Programme und Positionen zur Bundestagswahl 2013: Die SPD

Der zweite Teil unserer Reihe über die Wahlprogramme der großen Parteien beleuchtet die SPD. Als einzige Partei haben die Sozialdemokraten eine "Internet-Ministerin" in ihrem Schattenkabinett.

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Von
  • Detlef Borchers

Stolze 150 Jahre ist die SPD alt geworden und möchte ihre Politik für eine bessere Gesellschaft in der Regierungsverantwortung verwirklichen. Das 120 Seiten starke Regierungsprogramm der Partei steht unter dem Motto "Das Wir entscheidet". Es ist eine Mischung aus Wahlprogramm mit Einsprengseln eines Bürgerkonvents. Vom Programm gibt es eine Kurzfassung in leichter Sprache. Vor Kurzem wurde das Programm durch ein 100-Tage-Programm für den Fall eines Regierungswechsels ergänzt: Beim schnellen Neustart spielt die Digitalisierung der Gesellschaft keine wichtige Rolle. Nach der Wahl plant die Partei allerdings einen Bundesparteitag zum Thema "Digitale Gesellschaft".

Forderte Programmiersprachen als zweite Fremdsprache an Schulen: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück.

(Bild: dpa, Michael Kappeler)

In der langen Einleitung ihrer Regierungserklärung kommt die SPD auf Umwegen zur Sache, wenn zum Projekt der sozialen Emanzipation heißt: "Wir haben es mit gewaltigen ökologischen Herausforderungen zu tun; die zusammenwachsende Welt darf nicht zu einer Welt der sozialen Ausgrenzung werden; die gewaltigen technischen und ökonomischen Möglichkeiten müssen für eine 'Green Economy' genutzt werden; die Digitalisierung der Welt wollen wir für mehr internationale Verständigung und Solidarität einsetzen."

Programmatisch offensiver zeigte sich im März SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in seiner Rede auf der CeBIT, in der er betonte, dass Programmieren die neue zweite Fremdsprache sein müsse, so wie Alt-Griechisch die zweite Fremdsprache seiner Jugend war. Allerdings dürften digitale Fähigkeiten nicht exklusiv sein, sondern müssten Allgemeingut werden. Digital ja, aber für alle und zur Verbesserung der solidarischen Gesellschaft, so könnte man das Programm der Partei zusammenfassen.

Als einzige Partei präsentiert die SPD in ihrem Kompetenzteam genannte Schattenkabinett mit der Design-Professorin Gesche Joost eine "Internet-Ministerin", die die Digitalisierung vorantreiben soll. Zuletzt kritisierte sie das Programm zum besseren Schutz der Privatsphäre als Sammelsurium ineffizienter Maßnahmen und forderte gegen die Begehrlichkeiten der NSA "einfach nutzbare Verschlüsselungstechnologien für Bürger". Dieser Punkt steht nicht im Regierungsprogramm der SPD.

In Sachen Sicherheit und Überwachung verspricht die SPD "Augenmaß" und will sich von der CDU absetzen

Überwachung, Sicherheit und Netzpolitik im Allgemeinen

Das SPD-Regierungsprogramm setzt sich in diesen Punkten klar vom CDU-Programm ab und hält sich besonders bei den Sicherheitsfragen zurück. Die Netzpolitik wird in einem eigenen Kapitel (III.6) auf einer Stufe mit der Kultur- und Medienpolitik abgehandelt, der Zugang zum Internet wird als demokratisches Bürgerrecht aufgefasst, das vom Staat garantiert und geschützt werden muss. "Netzpolitik ist für uns Gesellschafts- und Zukunftspolitik und ein Instrument der Gestaltung für die digitale Welt. Sie gehört in die Mitte der politischen Debatte. Uns ist zuallererst der Zugang zum Internet als demokratisches Bürgerrecht wichtig. Wir brauchen dafür die Stärkung der Bürgerrechte durch wirksamen Datenschutz und den Schutz der Persönlichkeitsrechte."

Netzpolitik wird im Verständnis der SPD ein Weg für Bürger, "neue und weitergehende Formen der demokratischen Partizipation auf allen politischen Ebenen" zu ermöglichen, mit der Nutzung digitaler Technologien in Form von Online-Petitionen, Online-Befragungen und Ideen-Wettbewerben nach dem Crowd-Sourcing-Modell. Im klassischen SPD-Diktum müssen dabei alle Menschen mitgenommen werden, die mit der neuen Technik nicht vertraut sind.

