Eigene Top Level Domains für Städte und Regionen sind begehrt

Befürworter einerseits und DNS-Konservative andererseits sind geteilter Ansicht über die Chancen für die sogenannten GeoTLDs.

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Von
  • Monika Ermert

Initiativen aus Städten und Regionen in aller Welt, die Ambitionen auf einen eigenen Platz im Cyberspace haben, bereiten sich darauf vor, ihre Adressen bei der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) zu beantragen. Beim zweiten Internet Governance Forum (IGF) in Rio de Janeiro trafen sich unter anderem Vertreter von .africa, .lat (für Lateinamerika), .nyc (New York), .baires (Buenos Aires) und dot.Berlin. Ebenfalls vertreten waren mehrere Anwärter, die es gerne den Katalanen und ihrer für katalanische Inhalte reservierte .cat nachmachen wollen, und zwar fürs Galizische, Baskische, Bretonische und Walisische.

Wolfgang Kleinwächter, Special Advidsor für den IGF-Vorsitzenden Nitin Desai und einer der Organisatoren des Treffens, sprach vom vielleicht größten Treffen der geografischen Länderadressen, im ICANN-Jargon auch GeoTLD genannt. Befürworter einerseits und DNS-Konservative andererseits sind geteilter Ansicht über die Chancen für diese Top Level Domains. Im Fall dot.Berlin schwelt nach wie vor zudem der Streit zwischen dem jungen Unternehmen und der Berliner Verwaltung, die laut eigenen Aussagen ihre Berlin.de-Aktivitäten gefährdet sieht.

Nii Quaynor, einer der wichtigsten Internetpioniere in Afrika und Manager der Länderdomain von Ghana (.gh), erwartet, dass eine eigene Adresszone für Afrika, analog zur Domain .eu und der kürzlich gestarteten .asia, ein Anziehungspunkt und Anreiz für Inhalte aus Afrika werden wird. Um den Kontinent mit den vielen Widersprüchen hinter der afrikanischen Domain zu versammeln, hat Quaynor afrikanische Länderdomains (ccTLDs), die African Operators Network Group und die IP-Adressregistry AfriNIC zusammengebracht. Aus den Reihen dieser Internetorganisationen wird ein Vorstand gewählt, sagte Quaynor im Gespräch mit heise online. "Den Vorsitzenden des Boards wird die Union Afrikanischer Staaten wählen", sagte Quaynor, "wegen der geopolitischen Bedeutung. Das ist etwas verzwickt." Technisch angesiedelt sollen die .africa-Server vorerst bei Afrinic werden, da man dort bereits über entsprechende Kapazitäten verfügt.

Lokale Inhalte mit lokalen Nameservern schaffen mehr Zugangsmöglichkeiten für Nutzer und Anbieter zum Netz, eine Kernaufgabe des IGF, meint Quaynor. Nutzer erhalten Angebote aus ihrem Kulturkreis und in ihrer Sprache, Anbietern bekommen mit .africa einen neuen Kanal für die Veröffentlichung. Ein Teil der Erfolgschance für die .africa-Zone sieht ein Kenner der Szene darin, dass existierende Länderadresszonen in afrikanischen Ländern manchmal durch politische Wirren in dauernden Neuvergabeverfahren stecken. Auch auf die Schieflage bei den Interkonnnektionskosten könnte sich der Aufbau afrikanischer DNS-Server positiv auswirken. Wie lange es allerdings dauert, bis .africa in der DNS-Rootzone eingetragen ist, ist nicht vorauszusagen. "Wir wollen eigentlich gerne mit den anderen GeoTLDs gleichziehen", meinte Quaynor.

Befürchtungen, dass die "Speerspitze" der GeoTLD-Bewegung, dot.Berlin, am Ende den Nachahmern den Vortritt lassen muss, weist dot.Berlin-Geschäftsführer Dirk Krischenowski regelmäßig zurück. Tom Lowenhaupt vom New Yorker .nyc meinte auch: "Wir brauchen noch einige Zeit." Lowenhaupt stellt die .nyc-Pläne derzeit verschiedenen Stadtbehörden vor. Bislang seien die Reaktionen durchweg positiv. Auch beim Projekt Paris ist man noch dabei, sowohl den Vorschlag an die ICANN wie auch an die französischen Behörden vorzubereiten.

Um mögliche Einsprüche gegen GeoTLDs wie auch gegen alle anderen neuen Adresszonen, die nach aktueller Planung ab Ende nächsten Jahres beantragt werden können, muss sich am Ende die ICANN kümmern. Vorgesehen ist bislang, ein externes Expertenteam einzusetzen, um mögliche Einsprüche gegen Adresszonenbewerbungen zu klären. Der frischgebackene ICANN-Vorsitzende Peter Dengate-Thrush sagte gegenüber heise online, bei ICANN werde noch an der praktischen Umsetzung der Regeln für diese Streitverfahren gearbeitet, von denen einige auch Mehrfachbewerbungen beinhalten könnten.

"Wir brauchen einen Prozess, der die eingehenden Einsprüche alle bewältigen kann," betonte Dengate-Thrush. "Mir persönlich liegt besonders daran, dass wir dabei sicherstellen, dass nur echte Einsprüche ins Verfahren gehen und einen Aufschub für den jeweiligen Bewerber bringen." Als Anwalt werde er genau darauf achten, dass klar abgegrenzt werde, welche Art von Einsprüchen möglich sein wird und welche nicht. "Es kann nicht reichen, dass jemand eine Bewerbung nicht gut findet", sagte Dengate-Thrush. Klar sei, auf ICANN komme eine Menge Arbeit mit den neuen Top Level Domains zu. Ein vorgezogenes Verfahren für nicht-englische Adresszonen für einzelne Länder (etwa China) wird in den kommenden Monaten von einer Arbeitsgruppe bei der ICANN diskutiert.

Zum zweiten Treffen des Internet Governance Forum der UN siehe auch:

(Monika Ermert) / (jk)