich für eine engere Schnittstelle zwischen staatlicher Aufsicht und Selbstkontrolle der Wirtschaft aus.

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Die Studie zur Evaluierung des Jugendschutzsystems im Bereich Video- und Computerspiele (PDF-Datei), die das Hamburger Hans-Bredow-Institut für Medienforschung im Auftrag des Bundesfamilienministeriums erstellt hat, spricht sich gegen eine Verschärfung des Verbots von "Killerspielen" aus. Ähnlich wie die SPD-Fraktion im Bundestag sehen die Forscher aber Vollzugsdefizite bei der Einhaltung der Regeln zur Verhinderung der Verbreitung gewalthaltiger Spiele. "Akzeptanz und Nachvollziehbarkeit des Jugendschutzes im Bereich Video- und Computerspiele könnten durch eine konsistentere und transparentere Praxis verbessert werden", lautet die wichtigste Schlussfolgerung des am heutigen Donnerstag veröffentlichten Berichts. So sollte etwa die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Staat an der Schnittstelle zwischen der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) und der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) ausgebaut werden.

Bislang ist im bereits an Computerspiele angepassten Paragraphen 131 Strafgesetzbuch (StGB) die Verbreitung, Herstellung oder das Zugänglichmachen von Darstellungen "grausamer oder sonst unmenschlicher Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnlichen Wesen" mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr belegt, wenn sich in ihnen "eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt" oder wenn sich "das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt".

Bayern hat im Bundesrat einen momentan auf Eis liegenden Gesetzesentwurf eingebracht, dessen Schwerpunkt ein neuer Paragraph 131a StGB mit einem Herstellungs-, Verbreitungs-, Veröffentlichungs- und Erwerbsverbot für "virtuelle Killerspiele" ist. Diese unter anderem vom niedersächsischen Kriminologen Christian Pfeiffer gestützte Verschärfung soll auch dann greifen, wenn Games dem Spieler die Beteiligung an entsprechend dargestellten Gewalttätigkeiten ermöglichen. Bei einer Anhörung im Bundestag votierten die meisten Experten aber gegen ein solches Vorhaben.

Einer Erweiterung des Anwendungsbereiches von 131 StGB etwa auf das Verbot bestimmter Spielgattungen seien "enge verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt", heißt es im Evaluationsbericht. Ein sonst drohendes "Totalverbot" würde auch erwachsenen Nutzern die Inhalte vorenthalten und in die Rechte der Hersteller eingreifen. Computerspiele seien vom Artikel 5 des Grundgesetzes zur Meinungsfreiheit geschützte Kommunikationsinhalte. Eine Konkretisierung könne aber im Hinblick auf das derzeitige Tatbestandsmerkmal des "Schildern" brutaler Szenen angezeigt sein, um den Besonderheiten von Video- und Computerspielen Rechnung zu tragen.

Im Bereich der Selbstkontrolle kritisiert die Studie, dass die Prüfungsgutachten der USK von "sehr unterschiedlicher Struktur, Differenziertheit und Qualität" seien. Dies sei im Hinblick auf Akzeptanz und Evaluierbarkeit suboptimal. Eine Verbesserung könnte durch die Ausarbeitung von nach außen kommunizierten Kriterienkatalogen erfolgen, die im Rahmen der Gesamtbetrachtung eines Prüfungsgegenstandes systematisch berücksichtigt werden. Inhaltlich haben die Forscher an den Prüfkriterien der USK wenig auszusetzen. Diese stünden "weitgehend in Übereinstimmung mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Wirkung von Computer- und Videospielen". Ausdifferenzierungen und Ergänzungen seien allein im Hinblick auf die konkrete Einbindung von Gewalt sowie auf Sucht- und Angstpotenzial sinnvoll. Die Kriterien, die der Altersfreigabe von Spielen durch die USK zugrunde liegen, sollten aber transparenter gestaltet werden.

Die Kennzeichnung selbst hält der Report ebenfalls noch nicht für ausgereift. So sei die zentrale Altersangabe nicht sonderlich auffällig gestaltet. Zudem komme es in der Praxis zu Fehlinterpretationen bei Käufern und Verkäufern, da die verbindliche Altersvorgabe als reine Empfehlung aufgefasst werde. Das Problem verschärfe sich noch, da neben den USK-Aufklebern nicht selten "in optischer Konkurrenz" die teils abweichenden Altersempfehlungen des europäischen PEGI-Systems stünden. Dies könne eine gewisse Beliebigkeit vermitteln.