Die künftige Sicherheitspolitik soll mit "Augenmaß" und ohne weitere Privatisierung von Sicherheitsaufgaben geführt werden. Angesichts des "besorgniserregenden" Anstiegs der Cyberkriminalität will man der Polizei effektive Werkzeuge zur Hand geben: "Wir wollen, dass unsere Ermittlungsbehörden auf Augenhöhe mit hochtechnisierten Kriminellen bleiben." Die Bekämpfung der Cyberkriminalität wird auch als Aufgabe der Wirtschaft verstanden. Gefordert wird, dass alle Unternehmen Cyberattacken melden, damit Polizei und Staatsanwaltschaft rasch Ermittlungen führen können.

Die genaue Definition dieser Augenhöhe fehlt im Regierungsprogramm, allerdings hat das Kompetenzteam um Gesche Joost unter dem Eindruck des NSA-Skandals den programmatischen Text "Im Zweifel für die Freiheit" veröffentlicht, in dem man sich für eine Neubewertung der Vorratsdatenspeicherung ausspricht. Das Regierungsprogramm formuliert die Position dagegen vager: "Den Umgang mit Verbindungsdaten werden wir auf die Verfolgung schwerster Straftaten beschränken, die Datenarten und Speicherdauer hinsichtlich ihrer Eingriffsintensität differenzieren und Regelungen klar, einfach und zukunftsfähig fassen. Die Speicherung von Bewegungsprofilen wird es mit uns nicht geben."

Die Sozialdemokraten plädieren für "starke und unabhängige Datenschutzbeauftragte".

Privatwirtschaftlicher Datenschutz, Umgang mit Informationssammlungen
von Facebook, Google & Co.

In puncto Datenschutz verweist das SPD-Programm auf den transnationalen Rahmen, bei dem ein weitreichender Datenschutz auf EU-Ebene festgeschrieben werden müsse. EU-weit, in Deutschland und in den Bundesländern sollen "starke und unabhängige" Datenschutzbeauftragte eingesetzt werden, damit der Datenschutz den Bedingungen der digitalen Welt entspricht. Welche Bedingungen genau den Datenschutz definieren, wird nicht ausgeführt. Stattdessen heißt es: "Die bewährte Zusammenarbeit mit Experten der Netz-Community und Bürgerrechtsorganisationen wollen wir fortsetzen."

Informationssammlungen von Internetfirmen werden im Programm nicht eigens thematisiert, allerdings soll es Rahmengrenzen geben, die wiederum europaweit gelten sollen: "Im Internet und bei sozialen Netzwerken sind wir für einen rechtlichen Ordnungsrahmen, der die Verbraucher schützt, die Meinungsvielfalt gewährleistet und für einen fairen Wettbewerb sorgt. Dafür setzen wir uns auf nationaler Ebene und in Europa ein."

Die alte Arbeiterpartei will mit modernerem Urheberrecht auch als "Partei der kreativen Arbeit" punkten

(Bild: dpa, Soeren Stache)

Weiterentwicklung und Durchsetzung des Urheberrechts

Verglichen mit anderen Themen zur Digitalisierung der Gesellschaft nimmt das Urheberrecht noch den größten Raum im SPD-Programm ein. Auf vier Seiten wird die Modernisierung des Urheberrechtes ausführlich dargestellt. Hier gibt sich die Arbeiterpartei SPD laut Programm als "Partei der kreativen Arbeit". Das von der schwarz-gelben Regierungskoalition durchgesetzte Leistungsschutzrecht wird abgelehnt und soll durch ein neues Gesetz abgelöst werden, das den Presseverlegern und Urhebern (besonders Journalisten) gleichermaßen entgegen kommt und gleichzeitig die Auffindbarkeit von Informationen gewährleistet.

Geistiges Eigentum, als "Rohstoff der Kultur- und Kreativwirtschaft" definiert, soll bei der beabsichtigten Modernisierung des Urheberrechtes mit einem fairen Interessenausgleich zwischen Urhebern und Nutzern gehandelt werden. Neue digitale Nutzungsmöglichkeiten sollen ausgebaut werden. Dazu gehört für die SPD zuallererst die Entwicklung von Geschäftsmodellen und Lizenzmodellen für die legale Nutzung geschützter Inhalte. Gleichzeitig sollen so entstehende Märkte nicht zu einen Abmahnmissbrauch führen.

Zur Absicherung eines modernen Urheberrechtes "bedarf es keiner flächendeckenden Inhaltefilterung des Datenstroms, keiner Internetsperren und auch keiner Androhung einer individuellen Sperrung des Internetzugangs. Derartig weitreichende Eingriffe in Grundrechte lehnen wir ab." Im Einklang mit dieser Haltung soll auch die Betreiberhaftung bei WLAN-Anlagen eingedämmt werden.

