Steve Ballmer: Developers, Developers, Developers

Nach 12 Jahren möchte sich der George Patton der Softwarebranche anderen Dingen widmen, als über Tablets und Smartphones zu grübeln, die Microsoft das Leben schwer machten. Eine Würdigung.

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Von
  • Detlef Borchers

Steve Ballmer während seiner berühmt-berüchtigen "Developers"-Präsentation

Die Nachricht machte schnell die Runde: Steve Ballmer will die Leitung von Microsoft abgeben. Nach 12 Jahren möchte sich der George Patton der Softwarebranche (so Forbes) anderen Dingen widmen, als über Tablets und Smartphones zu grübeln, die Microsoft das Leben schwer machten.

Ich interviewte Steve Ballmer einmal im Jahre 2001 auf der Comdex, nach dem Terroranschlägen vom 11. September. Während die Messe voll war mit Sicherheitskräften und alles kontrolliert und beäugt wurde, bewegte sich der Microsoft-Chef hemdsärmelig durch das Gedränge, ohne Bodyguard, jedermann grüßend. Die Frage nach dem Anschlag erübrigte sich schnell und direkt: "Sollen sie nur kommen, die kleinen Scheißer. Amerika lässt sich nicht aus der Ruhe bringen." Leider ein Fehlurteil, wie sich herausstellte. Amerika veränderte sich gründlich. Steve Ballmer, dessen aus der Schweiz stammender Vater bei den Nürnberger Prozessen dolmetschte, dessen jüdische Mutter die Werte des Glaubens und der Menschenrechte vermittelte, führte Microsoft in einer Zeit, in der Amerika sich im Antiterror-Kampf erschöpfte.

"Bad Boy Ballmer", so der Titel eines Buches, übernahm die Leitung von Microsoft, als der nerdige Bill Gates erschöpft war. Der vom harten Richter Thomas Jackson im Anti-Trust-Prozess schwer bedrängte Gates erkannte, dass es mehr gibt, als um Windows und Office-Paketbündel zu kämpfen. Ballmer übernahm die Firma ohne zu zögern. Im später geführten iX-Interview zur CeBIT 2002 gab sich Ballmer ausnehmend freundlich: "Natürlich gibt es Firmen, mit denen wir konkurrieren. Aber es muss eine Zusammenarbeit in den Punkten geben können, die uns alle etwas angehen. Wir können nicht dauernd vor Gericht ziehen, um dort unsere Probleme zu lösen." Als Chef eines Software-Konzerns konnte er nicht mehr die geliebte Rolle des schwitzenden, bärbeißigen Zampanos spielen und "Developers, Developers, Developers" schreiend über die Bühne laufen. Auch Fragen auf die drohenden Gefahren von quelloffener Software wusste er zu parieren: "Wir verkaufen Software. Wir haben keine Probleme, Firmen zu respektieren, die freie Software produzieren, solange diese Firmen unsere intellektuellen Eigentumsrechte respektieren."

Wir baten Ballmer im jahre 2002, uns das Kerngeschäft von Microsoft im Jahre 2005 zu schildern. Seine Antwort: "Definieren Sie doch mal 'Kerngeschäft'. Im Ernst, Kerngeschäft ist ein falscher Ansatz. Man muss sich eine Plattform vorstellen, auf der sich verschiedene Angebote von Microsoft tummeln. Statt eines Kerngeschäfts werden wir Kernangebote haben. Drumherum werden sieben Geschäftsbereiche von Microsoft gruppiert sein. Die Seele von allem ist unsere Plattform, .NET. Am stärksten wird bis 2005 das Server-Business wachsen. Daneben wird es MSN-, PocketPC-, Great-Plains- und so weiter Geschäfte geben. Am Ende entscheiden doch nur zwei Fragen: 1. Welche Geräte kaufen die Endkunden und 2. für welche Plattform programmieren die Entwickler. "

Nun kauften die Endkunden weder 2002 noch 2005 PocketPC von Microsoft, sondern legten sich die ersten Smartphones zu. Sie nutzten statt MSN das Internet, mit dem Microsoft lange Zeit gefremdelt hatte. Dabei blieben die von Ballmer so gerne beschworenen Entwickler sehr produktiv. Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass Micosofts Roger Needham in seinem Forschungszentrum in Cambridge bereits 2002 ein Smartphone auf der Basis eines Tablet-PCs demonstrierte, das Gesten- und Bewegungssteuerung beherrschte. Nicht nur Microsoft, sondern ganz Amerika verpasste hier den Anschluss bei der technischen Entwicklung der Geräte, während das Land mit Suchmaschinen wie der von Google und Palantir Technology Spitzenleistungen realisierte, um verdächtige Elemente zu finden. Microsoft wuchs mit Unternehmenssoftware, mit den Servern und ERP- und CRM-Angeboten, während im Windows-Bereich unter dem Spartenchef Sinofski ein gedankliches Ausgehverbot herrschte.

Später begann auf Basis dieser Forschungen die Entwicklung von Kinect für die Xbox, die heute bereits zu den größten Erfolgen der Ära Ballmer gerechnet werden kann. Developer, Developer, Developer, das alte Mantra hat neue Kraft. Kinect steht für die neue Coolness von Microsoft, wie Ballmer selbst vor kurzem erkannte: "Wir werden den Menschen eine Form der Unterhaltung bieten, die so intensiv und bespaßend ist, dass die Grenzen zwischen der Realität und der Fantasie aufgehoben sind." (jk)