Das im System mit verankerte Mittel der Indizierung hat sich dem Hans-Bredow-Institut zufolge als wirksamer Weg des Jugendschutzes bewährt, da es das Spiel am Markt durch Werbe- und Ausstellungsverbote weitgehend "unsichtbar" mache. Das mehrere Wochen andauernde Verfahren könnte aber beschleunigt werden. Momentan müsse damit gerechnet werden, dass ein großer Teil eines Spieles abverkauft sein könne, bevor es auf die schwarze Liste komme. Vorläufige Anordnungen könnten dem entgegensteuern. Wichtig sei es zudem, dass Indizierungskriterien der USK möglichst identisch sind mit denen der BPjM. Die Prüfung der Spiele an diesem entscheidenden Punkt werde nämlich faktisch auf die Selbstkontrolleinrichtung vorverlagert, da ein von dieser freigegebenes Spiel nicht mehr von der staatlichen Prüfstelle indiziert werden könne. Hier haben die Forscher aber "keine systematischen Hinweise" darauf gefunden worden, dass es zu größeren Abweichungen kommt.

Generell hält der Bericht den mit der Novelle des Jugendmedienschutzsystems 2003 eingeführten Ansatz der "Ko-Regulierung" für "durchaus leistungsfähig". Dabei sei aber auf eine klare Kompetenzzuordnung zu achten. Eine Optimierung des USK-Systems im Hinblick auf transparente Verantwortungsstrukturen erscheine sinnvoll. Die Träger der USK haben hier bereits Nachbesserungen angekündigt. Auch im Hinblick auf die Kontrolle der Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben und den Vollzug bei Verstößen ist der Evaluierung zufolge ein Defizit an Transparenz festzustellen. Es gebe keine zentrale Anlaufstelle, bei der man sich ein Bild über die Vollzugskontrollen machen könne. Eine auch für die beteiligten Institutionen klarer kommunizierte Aufgabenverteilung im Dreieck von Ordnungsämtern oder Gewerbeaufsicht, Polizei und den Obersten Landesjugendbehörden wäre sinnvoll und deren verstärkte Kooperation wünschenswert. Die Kontrolle der Abgabe in Ladengeschäfte durch die zuständigen Ordnungsämter könnten zudem durch eine gesetzliche Grundlage für Testkäufe effizienter gestaltet werden.

Die vielfach mit Verwunderung aufgenommene zahlenmäßig geringe Verfolgung von Straftaten vor allem nach Paragraph 131 StGB erklärt das Hans-Bredow-Institut mit den knappen Ressourcen der Staatsanwaltschaften. Diese würden sich daher auf schwerere Delikte wie Kinderpornographie konzentrieren, bei denen konkrete Gefährdungen von Opfern vorliegen. Hier müssten die Länder selbst umsteuern. Dies wäre aber nur bei einer kostspieligen Ausweitung der Ressourcen sinnvoll.

Neue Herausforderungen für den Jugendschutz haben sich dem Bericht nach durch das Internet ergeben. Die mangelnde Wirkung von Vertriebsbeschränkungen ergebe sich etwa auch durch den zunehmenden Onlinevertrieb der Spiele selbst oder von Mods, Demo-Versionen oder Trailern. Damit sei der Bereich des Jugendschutzes "in konvergenten Medienumgebungen" angesprochen. Diesem wollen sich die Forscher im Hauptteil der Überprüfung des novellierten Schutzsystems bis zum Herbst widmen. Der Bereich zu Computerspielen war angesichts der anhaltenden Debatte über eine Ausweitung des Verbots von "Killerspielen" vorgezogen worden.

Siehe dazu auch den Online-Artikel in c't-Hintergrund zur bisherigen Berichterstattung über die Diskussion um das Jugendmedienschutzrecht, Gewaltspiele, Verbotsforderungen und Beschränkungen für Jugendliche bei Spielen:

(Stefan Krempl) (jk)