Virtual Law: Was ist Recht in virtuellen Welten?

Virtuelle Welten stellen die Justiz vor neue Herausforderungen: Sind in Spielwelten erzielte Umsätze steuerpflichtig und sind virtuelle Investitionen dann auch abschreibungsfähig?

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Dr. Andreas Lober

Zu den bizarrsten Themen, die auf der in der vergangenen Woche zu Ende gegangenen Virtual Law Conference in New York erörtert wurden, gehörte sicher die Frage, wie virtuelle Güter aus steuer- und bilanzrechtlicher Sicht zu behandeln sind: Wie und wann sind sie als Ausgaben absetzbar, über welchen Zeitraum können sie abgeschrieben werden? Die Diskussion steckt noch in den Kinderschuhen, doch Bryan Camp von der Texas Tech University School of Law wies darauf hin, dass es für die Abschreibung in den USA nicht darauf ankommt, ob der betroffene Gegenstand einer Wertminderung unterliegt. Rechtsanwalt Sean Kane machte darauf aufmerksam, dass virtuelle Welten bei Fahndungsbehörden unter Geldwäscheverdacht stünden und forderte deren Betreiber auf, sich rechtzeitig über Sicherungssysteme Gedanken zu machen. Auch sei es allenfalls eine Frage der Zeit, dass Umsätze mit virtuellen Gütern besteuert würden.

Von breiterem Interesse – da auch für die Anbieter von virtuellen Welten ohne simulierte Ökonomie, also beispielsweise Online-Spiele relevant – sind Fragen nach geistigen Eigentumsrechten. John Crittenden berichtete über Markenverletzungen in virtuellen Welten, wo zahlreiche Produktpiraten ihr Unwesen treiben, aber nun auch erste Marken für rein virtuelle Dienstleistungen geschützt werden. Der Fall Marvel gegen NCsoft zeige dagegen die Grenzen des markenrechtlichen Schutzes: Auch wenn die Spieler des nur mäßig erfolgreichen NCsoft-Spiels "City of Heroes" ihre Superhelden teilweise nach bekannten, von Marvel markenrechtlich geschützten Figuren benannten, liege keine Markenverletzung vor, da diese nicht im geschäftlichen Verkehr handeln.

Aus urheberrechtlicher Sicht dürfen sich die Betreiber von virtuellen Welten nach amerikanischem Recht darüber freuen, dass der Digital Millennium Copyright Act (DMCA) eine "Safe Harbor"-Regelung vorsieht: Wenn ein Service-Provider bei Beschwerden über Urheberrechtsverletzungen die betroffenen Inhalte sofort vom Netz nimmt, haftet er nicht – und wenn der mutmaßliche Rechtsverletzer seine Position darlegt und sich rechtfertigt, darf der Betreiber der virtuellen Welt den strittigen Inhalt auch wieder freischalten. Den Rest können dann die Betroffenen unter sich ausmachen. Dieses System bietet wenigstens so lange Schutz, wie der Betreiber nicht die rechtswidrigen Inhalte provoziert oder von ihnen Kenntnis hat. Anwalt William Coats rät dazu, die Entwicklung im Auge zu behalten – eine schärfere Gangart sei künftig durchaus denkbar, insbesondere sei hier die Rechtsprechung zu YouTube im Auge zu behalten.

Nach deutschem Recht werden die Betreiber von virtuellen Welten schon jetzt stärker in die Verantwortung genommen, da eine "Safe Harbor"-Lösung wie in den USA im Gesetz nicht vorgesehen ist und nur teilweise durch ein entsprechendes System für die Meldung von unzulässigen Inhalten simuliert werden kann. Zum Teil sind auch die Schutzvoraussetzungen andere: HTML-Code zum Beispiel ist in Deutschland nach Meinung vieler Gerichte nicht urheberrechtlich schutzfähig, in den USA tendenziell dagegen schon, bei Kleidung ist es umgekehrt. Schließlich berechnet sich auch die Schadenshöhe hierzulande anders. Ein weiteres Panel widmete sich Rechtsstreitigkeiten in virtuellen Welten und insbesondere den dort auftretenden Beweisfragen, wie der Rechtsstreit um virtuelles Sexspielzeug und ein daraus folgender Prozess veranschaulichten.

Ausführlich und teilweise kontrovers wurde das Thema der Endnutzerlizenzbedingungen (EULAs) diskutiert. Michael Monahan vertrat die Meinung, dass die Betreiber von virtuellen Welten deren Schöpfer seien und daher die Nutzungsbedingungen weitestgehend frei bestimmen dürften. Joshua Fairfield von der Washington and Lee University School of Law vertrat dazu einen verbraucherfreundlicheren Standpunkt und sagte, auch Britney Spears könne nicht bestimmen, was ein Käufer mit ihrer Musik machen darf und was nicht. Erin Hoffmann stellte das "Better EULA"-Projekt vor, das mit dem Ziel antritt, die Bedürfnisse der Spieler bei der Gestaltung der Nutzungsbedingungen stärker zu berücksichtigen. Das Recht, das Produkt jederzeit zu ändern, müsse dem Betreiber einer virtuellen Welt aber bleiben. Die europäischen Regelungen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind dagegen sehr restriktiv.

Autor Andreas Lober war Teilnehmer des Panels zur Durchsetzung von Urheberrechten in virtuellen Welten auf der Virtual Law Conference. Zur parallel stattfindenden Virtual Worlds Conference 2008 in New York siehe auch:

(Dr. Andreas Lober) / (vbr)