Zur Modernisierung gehört ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht, unter dem wissenschaftliche Arbeiten neben der Verlagspublikation an den Universitäten frei verfügbar sein sollen. Journalistische Arbeiten sollen im Sinne eines unabhängigen Journalismus durch das Recht so geschützt werden, dass Journalisten (und Künstler) keine prekäre Arbeitsexistenz führen müssen. "Wir wollen außerdem dabei helfen, neue Modelle der Finanzierung journalistischer Leistungen zu entwickeln." Schließlich will die SPD die Digitalisierung verwaister Werke vorantreiben und die Bildungskompetenz aller Lernenden mit einem modifizierten Urheberrecht verbessern: "Dazu bedarf es auch der Digitalisierung von Schulbüchern und Lehr- und Lerninhalten und deren Zugänglichmachung."

Netzneutralität soll gesetzlich verankert werden und der Breitbandausbau endlich vorankommen. Wer letzteren besorgt, sagt die SPD nicht.

(Bild: dpa, Peter Kneffel/Archiv)

Breitbandausbau / Netzneutralität

"Deutschland braucht ein schnelles Internet – für alle und überall. Wir wollen deshalb rasch eine flächendeckende Versorgung mit schnellen Internetanschlüssen. Darüber hinaus werden wir den weiteren Ausbau des Hochgeschwindigkeitsdatennetzes vorantreiben." Diese zentrale Aussage zum Breitbandausbau im Regierungsprogramm lässt offen, wer den Breitbandausbau besorgen und vor allem finanzieren soll. Im Programm gibt es eine Passage, in der "Netze in Bürgerhand" analog zu Bürgerwindparks auf der Basis kommunaler Anleihen realisiert werden. "Die Zeichner solcher Anleihen erkennen außerdem den konkreten Zweck bestimmter Projekte. Ein Einsatzbereich könnte der Ausbau von Breitbandnetzen für schnellere Internetverbindungen sein."

Im Verein mit dem Breitbandausbau plädieren die Sozialdemokraten für eine gesetzlich festgeschriebene "Universaldiensteverpflichtung" der Betreiber, damit Breitbandanschlüsse auch im ländlichen Raum realisiert werden. Schließlich sollen auch die nächsten Temposteigerungen im Netz gefördert werden, wobei die Industrie gefragt ist: "Darüber hinaus brauchen wir den dynamischen Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen. Dabei setzen wir auf zusätzliche private Investitionen, für die wir die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen werden. Wir werden die Netzneutralität gesetzlich verankern." Weitere Aussagen besonders zum letzten Satz gibt das Programm nicht her, allerdings hat die zuständige Expertin Gesche Joost einen Meinungsbeitrag zur Netzneutralität veröffentlicht, der die diffuse Haltung der EU-Kommission zu diesem Thema kritisiert. Netzneutralität dürfe nicht den Märkten überlassen werden, meint Joost.

Mehr Geld für IT-Infrastruktur und ein Informationsfreiheitsgesetz 2.0 soll es nach dem Willen der SPD geben.

(Bild: dpa, «Leibniz-Rechenzentrum»)

Investitionen in Forschung und Entwicklung, Open Data, Open Access

Allgemein setzt die SPD auf eine weitreichende Verbreiterung der IT-Infrastruktur. Für sie ist die Software-Industrie eine "Querschnittsindustrie", die weit mehr als neue Arbeitsplätze und Geschäftsmodelle sichern kann. Sie könne wichtige Impulse für andere Wirtschaftszweige geben. Dementsprechend wichtig sind Forschung und Entwicklung, die laut Programm vor allem vom Mittelstand zu leisten sind. Im Vordergrund steht dabei die Forschung an "High-End-Produkten" besonders im Bereich der IT-gestützten Ressourcen- und Energieeffizienz. Forschungen in diesem Bereich sollen neben der klassischen Forschungsförderung durch verbesserte Abschreibemöglichkeiten und "eine neue Form der steuerlichen Forschungsförderung" unterstützt werden.

Nach Vorbild des Hamburger Informationsfreiheitsgesetzes soll unter einer SPD-Regierung ein bundesweites Gesetz folgen, das von der SPD bereits als Informationsfreiheitsgesetz 2.0 angekündigt wurde. "Ziel soll es sein, möglichst alle für die Öffentlichkeit relevanten Datenbestände, Statistiken, Dokumente und sonstige öffentlich finanzierten Werke frei im Internet zugänglich zu machen." In diesem Rahmen werden im Regierungsprogramm auch zusätzliche Mitwirkungsmöglichkeiten wie Liquid Democracy und soziale Medien erwähnt, über die der informierte Bürger an der Politik teilhaben kann. Schließlich darf im Sinne einer erweiterten Transparenz die von der SPD geplante Einführung einer "legislativen Fußspur" nicht fehlen, die bei öffentlichen Projekten oder der Ausarbeitung von Gesetzesentwürfen anzeigt, welchen Anteil externe Berater an dem Gesetz hatten. (axk)